Der Gesetzentwurf des sogenannten Zukunftsfinanzierungsgesetzes (ZuFinG) soll private Investitionen ankurbeln, die aufgrund des Klimawandels und der erforderlichen Dekarbonisierung der Wirtschaft dringend benötigt werden. Doch dem Entwurf liegt ein Fehlschluss zugrunde und er enthält problematische Neuerungen. Es braucht eine deutliche Überarbeitung.
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Die privaten Investitionen in Deutschland schwächeln seit Jahren. Während die Investitionsbedarfe insbesondere aufgrund des Klimawandels und der notwendigen Dekarbonisierung der Wirtschaft steigen, geht die tatsächliche Investitionstätigkeit seit den 1990er Jahren gemessen am Bruttoinlandsprodukt trendmäßig zurück. Aus dem Haus des Bundesfinanz- und Bundesjustizministeriums kommt jetzt ein Gesetzesvorschlag, der Abhilfe schaffen soll: Das sogenannte Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG). Ziel dieses Gesetzes ist es, die Finanzierungsmöglichkeiten von Unternehmen zu erweitern und neben Banken-basierten auch Kapitalmarkt-basierte Finanzierungsmöglichkeiten zu fördern. Insbesondere Startups, Wachstumsunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) soll der Zugang zum Kapitalmarkt und die Aufnahme von Eigenkapital erleichtert werden, um damit die Rahmenbedingungen für Zukunftsinvestitionen zu verbessern. Dies geschieht auch über eine massive Förderung der Kapitalbeteiligung von Mitarbeiter*innen.
Aus Sicht des DGB liegt dem Gesetzesentwurf jedoch ein Fehlschluss zugrunde: Die Stärkung Kapitalmarkt-basierter Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen wird die Rahmenbedingungen für Zukunftsinvestitionen nicht verbessern, solange Konzerne primär Aktionärsinteressen bedienen. Die jüngste Vergangenheit zeigt: Höhere Gewinne von börsennotierten Unternehmen werden nicht eingesetzt, um neue Investitionen zu finanzieren, sondern um Dividenden auszuschütten und Aktienrückkäufe vorzunehmen. In den letzten Jahren kauften deutsche Unternehmen so viele eigene Aktien zurück wie noch nie (siehe Grafik). Auch Rekorddividenden wurden im letzten Jahr ausgeschüttet.
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Die Beispiele zeigen: Viele börsennotierte Unternehmen verfügen über genügend Liquidität, investieren aber trotzdem nicht in rentable und nachhaltige Investitionsprojekte. Vor diesem Hintergrund erscheint die Strategie, Unternehmen den Börsengang zu erleichtern, um die Investitionstätigkeit anzukurbeln, mehr als fragwürdig.
Darüber hinaus enthält der Gesetzesvorschlag einige sehr problematische Neuerungen die als Brandbeschleuniger zur Vermeidung der Unternehmensmitbestimmung wirken könnten. Insbesondere Regelungen zu Mehrstimmrechtsaktien und zur geplanten Börsenmantelaktiengesellschaft könnten die Attraktivität der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) für KMU erhöhen. Das Problem dabei ist: Diese Rechtsform wird derzeitig vor allem dazu genutzt, um sich der Unternehmensmitbestimmung zu entziehen.
Schließlich enthält das Gesetzespaket Regelungen, die eine schnelle Übernahme von Unternehmen durch Finanzinvestoren erleichtern sollen. Dabei zeigt die Forschung: Übernahmen durch Private-Equity-Fonds führen oft zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und Leistungen. Zudem werden häufig paritätische Mitbestimmungsstrukturen ignoriert oder vermieden, wenn Unternehmen in Eigentum von Finanzinvestoren sind.
Kurz: Der Entwurf des ZuFinG ist höchst problematisch und sollte deutlich überarbeitet werden. In einer Stellungnahme hat der DGB ausführlich Position bezogen und wird sich in den anstehenden Gesetzgebungsprozess aktiv einbringen.
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