Mit wieviel Vorsicht diese Nürnberger Zahlen interpretiert werden müßten, gehe aus folgendem Sachverhalt hervor: Bei einer Saldierung des saisonbereinigten Rückgangs der Arbeitslosenzahl im Juni gegenüber Mai 1998 komme man nicht zu einem Rückgang, sondern zu einem Anstieg der Arbeitslosenzahl um 15.000, wenn die wahlpolitisch motivierte Ausweitung der Arbeitsmarktmaßnahmen gegengerechnet werde. Dabei sei die Entwicklung im Westen erkennbar besser als in Ostdeutschland.
Da es kein Patentrezept zur Wiederherstellung der Vollbeschäftigung gebe, müsse man ein ganzes Politikbündel mit verschiedenen Ansatzpunkten schnüren: Unabdingbar seien eine Wachstumsbeschleunigung und -verstetigung. Dazu gehöre u. a. eine Verbesserung der qualitativen Angebotsbedingungen in den Bereichen Umweltschutz, neue Medien, Biotechnologien, soziale Dienste und Existenzgründungen. Ohne stärkere Binnennachfrage bestehe keine Chance für ein nachhaltiges und beschäftigungswirksames Wachstum; denn noch nie habe es in der Geschichte der Bundesrepublik bei sinkenden Reallöhnen einen dauerhaften Aufschwung gegeben.
Die zweite Handlungsebene seien durchgreifende Arbeitszeitverkürzungen: Man könne heute mit nur 80 Prozent des Arbeitsvolumens von 1960 einen Produktionswert schaffen, der gemessen in gleichen Preisen das dreifache des Wertes von 1960 betrage. Um diese bisher unaufhaltsame Verminderung des Arbeitsvolumens nicht über steigende Arbeitslosigkeit laufen zu lassen, bleibe als Alternative nur eine kürzere Arbeitszeit der Erwerbstätigen.
Mit dem Prinzip eines Ausbaus und der Verstetigung der Arbeitsmarktpolitik als weiterem Ansatzpunkt sei es nicht vereinbar, daß diese Mittel von 1994 bis 1997 fast halbiert worden seien. Jetzt im Wahljahr würden sie aus kosmetischen Gründen wieder aufgestockt. Darüber hinaus müsse der Aufbau Ost systematisch fortgeführt werden.
Putzhammer verwies auf Modellrechnungen, mit denen erhebliche Beschäftigungswirkungen des von ihm skizzierten Politikbündels plausibel nachvollzogen werden könnten. Gelänge es in einem überschaubaren Zeitraum, die Arbeitslosigkeit zu halbieren, so würde dies auch eine Halbierung der Kosten der Arbeitslosigkeit und damit eine Verbesserung der gesamten Staatsfinanzen um über 80 Milliarden DM bedeuten.
Hier finden Sie die aktuellen Pressefotos des Geschäftsführenden DGB-Bundesvorstandes zum Download. Abdruck in Printmedien und Veröffentlichung im Internet sind im Rahmen der redaktionellen Berichterstattung mit Quellennachweis frei.