Deutscher Gewerkschaftsbund

23.02.2023
Investitionen

Kommunen mit Zukunft

Wie unsere Lebensorte gut durch die Krisen kommen

2021 zählte das statistische Bundesamt 10.789 Kommunen in Deutschland. Sie sind die Orte, in denen sich das Leben der Menschen abspielt. Doch wie steht es um unsere Kommunen? Wie wirken sich die Corona-Pandemie und zuletzt die Energiepreiskrise auf die kommunalen Handlungsspielräume aus und was muss dringend angegangen werden? Der DGB gibt einen Überblick über die aktuelle Situation der Kommunen und sagt, was sich ändern muss.

Altstadt und Plattenbauten

DGB/Animaflora, Lichtwolke via Canva.com

10.789 Kommunen zählte das Statistische Bundesamt im Jahr 2021. 10.789 Orte der Begegnung, des Zusammenlebens, des Alltags. Kommunen nehmen eine Schlüsselrolle in unserer Gesellschaft ein. Hier haben Bürger*innen den größten Mitgestaltungsspielraum, erleben aber auch hautnah die Auswirkungen der Politik. Hier entscheidet sich, wer gute Beschäftigung findet, wer bezahlbar wohnen kann, wer mobil ist. Doch wie steht es um unsere Kommunen? Wie wirken sich die Corona-Pandemie und zuletzt die Energiepreiskrise auf die kommunalen Handlungsspielräume aus und was muss dringend angegangen werden? Die Themenseite „Kommunen mit Zukunft“ bietet einen Überblick über die aktuelle Situation der Kommunen, vermittelt wichtige Grundlagen rund um das Thema und adressiert die Positionen und Forderungen des DGB.

  • Was machen Kommunen und warum ist das so wichtig?

    Kommunen betreiben Kitas, Schulen, Theater oder Museen. Sie sind für den ÖPNV und für den Bau von Straßen und Fahrradwegen zuständig, kümmern sich um die Müllabfuhr und die Versorgung mit Strom, Gas und Wasser. Darüber hinaus sorgen sie mit Anlaufstellen wie der Schuldner*innenberatung oder Kinder- und Jugendhilfe für wichtige soziale Angebote, die allen Menschen zugänglich sind.

    Darüber hinaus ist die Rolle der Kommunen entscheidend bei der Eindämmung der Klimakrise. Sie können über die Ausgestaltung beispielsweise der Verkehrsangebote Emissionen einsparen ebenso wie über die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude. Auch für die Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Klimaanpassung) sind sie in vielerlei Hinsicht zuständig (z.B. Wassermanagement, Forstmanagement, Feuerwehr).

    Die Aufgaben der Kommunen

    Inforgrafik: Aufgaben mit Kommunen

    DGB via Canva.com

    Die Liste der Aufgaben ist lang und zeigt, dass die Kommunen einen Großteil der öffentlichen Daseinsvorsorge bereitstellen. Das bringt Verantwortung mit sich – denn die Angebote sollten bezahlbar, erreichbar und qualitativ hochwertig sein. Viele Entscheidungen können die Kommunen selbstständig treffen – es gilt die kommunale Selbstverwaltung (siehe Kasten). Und weil die Gemeinden häufig selbst am besten wissen, wie ihre Bewohner*innen ticken, ist die Umsetzung des sogenannten Subsidiaritätsprinzips wichtig und richtig. Das Subsidiaritätsprinzip besagt, dass eine (staatliche) Aufgabe so weit wie möglich von der unteren Ebene, sprich der jeweiligen Kommune, wahrgenommen werden soll. 

    Was bedeutet „kommunale Selbstverwaltung“ eigentlich?

    Kommunen haben in bestimmten öffentlichen Aufgabenbereichen freie Hand. Die Idee: Einige öffentliche Aufgaben können am besten von den Menschen vor Ort organisiert werden. Warum sollte auch von Stuttgart aus über den Kitabau in Horgenzell entschieden werden? Die Menschen in den Kommunen kennen ihre Bedürfnisse wahrscheinlich besser. Dieses Recht auf „kommunale Selbstverwaltung“ ist sogar im Grundgesetz verankert:

    „Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.“

    Artikel 28 (2) Grundgesetz

    Gleichzeitig gibt es Bereiche, in denen die Kommunen nicht ganz so frei sind. Während beispielsweise in den Bereichen Sport und Kultur jede Kommune selbst entscheiden kann, ob und wie sie Angebote macht (freiwillige Aufgaben), gibt es ebenfalls Aufgaben, die den Kommunen von Bund und Ländern übertragen werden und bei denen sie nicht entscheiden können, ob sie diese Aufgabe erfüllen (Pflichtaufgaben). Zwar können sie manchmal noch entscheiden, in welcher Form sie die Aufgabe erfüllen – so müssen sie sich z.B. darum kümmern, Schulen und Kitas zu bauen, Abwasser zu beseitigen oder Gemeindestraßen zu bauen. Wie das konkret umgesetzt wird, ist jedoch nicht vorgegeben. Anders hingegen sieht es beispielsweise bei der Auszahlung von Sozialleistungen wie Wohngeld oder der Durchführung von Wahlen aus. Hier werden den Kommunen Vorgaben gemacht, die sie einzuhalten haben.

    Die aktuellen Krisen wirken sich auch auf die Kommunen aus

    Die Corona-Pandemie, die hohe Inflation und die Energiepreiskrise stellen auch die Kommunen vor neue Herausforderungen – und kommen noch hinzu zu den Aufgaben, gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen und den sozialgerechten ökologischen Wandel anzugehen. Schon Anfang des Jahres 2022 gab eine Vielzahl von Kommunen an, dass die steigenden Energiepreise für sie gar nicht oder kaum noch tragbar sind. Mögliche Folgen: Schulen und öffentliche Gebäude wie Bibliotheken oder Verwaltungen können nicht mehr so stark beheizt werden, energieintensive Infrastrukturen wie Schwimmbäder oder Turnhallen können unter Umständen nur eingeschränkt betrieben oder müssen ganz geschlossen werden. Als Maßnahmen zur Energieeinsparung sind diese Beschränkungen durchaus wichtig und richtig. Es ist jedoch von genauso hoher Bedeutung, darauf zu achten, dass diese Infrastrukturen nicht auf Grund von Sparzwängen langfristig dem Rotstift zum Opfer fallen.

    Was passiert, wenn die Aufgaben nicht erfüllt werden können, konnte leider in vielen deutschen Kommunen bereits vor den aktuellen Krisen beobachtet werden und die Situation hat sich vielerorts nicht gebessert: Ein schlecht ausgebauter ÖPNV schränkt die Mobilität vieler Menschen ein. Einige Regionen sind vom Umland so gut wie abgeschnitten. Knappe Kitaplätze lassen so manche junge Familie verzweifeln und durch die Schließung von Schwimmbädern, Theatern und Museen fallen zentrale Orte der Begegnung weg. Mit dem Verfall von guter Infrastruktur geht häufig auch ein Verfall guter Beschäftigung einher. Weniger Unternehmen siedeln sich an, junge Menschen ziehen weg und im schlechtesten Fall suchen auch alteingesessene Unternehmen nach Standortalternativen. Ein Teufelskreis, der die Ungleichheit innerhalb und zwischen den Regionen verschärft und Nährboden für Politikverdrossenheit und Unmut ist.

     

    Straßenumfrage zur Frage: Investiert der Staat genug?

    Schon vor der Pandemie und den Folgen des Angriffs auf die Ukraine war eine groß angelegte Investitionsoffensive notwendig, um Herausforderungen wie den Klimawandel, Wohnungsnot und demographischen Wandel zu meistern. In vielen dieser Fragen wird der Fokus zumeist auf den Bund gelegt. Dabei kommt es nicht zuletzt auf die Kommunen an, denn sie sind für rund ein Drittel der gesamten staatlichen Investitionen und rund die Hälfte der öffentlichen Baumaßnahmen verantwortlich. Die Mittel für diese Investitionen fehlen jedoch - so zeigt die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), dass die Investitionsrückstände auf kommunaler Ebene von Jahr zu Jahr steigen – im Jahr 2021 lagen sie bei knapp 160 Milliarden Euro. Es ist Aufgabe des Bundes und der Länder dafür zu sorgen, dass die Kommunen auf einem stabilen finanziellen Fundament stehen, um diese gesellschaftlich wichtigen Infrastrukturen und Dienstleistungen in guter Qualität, bezahlbar und gut erreichbar zur Verfügung zu stellen. Die Kommunen sind die Orte, an denen Vorhaben umgesetzt werden müssen, wo wichtige Stellschrauben zu finden sind.

  • Wie finanzieren sich die Kommunen und wofür geben sie Geld aus?

    Die Vielzahl der Aufgaben, die Kommunen übernehmen, müssen bezahlt werden. Grob lassen sich zwei Ausgabenkategorien bilden: Zum einen sogenannte laufende Ausgaben, beispielsweise das Gehalt der Beschäftigten in öffentlichen Kindertagesstätten oder der Verwaltung. Zum anderen Ausgaben für Investitionen wie neue Straßen oder Schulbusse (siehe Abbildung). Doch woher kommt das Geld dafür?

    In Artikel 28 des Grundgesetzes ist die finanzielle Eigenverantwortung der Kommunen festgeschrieben. Diese Eigenverantwortung betrifft vor allem die Gewerbe- und die Grundsteuer. Mit der Gewerbesteuer werden die Einkünfte von Unternehmen besteuert. Sie ist die einzige Steuer, die direkt und vollständig an die Kommune gezahlt wird. Sie macht auch den größten Teil der Steuereinnahmen der Kommunen aus (knapp 45 Prozent in den Kommunen der Flächenländer in 2021). Sie ist jedoch sehr abhängig von der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung.

    Die Grundsteuer müssen Eigentümer*innen von Grundstücken und Gebäuden an die Kommunen zahlen. Sowohl bei der Gewerbe-, als auch bei der Grundsteuer können die Kommunen die Höhe selbst bestimmen (über die sogenannten Hebesätze). Zwar gibt es einen Mindesthebesatz für die Gewerbesteuer, der einen ruinösen Steuerwettbewerb zwischen den Gemeinden verhindern soll. Dieser ist aber so niedrig, dass es trotz allem in einigen Regionen zu einem Wettbewerb um die niedrigsten Hebesätze kommt. Denn gezahlt wird die Gewerbesteuer von den Betrieben in einer Kommune. Senkt eine Kommune die Gewerbesteuer drastisch, zieht sie damit die Unternehmen aus der Umgebung an. Dadurch profitiert zwar diese eine Kommune, der Rest verliert aber eine Menge ihrer Einnahmen. Fair ist das nicht. 

    Zusätzlich zu diesen beiden Steuerarten bekommen die Kommunen auch einen Anteil an der Einkommens- und der Umsatzsteuer sowie weitere Steuern mit weniger Gewicht. Im Jahr 2021 machten die Steuereinnahmen 39 Prozent der kommunalen Einnahmen aus (siehe Abbildung).

    Kreisdiagramm: Ausgaben der Kommunen in den Flächenländern. Personal 25 Prozent, Sachkosten 21 Prozent, Investitionen (Baumaßnahmen etc.) 12 Prozent, Zinszahlungen 1 Prozent, Soziale Leistungen 22 Prozent, Sonstiges 19 Prozent.

    DGB

    Kreisdiagramm Einnahmen der Kommunen in den Flächenländern: Steuern 39 Prozent, Gebühren 7 Prozent, Zuweisungen von Bund und Ländern 42 Prozent, Sonstige 12 Prozent

    DGB

    Wichtiger noch als Steuern sind die Zahlungen des Bunds und der Bundesländer (sog. Zuweisungen) für die kommunalen Haushalte. Über das Verfahren des kommunalen Finanzausgleichs sollen die finanziellen Unterschiede zwischen den Kommunen innerhalb eines Bundeslands ausgeglichen werden. So soll sichergestellt werden, dass auch Kommunen mit weniger eigenen Einnahmen eine gute Daseinsvorsorge bereitstellen und ihre Pflichtaufgaben erfüllen können. Dabei kann jedes Bundesland selbst entscheiden, welcher Anteil seiner Steuereinnahmen an die Kommunen verteilt wird.

    Kommunen dürfen zwar Kredite aufnehmen um Investitionen zu tätigen, doch die Kreditaufnahme ist bestimmten Bedingungen untergeordnet. So unterliegen Kommunen zwar nicht direkt der Schuldenbremse. Gleichzeitig kann die sog. Kommunalaufsichtsbehörde die Kreditaufnahme verbieten, wenn der kommunale Haushalt nicht ausgeglichen ist. Kreative Lösungen der Kreditaufnahme wie Schatten- oder Notfallhaushalte können die Kommunen, anders als Bund und Länder, nicht bilden.

    Eine Ausnahme gibt es jedoch: Sollte den Kommunen kurzfristig das Geld ausgehen, dürfen sie Kassenkredite (auch Liquiditätskredite genannt) aufnehmen. Diese sollen Engpässe überbrücken, denn häufig fallen Kosten zu einem anderen Zeitpunkt an, als die Erträge eingehen. Kassenkredite können allerdings auch zu einem massiven Problem werden und Investitionen hemmen, gerade dann, wenn überbordende Kassenkredite die Kommunale Haushaltsaufsicht dazu verleitet, Haushaltssperren aufzuerlegen.

  • Vor welchen Problemen stehen die Kommunen?

    Die Probleme der Kommunen sind vielfältig. Der demografische Wandel bei gleichzeitigem Wegzug der Menschen in städtische Gebiete lässt Gemeinden schrumpfen und die Wirtschaft erodieren. Zudem bekommen Kommunen neue Aufgaben von Bund und Ländern übertragen und die sozial-ökologische Transformation steht vor der Tür. Um für die Menschen attraktiv zu bleiben und die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern, müssen die Kommunen in ihre Infrastruktur investieren.

    Auswirkungen der Krisen auf die Kommunen

    Doch das finanzielle Fundament dafür fehlt vielen Kämmer*innen. Die Corona-Pandemie und die Energiepreiskrise haben die Situation noch einmal verschärft. So haben die Kommunen seit Beginn der Pandemie immense Ausfälle ihrer Gewerbesteuereinnahmen zu verzeichnen (siehe Abbildung). Wie bereits beschrieben, sind die Einnahmen aus der Gewerbesteuer der größte Anteil an Steuereinnahmen, den die Kommunen haben. Schon 2020 summierte sich das kommunale Steuerminus auf rund sechs Milliarden Euro – wovon knapp fünf Milliarden auf Mindereinnahmen aus der Gewerbesteuer zurückzuführen waren.

    Grafik: Kommunale Steuereinnahmen in Flächenländern. Grundsteuer 13,44 Mrd. Euro, Gewerbesteuer 50,66 Mrd. Euro, Einkommensteueranteil 40,04 Mrd. Euro, Umsatzsteueranteil 8,21 Mrd. Euro

    DGB

    Zwar konnte dieser Einbruch in der Zwischenzeit wieder aufgeholt werden - u.a., weil Bund und Länder den Kommunen unter die Arme gegriffen haben, indem sie z.B. die Gewerbesteuerausfälle des Jahres 2020 ausgeglichen haben. Auch hat sich die Einnahmesituation verbessert, als die Wirtschaft nach der Pandemie wieder erstarkte. Doch mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine und die Auswirkungen auf die Energiepreise und Inflation stellen auch die Kommunen vor neue – finanzielle – Herausforderungen. Steigende Kosten u.a. für die Unterbringung und Versorgung geflüchteter Menschen auch aus der Ukraine sowie steigende Sozialausgaben kommen hinzu zu hohen Energiepreisen, die auch die Kommunen zu zahlen haben. Im schlimmsten Fall werden kommunale Investitionen in wichtige Bereiche der Daseinsvorsorge wie Schulen, ÖPNV, Kultur- und Freizeiteinrichtungen gestrichen werden müssen – und das ist angesichts des sowieso schon desaströsen Zustands mancher Infrastrukturen fatal.

    Hinzu kommt, dass die Zinsen – nachdem sie jahrelang sehr niedrig waren – wieder ansteigen. Das macht auch für die Kommunen die Aufnahme neuer und die Umschuldung alter Kredite teurer. Besonders betroffen sind sehr hoch verschuldete Kommunen, deren finanzieller Spielraum für z.B. Investitionen zusätzlich eingeschränkt wird. Viel mehr noch belasten jedoch gestiegene Baupreise, hohe Energiekosten und der Personalmangel in der kommunalen Verwaltung die Investitionsfähigkeit vieler Kommunen.

    Diese Entwicklung ist problematisch, denn es wird bereits seit Jahren zu wenig investiert. Ein Blick auf die Investitionstätigkeiten der Kommunen zeigt, dass die Nettoanlageinvestitionen bereits seit Beginn des Jahrtausends negativ sind. Übersetzt heißt das: Was investiert wird, reicht nicht einmal, um die Abnutzung der Infrastrukturen wie Schienen, Brücken und Gebäude auszugleichen (siehe Abbildung). Der kommunale Investitionsstau wird mittlerweile auf knapp 160 Milliarden. Euro geschätzt.

    Grafik: Nettoanlageinvestitionen der Gemeinden: Minus 1,3 Mrd. Euro im Jahr 2021 (1999: plus 1,2 Mrd. Euro, 2011: minus 7,3 Mrd. Euro)

    DGB

    Kommunalfinanzen stehen auf instabilem Fundament

    Die Krisen zeigen einmal mehr, wie fragil die Einnahmebasis der Kommunen ist. Leiden ansässige Unternehmen, sinken die Steuereinnahmen direkt. Anders als Bund oder Länder können die Kommunen aber nicht mit Schatten- oder Notfallhaushalten unterstützend wirken. Vielmehr rutschen auch sie in eine Krise und sind abhängig von der Unterstützung durch Bund und Länder.

    Erschwerend hinzu kommt für viele Kommunen die Last sogenannter Altschulden. Schon vor der Pandemie waren rund 2000 Kommunen überschuldet - fast jede fünfte Kommune. Wie es dazu kam? Viele Kommunen haben die Kassenkredite nicht nur zur kurzfristigen Überbrückung finanzieller Engpässe genutzt, sondern als zusätzliche Einnahmequelle, um die alltäglichen Ausgaben meistern zu können. Vor allem in Regionen, in denen der strukturelle Wandel dazu führte, dass große Industriebetriebe schließen mussten und ganze Industrien verlagert wurden, brachen Einnahmen weg, während Ausgaben besonders sozialer Art gestiegen sind (siehe Karte).

    Grafik Deutschlandkarte

    deutschlandatlas.bund.de

    Hier geht es zur interaktiven Karte: Der Deutschlandatlas - Karten - Kommunale Kassenkredite (bund.de)

    Die Kommunen stabilisierten ihre Haushalte immer häufiger mit Finanzspritzen auf Pump. So hat sich ein Berg von Altschulden angesammelt, der jetzt Spielräume für notwendige Investitionen einengt und Spardruck erzeugt. Zwar ist seit einigen Jahren ein Abbau der Kassenkredite zu erkennen und auch einige Bundesländer greifen ihren Kommunen mit Entschuldungsmodellen unter die Arme. In vielen Fällen – und angesichts der neuen Herausforderungen – wird das jedoch nicht reichen. Finanzielle Mittel auf kommunaler Ebene sollten nicht zur Tilgung der Altschulden verwendet, sondern investiert werden.

    "Kommunen müssen investieren" - Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau

  • Was ist also zu tun?

    Der DGB und die Gewerkschaften fordern, die Kommunen schnellstmöglich in die Lage zu versetzen, die wichtigen Zukunftsinvestitionen anzupacken. Dafür müssen sie kurzfristig entlastet und längerfristig auf ein stabiles finanzielles Fundament gestellt werden. Hier unsere Vorschläge:

    • Solidarische Entschuldung

    Der DGB schlägt eine solidarische Entschuldung der Kommunen vor, bestehend aus einer einmaligen Übernahme kommunaler Altschulden durch Bund und Länder, sowie längerfristiger Maßnahmen, um die kommunale Handlungsfähigkeit dauerhaft sicherzustellen. Bund und Länder tragen eine hohe Mitverantwortung an der Entstehung des Schuldenproblems, daher ist es auch gerechtfertigt, sie mit heranzuziehen. In diesem Sinne handelt es sich bei der Altschuldenübernahme lediglich um eine „nachholende Konnexität“ (siehe unten).

    Durch eine gemeinsame Kraftanstrengung kann das Problem der Altschulden angegangen und, im Sinne der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, in gute Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen in ganz Deutschland investiert werden. Dazu sollten die Länder zu einem bestimmten Stichtag kommunale Liquiditätskredite ihrer Kommunen, die über einen Betrag von 100 Euro pro Einwohner*in hinausgehen, übernehmen. Der Rest verbleibt bei den Kommunen. Bund und Länder begleichen dann die übernommenen Altschulden paritätisch.

    Die Kosten einer solchen Altschuldenübernahme belaufen sich für den Bund nach Schätzungen des Bundesfinanzministeriums auf rund 22 Milliarden Euro, hinzu kommen Zinsausgaben von drei bis vier Milliarden Euro pro Jahr. Dies ist - angesichts der Brisanz des Problems und der bevorstehenden Investitionsaufgaben im Rahmen des anstehenden Strukturwandels und des Klima- und Umweltschutzes - leistbar. Schnelligkeit ist darüber hinaus geboten, weil die sich anbahnende Zinswende, wie oben beschrieben, vor allem hoch verschuldete Kommunen zusätzlich belasten wird.

    • Gemeindewirtschaftssteuer

    Um die Kommunen langfristig in die Lage zu versetzen ihre Haushalte auch ohne Kassenkredite stabil zu halten, sollte die Gewerbesteuer hin zu einer Gemeindewirtschaftssteuer reformiert werden. Denn viele Berufsgruppen wie Steuerberater*innen, Apotheker*innen, Ärztinnen und Ärzte, Architekt*innen und einige mehr, deren wirtschaftliche Lage weniger konjunkturanfällig ist, sind von der Gewerbesteuer ausgenommen. Sie leisten keinen Beitrag zur Finanzierung des kommunalen Gemeinwesens, obwohl auch sie kommunale Dienstleistungen und die Infrastruktur in Anspruch nehmen. Aus unserer Sicht ist das nicht fair und sollte korrigiert werden. Mit einer Gemeindewirtschaftssteuer würden auch die freien Berufe einbezogen werden. Das schafft eine stabile Einnahmebasis. Mehr dazu im DGB-Steuerkonzept:

    • Ein echtes Konnexitätsprinzip und - wo nötig – Änderungen im Grundgesetz

    Damit der Schuldenberg nicht erneut ansteigt und die Kommunen mit ihren Aufgaben alleingelassen werden, muss das Prinzip der Konnexität endlich richtig umgesetzt werden. Konkret heißt das: Soll eine Kommune den Kita-Ausbau oder die Digitalisierung der Schulen übernehmen, müssen die Länder oder der Bund dafür die Mittel bereitstellen.

    Was bedeutet „Konnexität“ eigentlich?

    Konnexitätsprinzip meint im Kontext der öffentlichen Finanzen, dass Bund und Länder jeweils für die Kosten ihrer übertragenen Aufgaben aufkommen. Für die Kommunen bedeutet das: Übernehmen sie Aufgaben aus dem Bereich von Bund und Ländern, müssen sie dafür von der jeweiligen Ebene entschädigt werden. Passiert das nicht, wird das Prinzip der Konnexität verletzt – zum Nachteil der sowieso schon geschwächten Kommunen.

    Ein weiteres Hindernis ist, dass eine Mischfinanzierung, bei der Bund und Länder gemeinsam bestimmte Aufgaben finanzieren, gesetzlich verboten ist. Es gibt jedoch Ausnahmen (beispielsweise beim Küstenschutz). Wie bereits gezeigt wurde, haben die Kommunen eine zentrale Rolle bei der Bereitstellung wichtiger Daseinsvorsorgeangebote wie ÖPNV, Schulen und Kitas. In vielen dieser Bereiche sind Klimaschutzmaßnahmen wichtig, um die CO2-Emissionen zu reduzieren. Bis 2045 will Deutschland klimaneutral werden. Dafür müssen die Kommunen befähigt werden, in den Klimaschutz und klimafreundliche Daseinsvorsorge zu investieren.

    Deshalb fordern wir eine neue sogenannte Gemeinschaftsaufgabe für Klimaschutz und Klimaanpassung auf kommunaler Ebene. Dafür ist eine Änderung des Grundgesetzes nötig, sodass sowohl der Bund als auch die Länder finanziell bei dieser Aufgabe unterstützen können. Mehr Informationen zur Gemeinschaftsaufgabe gibt es hier:

    Geld ist nicht alles – weitere wichtige Stellschrauben

    Nicht nur klamme kommunale Kassen sind für für den Investitionsstau verantwortlich. Auch die Tatsache, dass Engpässe bei Materialien zu verzeichnen sind und die Preise bei Baumaterialien durch die Decke gehen, erschwert und verlängert den Aufbau neuer Schienen, Schulen und Kitas. Während die Kapazitäten in der Bauwirtschaft lange ausgelastet waren, deutet nun einiges auf schlechte Zeiten für die Bauwirtschaft hin. Die Zahl der Auftragseingänge fällt, die Neuvergabe von Immobilienkrediten ist so niedrig wie seit 2011 nicht mehr, die Kapazitätsauslastung im Bauhauptgewerbe lag im Dezember 2022 unter 70 Prozent. Steigende Preise und die Verdreifachung des Zinsniveaus innerhalb eines Jahres machen dem Sektor zu schaffen. Damit die Kapazitäten erhalten und mittelfristig weiter ausgebaut werden, müssen die öffentlichen Investitionen – auch auf kommunaler Ebene - massiv anziehen.

    Hinzu kommt, dass in den Bauverwaltungen, in denen Investitionsprojekte geprüft und koordiniert werden, in den letzten Jahren massiv Personal abgebaut wurde. Nicht nur in diesem Bereich der Verwaltung, sondern im gesamten öffentlichen Dienst, muss dem Personalmangel entgegengewirkt werden. Dies gelingt nur mit guten Arbeits- und Ausbildungsbedingungen, die mithalten können mit der Privatwirtschaft.


Nach oben

Der DGB-Steuerrechner

DGB
Wieviel Netto bleibt vom Brutto? Wie hoch sind die Steuern und Abgaben? Was kann eine gerechte Lohnsteuerreform bewirken? Der DGB-Steuerrechner zeigt auf einen Blick, wieviel mehr Netto vom Brutto mit den DGB-Steuervorschlägen für Ihren Haushalt am Jahresende übrig bleiben würde.
zur Webseite …

Lohn- und Gehaltscheck

Lohn­spie­gel.­de – Ver­glei­che dein Ge­hal­t!
Geldscheine in einer Hand
DGB/Vladyslav Starozhylov/123RF.com
Nutzen Sie den Lohn- und Gehaltscheck von Lohnspiegel.de und vergleichen Sie Ihr Gehalt. Über 500 Berufe werden abgedeckt und zahlreiche persönliche Merkmale berücksichtigt. Lohnspiegel.de wird vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung wissenschaftlich betreut.
zur Webseite …

Stellungnahmen

Reichstag Berlin
DGB/andreahast/123rf.com
Hier finden Sie die Stellungnahmen und Positionen der Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB).
weiterlesen …

Die Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik

Globus und Geldmünzen

DGB/hqrloveq/123rf.com

Gewerkschaftliche Wirtschaftspolitik stellt sich der Frage, wie der gesellschaftliche Reichtum gesteigert und zum Wohl der arbeitenden Bevölkerung verteilt werden kann. Uns geht es darum, den Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit für höhere Löhne, weniger Arbeitszeit und mehr Sozialstaat zu nutzen. Dies erfordert ein produktives Zusammenwirken von Staat und Markt. Märkte können schöpferisch sein und den gesellschaftlichen Wohlstand mehren. Märkte sind jedoch sozial und ökologisch blind. Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise hat das destruktive Potenzial unregulierter Märkte eindrucksvoll offengelegt. Deswegen bedarf es staatlicher Regulierung, Verteilungs-, Wirtschafts-, Sozial-, sowie Industrie- und Dienstleistungspolitik, um die Marktkräfte zu zivilisieren. Die Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik entwickelt und popularisiert wirtschaftspolitische Strategien und Instrumente, die diesen Zielen dienen.

Kontakt

Deutscher Gewerkschaftsbund
Bundesvorstand
Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik
Keithstraße 1
10787 Berlin

E-Mail: info.wirtschaftspolitik.bvv@dgb.de

Assistent*innen

Carina Ortmann
Telefon +49 30 24060-727


Manuela Schmidt
Telefon +49 30 24060-107

Ansprechpartner*innen

Florian Moritz
Abteilungsleiter Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik


Dr. Dominika Biegoń
Europäische und internationale Wirtschaftspolitik


Nora Rohde
OECD/TUAC
Öffentliche Daseinsvorsorge
Handelspolitik

Raoul Didier
Steuerpolitik


Dr. Robby Riedel
Tarifpolitische Koordinierung und Mindestlohn

 

Dr. Inga Jensen
Wohnungs- und Verbraucher*innenpolitik

 
Friederike Posselt
Tarifkoordination
 
Tarifkoordination
 
Henriette Neumann
Allgemeine Wirtschaftspolitik Marktregulierung und Verteilungspolitik