Das Bundeswirtschaftsministerium hat die überfällige Reform des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen angestoßen. Das ist auch dringend notwendig. Denn einige wenige Unternehmen haben zu viel Marktmacht. Das neue Gesetz muss Beschäftigungsabbau verhindern und Tarifverträge sowie Mitbestimmung erhalten und fördern.
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Nachdem im vergangenen Jahr der Tankrabatt eingeführt wurde, die Preise an den Zapfsäulen aber nicht wie erwartet sanken, nutzte das Bundeswirtschaftsministerium die Gelegenheit, um eine überfällige Reform des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vorzuziehen.
Überfällig ist die Reform des Wettbewerbsrechts deshalb, weil in einigen Bereichen eine extreme Marktkonzentration zu beobachten ist. Der Wettbewerb ist dort gering oder gar ausgesetzt: Wenige Unternehmen verfügen über die Marktmacht, einseitig Preise, Arbeitsbedingungen, Marktzugangsbeschränkungen oder Lieferbeziehungen zu bestimmen. In der aktuellen Inflation ist in einigen Bereichen eine Profit-Preis-Spirale zu beobachten, in der Preise nach oben getrieben werden, um Unternehmensgewinne zu steigern.
Eine hohe Marktmacht von Unternehmen kann sich zudem negativ auf das Kräfteverhältnis zwischen Arbeit und Kapital auswirken und geht oft mit einer relativ geringeren Innovations- und Investitionsdynamik einher.
Bisher prüfen die Kartellbehörden zwar vereinzelt Märkte im Rahmen sogenannter Sektoruntersuchungen (siehe Grafik). Sie können jedoch keine Abhilfemaßnahmen einleiten, sofern es sich nicht um kartellrechtswidriges oder missbräuchliches Verhalten der Unternehmen handelt.
Vor Ostern verabschiedete das Bundeskabinett nun einen Gesetzentwurf zur Änderung des GWB. Er sieht vor, dass die Behörden eingreifen können, wenn sie eine erhebliche und dauerhafte Störung des Wettbewerbs feststellen. Gut ist, dass für die Bewertung der Wettbewerbssituation eine Vielzahl von Unternehmens- und Marktstrukturdaten, z. B. Größe, Finanzkraft, Qualität, Transparenz, Dynamik etc., herangezogen werden sollen. Dies erweitert den Wettbewerbsbegriff maßgeblich und bietet Grundlage für eine stärkere Orientierung an Allgemeinwohlaspekten.
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Schlecht ist aber, dass die Perspektive der Beschäftigten und ihre Kenntnisse über die jeweiligen Branchen und Unternehmen im aktuellen Entwurf weiterhin nicht berücksichtigt werden. Das gilt insbesondere für die vorgesehenen Abhilfemaßnahmen, die neben der Offenlegung von Daten oder der Etablierung von Standards auch die organisatorische Trennung von Geschäftsbereichen oder - als ultima ratio - die Entflechtung von Unternehmen beinhalten können.
Hier muss der Gesetzgeber gewährleisten, dass diese kein Einfallstor für Beschäftigungsabbau bieten und dass Tarifverträge sowie Mitbestimmungsrechte fortgelten! Tarifverträge und Mitbestimmung sind entscheidende Elemente, um Marktgegenmacht herzustellen. Sie zu untergraben, würde das Ziel einer gerechten sozial-ökologischen Transformation konterkarieren. Für die Gewerkschaften ist klar: Mehr Wettbewerb ist kein Allheilmittel und mitunter sogar destruktiv, wenn er auf Kosten von Beschäftigten, Sozial- oder Umweltstandards ausgetragen wird.
Auch gelten andere Maßstäbe im Bereich der Daseinsvorsorge, dem eine besondere Gestaltungsfunktion zukommt und wo der Wettbewerbs- und Liberalisierungsdruck der Vergangenheit oft zu Versorgungslücken, höheren Preisen und schlechteren Arbeitsbedingungen geführt hat. Die Zerschlagungsfantasien von Union und Monopolkommission im Bereich der Deutschen Bahn führen beispielsweise in die falsche Richtung!
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Gewerkschaftliche Wirtschaftspolitik stellt sich der Frage, wie der gesellschaftliche Reichtum gesteigert und zum Wohl der arbeitenden Bevölkerung verteilt werden kann. Uns geht es darum, den Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit für höhere Löhne, weniger Arbeitszeit und mehr Sozialstaat zu nutzen. Dies erfordert ein produktives Zusammenwirken von Staat und Markt. Märkte können schöpferisch sein und den gesellschaftlichen Wohlstand mehren. Märkte sind jedoch sozial und ökologisch blind. Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise hat das destruktive Potenzial unregulierter Märkte eindrucksvoll offengelegt. Deswegen bedarf es staatlicher Regulierung, Verteilungs-, Wirtschafts-, Sozial-, sowie Industrie- und Dienstleistungspolitik, um die Marktkräfte zu zivilisieren. Die Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik entwickelt und popularisiert wirtschaftspolitische Strategien und Instrumente, die diesen Zielen dienen.
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