Urlaubsgeld macht für viele Beschäftigte eine Reise erst möglich. Angesichts der hohen Inflationsraten gibt es den Beschäftigten in diesem Jahr Sicherheit und ermöglicht ihnen, die gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise besser zu tragen. Doch nicht alle Beschäftigten kriegen Urlaubsgeld. Eine Analyse des WSI-Lohnspiegel zeigt, wer es bekommt und wer nicht. Ein Ergebnis: die Wahrscheinlichkeit auf Urlaubsgeld verdoppelt sich mit einem Tarifvertrag.
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Ob man Urlaubsgeld bekommt, steht entweder im Arbeitsvertrag oder im Tarifvertrag, wenn es eine tarifliche Regelung gibt. Ein Anspruch auf Urlaubsgeld kann sich auch aus einer betrieblichen Übung ergeben, weil Urlaubsgeld üblicherweise im Betrieb gezahlt wird. Fest steht: Tarifverträge lohnen sich! Auch in diesem Jahr erhalten 74 Prozent der Beschäftigten in der Privatwirtschaft mit Tarifvertrag Urlaubsgeld. Wohingegen nur 36 Prozent der Beschäftigten ohne Tarifvertrag welches bekommen.
Neben den Unterschieden zwischen Beschäftigten mit und solchen ohne Tarifvertrag, zeigen sich die altbekannten Muster der Ungleichheit. Frauen bekommen seltener Urlaubsgeld als Männer. Und auch Beschäftigte im Osten haben gegenüber den Kolleg*innen in Westdeutschland das Nachsehen. Neben dem Hauptfaktor Tarifbindung, spielen also leider immer noch Geschlecht und Wohnort eine wichtige Rolle und entscheiden möglicherweise darüber, wer verreisen kann und wer nicht.
Eine Stärkung und Ausweitung der Tarifbindung kann hier entgegenwirken. Denn: Wer in Ostdeutschland nach Tariflohn bezahlt wird, verdient kaum weniger als in Westdeutschland. Frauen, die in tarifgebundenen Unternehmen arbeiten, verdienen fast ein Viertel mehr als Frauen ohne Tarifvertrag.
DGB; Quelle: Online-Befragung: www.lohnspiegel.de
DGB; Quelle: Online-Befragung: www.lohnspiegel.de
Gesetzlich gibt es keinen Anspruch auf Urlaubsgeld. Zahlt der Arbeitgeber trotzdem welches, ist das eine freiwillige Leistung, die im Zweifel auch wieder gestrichen werden kann. Der wirkliche Anspruch kann sich häufig nur aus Tarifverträgen ergeben. Da es keinen gesetzlichen Anspruch gibt, ist Höhe und Auszahlungstermin nicht übergeordnet geregelt. Wie unterschiedlich die Höhe des Urlaubsgeldes dabei ausfällt, zeigt die Auswertung des WSI. Häufig erreichen die DGB-Mitgliedsgewerkschaften in den Tarifverhandlungen Urlaubsgelder in Höhe von 70 Prozent des Monatslohns oder mehr. Es zeigt sich aber auch, dass gerade in Branchen mit schwacher Tarifbindung die Höhe des Urlaubsgeldes niedriger ausfällt.
Nicht nur beim Urlaubsgeld bringt ein Tarifvertrag Beschäftigten Vorteile: In der Regel haben Beschäftigte mit Tarifvertrag auch deutlich mehr Urlaubstage als gesetzlich vorgeschrieben. Laut Gesetz haben Arbeitnehmer*innen in Deutschland bei einer Sechs-Tage-Woche Anspruch auf 24 Urlaubstage im Jahr. Bei einer Fünf-Tage-Woche macht das jährlich 20 Tage. Beschäftigte mit Tarifvertrag haben hingegen durchschnittlich 30 Tage Urlaub im Jahr.
Allerdings beanspruchen die Beschäftigten nicht immer ihre vertraglich vereinbarten Urlaubstage. Einfluss darauf hat auch, ob es einen Betriebsrat gibt, wie eine Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung zeigt. Ein Betriebsrat ist also auch in Sachen Urlaub von Vorteil. So schöpfen in mitbestimmten Unternehmen rund drei Viertel der Beschäftigten ihren Urlaub voll aus. In Unternehmen ohne Betriebsrat sind es dagegen über zehn Prozentpunkte weniger. Ein Grund dafür ist wohl, dass Betriebsvereinbarungen regeln, wie Urlaub zu beantragen ist, welche Kriterien für die Zustimmung oder Ablehnung von Anträgen gelten und ob Resturlaub auf das Folgejahr übertragen werden kann. Noch entscheidender ist aus Sicht des Forscherteams, dass Beschäftigte mit Betriebsrat besser über ihre Rechte informiert sind – und dass Arbeitgeber Anträge wohl eher bewilligen, wenn sie im Konfliktfall damit rechnen müssen, dass sich ein Betriebsrat einschaltet. Die Untersuchung zeigt einen weiteren positiven Effekt betrieblicher Mitbestimmung: In Betrieben mit Betriebsrat stehen Beschäftigten durchschnittlich 1,3 Urlaubstage mehr zur Verfügung als in Betrieben ohne Betriebsrat.
Auch beim Thema Urlaub wird deutlich, dass alle Hebel in Gang gesetzt werden müssen, um die Tarifbindung in Deutschland zu stärken. Die Vorteile für die Beschäftigten liegen auf der Hand – Tarifverträge verbessern merklich die Arbeits-, Einkommens- und Lebensbedingungen.
So sollten Tarifverträge durch Steuervorteile attraktiver gemacht und sogenannte "Ohne-Tarif"-Mitgliedschaften (OT) abgeschafft werden. Tariftreue muss als verbindliches Kriterium in der öffentlichen Vergabe aufgenommen und durch die Anerkennung von Innungen als öffentlich-rechtliche Institution die Förderung der Tarifbindung im Handwerk vorangetrieben werden. Tarifverträge sollten auch in ausgegliederten Unternehmensteilen fortgelten und das Verfahren zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung geltender Tarifverträge erleichtert werden.
Auch sogenannte Entsendefirmen sollten regional allgemeinverbindliche Tarife anbieten müssen, um auch Beschäftigten aus dem Ausland gute Arbeits- und Lebensbedingungen zu garantieren.
Die Tarifbindung zu stärken darf nicht nur Aufgabe der Gewerkschaften sein. Eine starke Tarifbindung geht jede und jeden etwas an, denn mehr Tarifverträge sind im gesamtgesellschaftlichen Interesse.
Warum? Ein Beispiel: Durch Tarifflucht gehen jährlich fast 25 Milliarden Euro Sozialversicherungseinnahmen, fast 15 Milliarden Euro Einkommenssteuer und über 35 Milliarden Euro Kaufkraftgewinn verloren, die die deutsche Wirtschaft gerade während Krisen stabilisieren könnten. Deshalb: jetzt aktiv werden und für bessere Arbeits- Einkommens- und Lebensbedingungen kämpfen! Jetzt Mitglied werden!
WSI-Tarifarchiv: 46 Prozent aller Beschäftigten bekommen Urlaubsgeld – mit Tarifvertrag 74 Prozent