Die geopolitische Lage, fragile Lieferketten und steigende Rohstoffbedarfe bewirken, dass die Länder Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay (Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur) in der deutschen und europäischen Politik mehr Beachtung finden. Doch Handels- und Kooperationsabkommen mit den Mercosur-Ländern müssen die Stärkung aller Partner zum Ziel haben. Genau hier besteht Nachbesserungsbedarf.
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Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay – die Länder der regionalen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur - sind in der Vergangenheit mehr und mehr in den Fokus deutscher und europäischer Politik gerückt. Es sind Staaten, mit denen man in Zeiten geopolitischer Unsicherheit gerne enger zusammenarbeiten möchte. Es sind sogenannte Wertepartner, die demokratisch gewählte Regierungen haben, mit denen man historisch verflochten ist und deren Ressourcenreichtum gerade in Zeiten fragiler Lieferketten und steigenden Rohstoffbedarfs von großer Bedeutung ist. Man ist sich freundschaftlich verbunden und möchte enger zusammenrücken.
Ein Handels- und Kooperationsabkommen der EU mit den Mercosur-Ländern wird bereits seit Beginn der 1990er Jahre immer mal wieder verhandelt. Beim handelspolitischen Teil wurde im Jahr 2019 eine politische Einigung zwischen den beteiligten Staaten erzielt.
In der aktuellen Form gibt es aus gewerkschaftlicher Sicht allerdings noch Nachbesserungsbedarf am Abkommen: Zwar verdeutlicht die derzeitige geopolitische Lage die Notwendigkeit stabiler Partnerschaften. Teil dieser Stabilität muss jedoch sein, dass Handelsabkommen auch die wirtschaftliche Stärkung der Partnerländer zur Folge haben und Länder nicht auf die Rolle reiner Rohstoffexporteure festschreiben. Bisher sind die Handelsbeziehungen zwischen der EU und dem Mercosur stark geprägt vom Handel mit Rohstoffen im Austausch gegen Industrieerzeugnisse (siehe Grafik).
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Damit dieses Muster durchbrochen und das Handelsabkommen auch einen Beitrag zur wirtschaftlichen und industriellen Entwicklung in den Mercosur-Ländern leisten kann, dürfen politische Instrumente zur Stärkung ihrer heimischen Wirtschaft nicht mit dem Argument der Wettbewerbsverzerrung oder Marktabschottung behindert werden. In den europäischen Initiativen zur Rohstoffsicherung ist explizit festgehalten, dass Partnerschaften mit rohstoffreichen Ländern nicht nur zur Diversifizierung europäischer Lieferketten beitragen, sondern ebenso Nachhaltigkeit und Wertschöpfung bei Abbau und Weiterverarbeitung in den Partnerländern fördern sollen. Dieses Verständnis von „Partnerschaftlichkeit“ muss auch in der Handelspolitik Anwendung finden. Denn nur so kann sie zu gerechtem Handel und zur Abschwächung sozialer Ungleichheiten weltweit beitragen.
Darüber hinaus mangelt es dem Abkommen noch an einer effektiven Durchsetzbarkeit von Sozial- und Umweltstandards sowie Menschenrechten, zu der sich sowohl die EU-Kommission als auch die Bundesregierung bekennen (siehe auch klartext 04/2023). Ein sanktionsbewährtes Nachhaltigkeitskapitel inklusive der verpflichtenden Ratifizierung und Umsetzung der ILO-Kernarbeitsnormen sind notwendig, damit das Abkommen dazu beitragen kann, die reale Situation der Beschäftigten zu verbessern. Wenn die EU ein wahrer Freund sein will, sollte am Abkommen nachgebessert werden.
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