Knapp 11.000 Kommunen gibt es in Deutschland. Seit Jahren wissen wir: Vielen geht es nicht gut. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und dem Superwahljahr wollen wir von DGB-Bundesvorstandsmitglied Stefan Körzell wissen, wie er die finanzielle Lage der Kommunen einschätzt.
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Keineswegs! Die Kommunen sind bisher nur durch massive Zuschüsse von Bund und Ländern glimpflich durch die Pandemie gekommen. Die finanzielle Krise droht den Kommunen erst jetzt. Um das mal in Zahlen auszudrücken: bis 2024 werden 42 Milliarden Euro weniger Einnahmen prognostiziert. 42 Prozent der Kommunen geben an, in Zukunft weniger Geld für Kulturangebote ausgeben zu können. Sinkende Einnahmen aus der Gewerbesteuer stehen steigenden Ausgaben für die Unterkunft und Heizung von Sozialleistungsbezieherinnen und -beziehern gegenüber. Die Politik muss unterstützen. Ein Sparkurs, wie er durch die Umsetzung der Schuldenbremse in Bund und Ländern droht, wäre das völlig falsche Signal. Ungleichheiten würden sich weiter verstärken. Ärmere Regionen würden weiter absteigen. Wenn wir jetzt den Gürtel enger schnallen müssen, wäre das Sprengstoff für die Gesellschaft. Vielmehr braucht es jetzt erst recht Perspektiven, wie Kommunen langfristig stabilisiert werden können.
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Ziel ist es, Kommunen mit Zukunft zu schaffen. Um ihnen schnell und unkompliziert Luft zum Atmen zu geben, würde 2022 die „solidarische Entschuldung“ der Kommunen beginnen. Viele Schulden sind entstanden, weil Kommunen Aufgaben auf Geheiß von Bund und Ländern übernommen haben, dafür aber nicht mit den entsprechenden finanziellen Mitteln ausgestattet wurden. Unsere Lösung für die Altschuldentilgung holt das nach. Konkret heißt das: Bund und Länder übernehmen paritätisch Altschulden, die höher als 100 Euro pro Einwohner sind. Der Rest verbleibt bei den Kommunen. Damit wären die ersten neuen Spielräume geschaffen und Geld, das vorher in die Tilgung von Schulden gesteckt wurde, kann nun sinnvoller verwendet werden.
Parallel dazu würde die Gemeindewirtschaftssteuer auf den Weg gebracht werden. Wir wollen, dass auch Ärztinnen und Ärzte, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie viele andere freie Berufe Gewerbesteuer zahlen. Das ist bisher nicht der Fall. Es macht aber Sinn, auch diese Berufsgruppen an der Finanzierung kommunaler Infrastrukturen und Dienstleistungen zu beteiligen, denn sie nutzen sie ja genauso wie andere Gewerbetreibende und Bürgerinnen und Bürger. Eine stärkere Einnahmebasis würde das Finanzfundament der Kommunen auf lange Sicht stabilisieren und krisenfest machen. Die Gemeindewirtschaftssteuer schafft Kommunen, die den Herausforderungen unserer Zeit auch finanziell gewachsen sind – und unabhängiger von Zuschüssen von Bund und Ländern.
Zu guter Letzt muss natürlich verhindert werden, dass die Kommunen sich erneut hoch verschulden. Eine Anpassung der Finanzbeziehungen zwischen den verschiedenen Ebenen ist nötig: Wenn Kommunen von Bund oder Ländern übertragene Aufgaben übernehmen, muss der „Auftraggeber“ dafür auch die Mittel bereitstellen.
Kommunen sind in vielerlei Hinsicht relevant für uns als Gewerkschaften. Zwei Aspekte sind mir persönlich jedoch besonders wichtig. Auf der einen Seite nehmen Kommunen eine Schlüsselrolle im sozial-ökologischen Wandel ein. Hier muss investiert werden: In die Verwaltung, die Mobilität, in die Bildung.
Tatsächlich aber nimmt der Anteil der kommunalen an den gesamten öffentlichen Investitionen seit Jahren ab, während gleichzeitig immer neue Herausforderungen entstehen. Der Investitionsstau in den Kommunen liegt zurzeit bei 147 Milliarden Euro und wächst immer weiter, wenn nicht schnell gehandelt wird.
Auf der anderen Seite sind Kommunen aber auch Orte der Demokratie. Hier erleben die Bürgerinnen und Bürger die Folgen der Politik hautnah. Hier engagieren sich Menschen, hier wird mitgestaltet und gelebt. Ein großer Teil des gewerkschaftlichen Engagements findet auf kommunaler Ebene statt – beispielsweise im Einsatz gegen die Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge, die oft auch schlechtere Arbeitsbedingungen mit sich bringt. Starke Kommunen können den Menschen den nötigen Raum für Mitbestimmung und Engagement bieten. Doch der Einsatz für die eigene Kommune wird schinden, wenn die Bürgerinnen und Bürger nichts zurückbekommen. Dass die Menschen den Glauben an den Staat verlieren und Politikverdrossenheit weiter wächst, können wir uns angesichts stark zunehmender extremer Tendenzen nicht erlauben.
Deshalb ist eins klar: Ohne gut ausgestattete Kommunen kann ein gerechter Wandel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft und gleichen Lebensverhältnissen nicht gelingen.
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Gewerkschaftliche Wirtschaftspolitik stellt sich der Frage, wie der gesellschaftliche Reichtum gesteigert und zum Wohl der arbeitenden Bevölkerung verteilt werden kann. Uns geht es darum, den Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit für höhere Löhne, weniger Arbeitszeit und mehr Sozialstaat zu nutzen. Dies erfordert ein produktives Zusammenwirken von Staat und Markt. Märkte können schöpferisch sein und den gesellschaftlichen Wohlstand mehren. Märkte sind jedoch sozial und ökologisch blind. Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise hat das destruktive Potenzial unregulierter Märkte eindrucksvoll offengelegt. Deswegen bedarf es staatlicher Regulierung, Verteilungs-, Wirtschafts-, Sozial-, sowie Industrie- und Dienstleistungspolitik, um die Marktkräfte zu zivilisieren. Die Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik entwickelt und popularisiert wirtschaftspolitische Strategien und Instrumente, die diesen Zielen dienen.
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