Was ist Union Busting?
News22. August 2022
Artikel lesenMitbestimmung ist wichtig. Denn sie gibt den Beschäftigten eine Stimme im Betrieb.
Du findest, Beschäftigte sollten sich im Betrieb einmischen können? Sie sollten mitreden und darüber mitentscheiden, wie die Arbeitsbedingungen gestaltet sind und das nicht allein den Arbeitgeber*innen überlassen? Genau dafür sorgt die betriebliche Mitbestimmung: Gewählte Betriebsräte nehmen im Sinne der Beschäftigten Einfluss auf die Arbeitsbedingungen und Unternehmensentscheidungen. Das ist gelebte Gewerkschaft und Solidarität! Denn betriebliche Mitbestimmung heißt: Die Schwächeren – also die Arbeitnehmer*innen wählen einen Betriebsrat, der sie vertritt, um mit der Macht der Gemeinschaft mehr zu erreichen als eine einzelne Person.
Ein Betriebsrat hat zahlreiche Mitbestimmungsrechte, die im Betriebsverfassungsgesetz geregelt sind. Mit diesen Rechten im Rücken setzt er sich für die Belange der Beschäftigten ein. Das reicht von besseren Arbeitsbedingungen über mehr Gehalt bis hin zum Gesundheitsschutz. Betriebsräte haben dabei das Ohr an der Belegschaft und schützen die einzelnen Beschäftigten.
Hinzu kommt eine weitere wichtige Form der Mitbestimmung: die Unternehmensmitbestimmung, auch paritätische Mitbestimmung genannt. Gemeint ist die Entsendung von Arbeitnehmervertreter*innen in den Aufsichtsrat großer Unternehmen. Die unternehmerische Mitbestimmung sorgt dafür, dass die Arbeitnehmer*inneninteressen bei Entscheidungen im Aufsichtsrat mit einfließen.
Wir allen spüren es: Die Arbeitswelt verändert sich rasant, z. B. durch Digitalisierung oder den Umbau zum klimaneutralen Wirtschaften. Deshalb ist gerade jetzt Mitbestimmung wichtig. Denn nur über Mitbestimmung am Arbeitsplatz und auf Unternehmensebene können die Beschäftigten die digitale und ökologische Wende mitgestalten. Das gilt z. B. für die strategische Ausrichtung des Transformationskurses des Betriebs. Entscheidend dabei ist, dass Arbeitnehmer*innen die Möglichkeit haben, wirklich Einfluss zu nehmen. Hierfür müssen die bestehenden Mitbestimmungsrechte jedoch weiterentwickelt werden. Dafür setzen wir uns als DGB ein.
Kleinere Verbesserungen bei der Mitbestimmung haben wir in den letzten Jahren bereits erreicht, etwa mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz 2021. So wurde u. a. der Kündigungsschutz für die Initiator*innen von Betriebsratswahlen eingeführt – auch wenn dieser Schutz noch nicht effektiv genug ist. Außerdem darf der Betriebsrat seither über die Ausgestaltung von Homeoffice und mobiler Arbeit mitbestimmen. Leider darf er noch immer nicht selbst die Initiative ergreifen und zum Beispiel die Einführung von mobiler Arbeit anregen. Ein weiteres wichtiges Thema ist auf dem Weg: die stärkere Ahndung von “Union Busting”: Wenn Arbeitgeber*innen die Wahl von Betriebsräten oder allgemein die Mitbestimmung im Unternehmen erschweren, muss dies rechtliche Konsequenzen haben. Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, das Thema anzugehen.
Fakt ist: Sowohl die betriebliche als auch die Unternehmensmitbestimmung gehen zurück. Die Zahl der Beschäftigten, die in mitbestimmten Betrieben arbeiten, nimmt immer weiter ab. Hinzu kommt, dass auch die Tarifbindung sinkt. Das heißt, in immer weniger Betrieben gilt ein Tarifvertrag. Als DGB kämpfen wir dafür, dass es wieder deutlich mehr werden, u. a. mit unserer Kampagne #Tarifwende. Denn wo es Tarifverträge gibt, können Betriebsräte gut arbeiten und sich für die Beschäftigten einsetzen. Und wo es Betriebsräte gibt, werden mehr Tarifverträge erkämpft. Es ist die Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrats, die am Ende Gute Arbeit garantiert.
Seit über 70 Jahren gibt es sie in Deutschland: die betriebliche Mitbestimmung. Geregelt ist sie im Betriebsverfassungsgesetz von 1952. Das Gesetz ist ein wichtiger Pfeiler für Arbeitnehmer*innen. Denn es gibt dem Betriebsrat Rechte, die Arbeitgeber*innen nicht ignorieren dürfen. So sind die folgenden Themen mitbestimmungspflichtig, d. h. der Betriebsrat entscheidet mit:
Welche Beschäftigten in den Betriebsrat kommen, entscheiden die Beschäftigten selbst – mit der Betriebsratswahl. Diese findet alle 4 Jahre statt. Ab 5 Beschäftigten kann ein Betriebsrat gewählt werden. Wie viele Mitglieder ein Betriebsrat hat, hängt von der Größe des Betriebs bzw. der Anzahl der Beschäftigten ab.
Gemeinsam mit den Gewerkschaften und den Arbeitnehmervertreter*innen in Aufsichtsräten sind es die Betriebsräte und die in der Betriebsverfassung verankerten Mitbestimmungsrechte, die maßgeblich zur Demokratisierung der Arbeitswelt beitragen.
Mehr Informationen findest du in unserem Ratgeber Betriebsräte und in den FAQ Betriebsratswahl.
Gleich am Anfang des Betriebsverfassungsgesetzes, in Paragraf 1, heißt es: In Betrieben werden Betriebsräte gewählt. Es heißt nicht: können gewählt werden. Das zeigt, wie sich der Staat den Normalzustand vorstellt. Leider sieht die Realität anders aus. Denn nur noch weniger als die Hälfte der Beschäftigten arbeitet in einem Betrieb mit Betriebsrat. Die demokratische Teilhabe am Arbeitsplatz ist so nicht flächendeckend gegeben. Die Lösung: Betriebsratsbehinderungen stärker ahnden, Betriebsratswahlen erleichtern.
Klima- und Umweltschutz zählen zu den Top-Themen unserer Zeit. Betriebe spüren die Herkulesaufgabe, die Klimaziele schnell zu erreichen und dafür die Wirtschaft umzubauen. Das kann sich auch auf Standorte und Arbeitsplätze auswirken. Deshalb ist es wichtig, dass die Beschäftigten bei der Entwicklung nachhaltiger Unternehmensstrategien und zukunftsfähiger Geschäftsmodelle mitreden können. Die Lösung: Einführung eines Initiativ- und Mitbestimmungsrechts bei Maßnahmen für den Umwelt- und Klimaschutz.
Digitale Technologien haben ein Potenzial, unseren Arbeitsalltag enorm zu erleichtern und damit Gute Arbeit zu fördern. Künstliche Intelligenz (KI) etwa kann die Arbeit erheblich optimieren. Die Frage ist nur: Wer oder was wird hier optimiert? Sind es Geschäftsmodelle und Prozesse oder die Beschäftigten selbst? Nur Mitbestimmung sorgt dafür, dass der digitale Wandel im Sinne der Beschäftigten gestaltet wird. Die Lösung: ein digitales Zugangsrecht sowie verbindliche Regelungen zur Folgenabschätzung bei der KI-Nutzung.
Von sexueller Identität bis Weltanschauung: Wer von der Norm abweicht, hat es oft schwerer am Arbeitsplatz. Hier macht Mitbestimmung einen echten Unterschied. Sie kann dafür sorgen, dass benachteiligte Gruppen zu ihren Rechten kommen und ihre vollen Potenziale entfalten können. Die Lösung: mehr Initiativ- und Mitbestimmungsrechte bei Fragen von Gleichstellung und Vielfalt.
In unserer globalisierten Wirtschaft sind Konzernstrukturen zunehmend grenzüberschreitend. Die Mitbestimmung hat hier oft keinen Zugriff auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Hinzu kommen 2 Millionen Beschäftigte in Deutschland ohne Mitbestimmung, weil sie bei Religionsgemeinschaften angestellt sind – und für diese das Betriebsverfassungsgesetz nicht gilt. Die Lösung: Beschäftigtenvertretungen auch in internationalen Konzernstrukturen, Neudefinition des Arbeitnehmer- und Betriebsbegriffs, Abschaffung der Sonderregelungen für Religionsgemeinschaften.
Mitbestimmung ist nicht nur das Aushandeln von Arbeitsbedingungen. Sie leistet auch einen wichtigen Beitrag für die Fähigkeit, sich am demokratischen Willensbildungsprozess zu beteiligen. Damit stabilisiert und stärkt sie unsere Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. In Zeiten von Krise und Umbruch ist das ein unersetzlicher Beitrag. Die Beschäftigten aber benötigen Raum, sich zu beteiligen und mitzudiskutieren. Dafür braucht es vor allem Zeit. Die Lösung: Recht auf eine „Demokratiezeit“.
Mehr Informationen und Forderungen bei unserem Politikfeld Mitbestimmung
So manche Unternehmensführung schreckt nicht davor zurück, Beschäftigte gezielt daran zu hindern, einen Betriebsrat zu gründen – obwohl das Recht auf Mitbestimmung gesetzlich geschützt ist! Oft wird das auch als “Union Busting” bezeichnet. Der Begriff kommt aus den USA, meint aber eigentlich mehr. Wörtlich übersetzt heißt er: Gewerkschaften bekämpfen oder zerschlagen.
Unternehmen gehen bei der Behinderung von Betriebsräten in der Regel sehr professionell vor. Oft holen sie sich Unterstützung spezialisierter Rechtsanwaltskanzleien. Studien des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung zeigen, dass jede 6. Wahl in Betrieben, die das erste Mal einen Betriebsrat wählen, mit illegalen Mitteln behindert wird.
Wir als DGB haben klare Vorschläge, um gegen Union Busting vorzugehen. Zum Beispiel müssen Beschäftigte, die erstmals einen Betriebsrat gründen wollen, besser geschützt werden. Das würde Betriebsratswahlen deutlich sicherer machen. Außerdem muss das Be- oder Verhindern von Betriebsräten stärker bestraft werden, zum Beispiel durch die Einstufung als Offizialdelikt. Damit wäre dies eine Straftat, die von der Staatsanwaltschaft von Amts wegen verfolgt werden muss, auch ohne vorliegende Anzeige. Entsprechende Schwerpunktstaatsanwaltschaften könnten dies übernehmen. Das wirkt zwar erst im Nachhinein, schreckt jedoch potenzielle Nachahmer*innen ab.
Die Mitbestimmung ist das wirksamste Mittel gegen Ungerechtigkeiten in der Arbeitswelt.
22. August 2022
Artikel lesenBei großen Unternehmen greift die sogenannte Unternehmensmitbestimmung. Sie bedeutet, dass die Beschäftigten eigene Vertreter*innen in den Aufsichtsrat wählen können. Dabei gilt:
Unternehmen mit 501 bis 2.000 Beschäftigten: Der Aufsichtsrat muss zu einem Drittel aus Arbeitnehmervertreter*innen bestehen (geregelt im Drittelbeteiligungsgesetz).
Die Aufgabe des Aufsichtsrats besteht u. a. darin, den Vorstand bzw. die Geschäftsführung zu kontrollieren und zu beraten. Durch die Mitbestimmung in den Aufsichtsräten von Aktiengesellschaften, GmbHs und Co. bilden die Arbeitnehmervertreter*innen ein Gegengewicht zu den oft kurzfristigen Interessen von Investor*innen. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag für eine nachhaltigere Unternehmenspolitik. So belegen Studien, dass Unternehmen mit starker Mitbestimmung mehr ausbilden, ein höheres Maß an Arbeitsplatzsicherheit bieten, mehr Frauen in den Aufsichtsrat berufen, krisenfester sind und weniger “aggressive” Steuerpraktiken verfolgen.
Doch ähnlich wie die betriebliche Mitbestimmung ist auch die Unternehmensmitbestimmung unter Druck. Untersuchungen der Hans-Böckler-Stiftung zeigen, dass mindestens 307 Unternehmen mit zusammen mindestens 2,1 Millionen Beschäftigten sich gesetzeswidrig der paritätischen Mitbestimmung entziehen oder diese umgehen, indem sie rechtliche Schlupflöcher ausnutzen.
Ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs verstärkt diesen Trend noch weiter. Es ermöglicht Unternehmen, durch die europäische Rechtsform “SE” unter Umständen die Mitbestimmung zu umgehen. Die Folge: die Mitbestimmung im Aufsichtsrat und des SE-Betriebsrates könnte dauerhaft ausgehöhlt werden. Wir fordern, dass solche Schlupflöcher auf europäischer Ebene gestopft werden.
In Unternehmen ab 2.000 Beschäftigten hat der*die Aufsichtsratsvorsitzende laut Mitbestimmungsgesetz ein Doppelstimmrecht. Das heißt, er*sie hat die entscheidende Stimme bei einem Patt. Klar ist, dass diese Person in einem solchen Fall die Kapitalseite vertritt – und nicht die Interessen der Arbeit-nehmer*innen.
Dabei gibt es ein funktionierendes Gegenbeispiel: die sogenannte Montanmitbestimmung. Seit über 70 Jahren gilt diese in Unternehmen der Kohle- und Stahlindustrie (Montanindustrie). Bei einem Stimmenpatt im Aufsichtsrat entscheidet hier eine neutrale Person, auf die sich die Kapital- und die Arbeitnehmerseite geeinigt haben. Das ist echte Gleichberechtigung. Deshalb sollte dieses Modell auf alle paritätisch mitbestimmten Aufsichtsräte übertragen werden. Das gilt insbesondere bei strategischen Unternehmensentscheidungen, die Auswirkungen auf die Beschäftigten haben.
Dazu gehören:
01. Dezember 2022
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