SPD, Grüne und FDP haben angekündigt den gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland auf 12 Euro pro Stunde zu erhöhen. Das ist auch dringend notwendig, denn nach wie vor gibt es hierzulande einen der größten Niedriglohnsektoren. Die künftige Regierungskoalition muss die Mindestlohnerhöhung daher schnell auf den Weg bringen.
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Die vergangene Woche brachte gute Nachrichten für Geringverdiener*innen: Am Mittwoch kündigten SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag an, den gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland auf 12 Euro pro Stunde zu erhöhen. Einen Tag später stimmte eine überwältigende Mehrheit im Europaparlament für die Richtlinie über ein europäisches System von Mindestlöhnen. Damit soll unter anderem festgelegt werden, dass Mindestlöhne in Europa nicht unterhalb von 60 Prozent des jeweiligen mittleren Einkommens eines Landes liegen dürfen – was in Deutschland die Höhe von 12 Euro zusätzlich untermauern würde. Außerdem müssen EU-Länder, die eine geringe Abdeckung mit Tarifverträgen haben, laut Richtlinien-Entwurf „Aktionspläne“ zur Stärkung der Tarifbindung vorlegen.
Diese Maßnahmen zur Stärkung der Löhne sind richtig und notwendig – auch in Deutschland. Denn nach wie vor gibt es hierzulande einen der größten Niedriglohnsektoren (siehe Grafik). Rund 8,6 Millionen Beschäftigte verdienen laut Hans-Böckler-Stiftung in Deutschland noch unter 12 Euro pro Stunde. Besonders in Branchen wie dem Gastgewerbe, bei Kurierdiensten und im Einzelhandel verweigern Arbeitgeber*innen den Beschäftigten oft noch anständige Löhne.
Ausgerechnet aus dieser Ecke kommen jetzt Angriffe auf die Ampel-Pläne zur Mindestlohnerhöhung: Der Handelsverband Deutschland (HDE) beispielsweise, malt für den Fall eines Mindestlohns von 12 Euro das alte Gespenst von Arbeitsplatzverlusten an die Wand. Zur Erinnerung: Bereits vor Einführung des gesetzlichen Mindestlohns 2015 hatten neoliberale Interessenvertreter*innen solche Horrorszenarien vorausgesagt. Tatsächlich aber wuchs die Beschäftigung nach Einführung des Mindestlohns, die Arbeitslosigkeit ging zurück.
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Der Hotel und Gaststättenverband DEHOGA erwartet durch die Mindestlohnerhöhung erhebliche Personalkostensteigerungen „für die Mehrzahl der Betriebe“ und räumt damit indirekt ein, wie schlecht in der Branche bezahlt wird. Dass es auch anders geht, verschweigt der Verband. Dabei hat DEHOGA erst kürzlich in Berlin und Brandenburg Tarifverträge mit der Gewerkschaft NGG abgeschlossen, die in den untersten Entgeltgruppen keinen Lohn unter 12 Euro vorsehen. Grundsätzlich gilt: Vor allem in Betrieben ohne Tarifbindung werden Niedrigstlöhne bezahlt. Deshalb ist der gesetzliche Mindestlohn auch ein Mittel gegen Lohndumping-Konkurrenz durch Unternehmen, die sich weigern, Tarifverträge abzuschließen.
Die Arbeitgeberverbände sollten sich darum kümmern, dass ihre Mitglieder anständige Löhne bezahlen und die Anhebung des Mindestlohns akzeptieren. Dass jetzt die Arbeitgebervertreter in der Mindestlohnkommission eine lang geplante Sitzung verlegen ließen, zeugt von einer Trotzigkeit, die nicht weiterführt.
Die künftige Regierungskoalition sollte die Mindestlohnerhöhung schnell auf den Weg bringen. Den EU-Mindestlohn sollte sie – wie im Koalitionsvertrag angekündigt – lautstark im Rat der EU unterstützen. In einem reichen Land wie Deutschland, wo zudem die Lebenshaltungskosten steigen, müssen Stundenlöhne unter 12 Euro endlich der Vergangenheit angehören.
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