Ende Februar hat eine Expertengruppe der Europäischen Kommission ihren Abschlussbericht zur „Sozialen Taxonomie“ vorgelegt. Darin schlägt sie ein Kriterien-System für sozial nachhaltige Investitionen vor. DGB und Gewerkschaften fordern nun die Ergebnisse des Berichts in einen Gesetzestext zu fassen und die bestehende ökologische Taxonomie durch eine anspruchsvolle soziale Dimension zu erweitern.
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Ende Februar hat die Expertengruppe der Europäischen Kommission zur nachhaltigen Finanzwirtschaft („Platform on Sustainable Finance“) ihren Abschlussbericht zur sogenannten „Sozialen Taxonomie“ vorgelegt. Die Expert*innen schlagen darin ein Kriterien-System für sozial nachhaltige Investitionen vor. Der Bericht ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer sozialen Erweiterung der bestehenden EU-Taxonomie.
Die EU-Taxonomie stellt ein Kernelement der diversen Initiativen für eine nachhaltigere Finanzwirtschaft im Rahmen des sozial-ökologischen Umbaus der europäischen Wirtschaft dar. Bislang konzentriert sie sich auf Umweltthemen. Vor dem Hintergrund der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) kann die ökologische Klassifizierung aber ebenso wenig von sozialen Kriterien getrennt werden, wie der Strukturwandel auf Kosten von Beschäftigung, Geschlechtergerechtigkeit, Guter Arbeit etc. gelingen kann.
Im Wesentlichen dient die EU-Taxonomie zwei Zwecken. Zum einen soll sie Transparenz und Einheitlichkeit am Finanzmarkt herstellen. Denn die enorme Nachfrage nach Finanzprodukten, die nachhaltige Kriterien garantieren (siehe Grafik), ging in den letzten Jahren einher mit einem Wildwuchs an Standards. Eine Studie der Bürgerbewegung Finanzwende zeigt, dass der Markt für nachhaltige Finanzprodukte ein strukturelles Problem hat: Zu häufig würden nachhaltige Fonds in Unternehmen investieren, die sozialen und ökologischen Kriterien nicht ausreichend genügen. Ölkonzerne sind in nachhaltigen Portfolios ebenso vertreten wie Amazon, das für die Missachtung grundlegender Arbeitnehmerrechte und eine aggressive Politik der Steuervermeidung bekannt ist. Die EU-Taxonomie, inklusive einer Erweiterung um eine soziale Dimension könnte Betrügereien, wie „greenwashing“ und „socialwashing“ effektiv verhindern.
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Doch die Taxonomie ist mehr als nur ein Produktlabel für Finanzinvestitionen. Sie hat das Potential, ein Steuerungsinstrument privater und öffentlicher Finanzströme zu werden, womit sie einen wichtigen Beitrag leistet für die sozial-ökologische Transformation und den Wirtschaftsstandort Europa als Vorreiter der Nachhaltigkeit.
Eine Reihe aktueller Gesetzesinitiativen (etwa zur Nachhaltigkeitsberichterstattung bei Unternehmen sowie zur Emission grüner Anleihen) sind mit der Taxonomie-Verordnung verbunden. Auch die Europäische Investitionsbank wendet die Taxonomie als Orientierungsrahmen bei Finanzierungsentscheidungen an. Es ist davon auszugehen, dass zukünftige EU-Förderprogramme sich auch an der Taxonomie orientieren werden. Mit der Erweiterung der Taxonomie um eine starke soziale Dimension wird einem ganzheitlichen Begriff von Nachhaltigkeit Rechnung getragen. Es geht darum, sicherzustellen, dass nachhaltige Finanzprodukte auch im sozialen Bereich anspruchsvoller Kriterien genügen.
Für die Gewerkschaften ist die soziale Taxonomie zudem eine Möglichkeit Gerechtigkeit, Wohlstand und Arbeitnehmer*innenrechte in der transformierten Wirtschaft zu gewährleisten. Es liegt jetzt an der EU-Kommission die Ergebnisse des Berichts in einen Gesetzestext zu fassen und die bestehende ökologische Taxonomie durch eine anspruchsvolle soziale Dimension zu erweitern.
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Gewerkschaftliche Wirtschaftspolitik stellt sich der Frage, wie der gesellschaftliche Reichtum gesteigert und zum Wohl der arbeitenden Bevölkerung verteilt werden kann. Uns geht es darum, den Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit für höhere Löhne, weniger Arbeitszeit und mehr Sozialstaat zu nutzen. Dies erfordert ein produktives Zusammenwirken von Staat und Markt. Märkte können schöpferisch sein und den gesellschaftlichen Wohlstand mehren. Märkte sind jedoch sozial und ökologisch blind. Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise hat das destruktive Potenzial unregulierter Märkte eindrucksvoll offengelegt. Deswegen bedarf es staatlicher Regulierung, Verteilungs-, Wirtschafts-, Sozial-, sowie Industrie- und Dienstleistungspolitik, um die Marktkräfte zu zivilisieren. Die Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik entwickelt und popularisiert wirtschaftspolitische Strategien und Instrumente, die diesen Zielen dienen.
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