Die USA hat mit ihrem "Inflation Reduction Act" (IRA) ein umfangreiches Maßnahmenpaket geschnürt. Die Ziele sind klar: Inflation reduzieren, Wirtschaft ankurbeln und die Energiewende vorantreiben. Durch das Festlegen klarer Regeln und Bedingungen, die an die Förderung geknüpft sind, betreiben sie aktive Industriepolitik. Der DGB findet: Europa sollte nachziehen und die sozial-ökologische Transformation aktiv gestalten.
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Im August 2022 verabschiedete die US-Regierung mit dem "Inflation Reduction Act" (IRA) ein umfangreiches Maßnahmenpaket, das die Inflation reduzieren, die Wirtschaft ankurbeln sowie die Energiewende massiv vorantreiben soll. So sollen die US-Treibhausgasemissionen bis 2030 im Vergleich zu 2005 um 42 % reduziert werden.
Im Zentrum des IRA steht eine aktive Industriepolitik, die über Steuergutschriften (tax credits) und weitere Anreize für klimaneutrales Wirtschaften und den (Wieder-)Aufbau gut bezahlter (Industrie-)Arbeitsplätze sorgen soll. Besonders gut: Die Fördergelder werden nicht ohne Bedingungen gezahlt. Eine angemessene Entlohnung der Beschäftigten oder die Anzahl von Auszubildenden im Unternehmen sind als Voraussetzung vorgesehen. Auch erwähnt der IRA explizit das Ziel, gewerkschaftlich organisierte Arbeitsplätze ("Union Jobs") zu schaffen.
In Europa mehren sich jetzt kritische Stimmen, die im IRA eine Benachteiligung europäischer Unternehmen sehen und befürchten, dass diese in die USA abwandern, um von den Steuervorteilen zu profitieren. Es gibt Forderungen, die EU solle die USA vor der WTO verklagen.
Doch anstatt vorschnell einen Handelskonflikt vom Zaun zu brechen, sollten die grundsätzlichen Lehren und Chancen des IRA für Deutschland und Europa betrachtet werden. Der IRA ist ein enormes Investitions- und Förderprogramm (siehe Grafik), das die dringend nötige sozial-ökologische Transformation über aktive Industriepolitik vorantreibt. Ein solches ist auch hierzulande überfällig.
Quelle: https://www.mckinsey.com/industries/public-and-social-sector/our-insights/the-inflation-reduction-act-heres-whats-in-it /Grafik: Eigene Darstellung
Dabei muss dem Staat eine neue, strategische Rolle zukommen. Zukunftstechnologien, die für Klimaneutralität und künftige industrielle Wertschöpfung unerlässlich sind, müssen aktiv gefördert werden. Lieferbeziehungen sollten diversifiziert sowie mehr Anreize für digitale und innovative Produktionsweisen geschaffen werden. Das sichert Beschäftigung und macht Europa krisenfest.
Allgemeine Steuersenkungen für Unternehmen sind sicherlich nicht angebracht. Was es – neben massiven Investitionen in die öffentliche Infrastruktur – aber braucht, ist eine gezielte Förderung von sinnvollen Unternehmensinvestitionen, die sich ohne Förderung (noch) nicht lohnen. Ziel muss sein, nicht nur Anschubfinanzierung zu leisten, sondern zur Marktdurchdringung von Zukunftstechnologien beizutragen und strategisch wichtige Wirtschaftsbereiche langfristig in Europa anzusiedeln.
Das kann über geänderte Abschreibungsregeln ("Superabschreibungen") für transformationsrelevante Investitionen, Beschaffungsquoten, Klimaschutzdifferenzverträge oder verschiedene Transformations-Fondsmodelle geschehen. Auch in der EU sollten für die Förderung Bedingungen gelten – z.B. die Beschäftigungs- und Standortentwicklung und die Einhaltung von Tarifverträgen.
Um die notwendigen öffentlichen Investitionen und Förderprogramme zu finanzieren, sollten Europas Schuldenregeln investitionsfreundlich ausgestaltet werden. Das EU-Beihilferecht muss reformiert werden, um der Förderung sinnvoller Investitionen nicht im Weg zu stehen.
Klar ist: Internationaler Handel ist sinnvoll, kein Land sollte sich abschotten. Aber eine aktive Industriepolitik für gute Arbeit und Klimaschutzinvestitionen in den USA ist richtig. Statt zu lamentieren, sollte die EU nachziehen.
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