Respekt, Teilhabe, Gerechtigkeit
Forderungen der DGB-Senior*innen zur Bundestagswahl 2025
Positionspapier20. Januar 2025
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Viele Kolleg*innen finden keine bezahlbare Wohnung in der Nähe ihres Arbeitsplatzes. Die Folge sind längere Wege zur Arbeit und Pendeln.
Wohnen ist ein Grundbedürfnis von Menschen. Seit Jahren spitzt sich die Krise auf dem Wohnungsmarkt weiter zu. 2024 waren über 530.000 Menschen wohnungslos. Über 7 Millionen Haushalte zahlten mehr als 30 Prozent ihres Einkommens für die Miete. Geld, das an anderer Stelle fehlt. Immer mehr Arbeitnehmer*innen können sich das Wohnen in den Städten nicht leisten und müssen lange Pendelwege zur Arbeit auf sich nehmen. Firmen klagen über Fachkräftemangel. Ein zunehmender Grund für unbesetzt Stellen sind die hohen Wohnkosten vor Ort. Die Mobilität von Arbeitskräften nimmt ab, da selbst Normalverdiener*innen die Angebotsmieten in den Großstädten nicht bezahlen können. Der Gebäudebereich verursacht fast ein Drittel des jährlichen CO2-Ausstoßes. Klimaschutz, Flächenverbrauch, Verkehr, ein gesundes Wohnumfeld: Viele Zukunftsfragen müssen auch durch eine nachhaltige Wohnungspolitik gelöst werden.
Die genannten Zukunftsfragen sind auch Fragen der Arbeitnehmer*innen. Konkret bedeutet die Wohnungskrise für uns Gewerkschaften: Erkämpfte Lohnsteigerungen gehen nicht selten für die Miete drauf; erkämpfte Arbeitszeitverkürzung müssen die Menschen im Stau oder überfüllten Zügen verbringen. Die erfolgreichen Tarifabschlüsse kommen bei den Menschen nur teilweise an. Deswegen fordern wir eine vorausschauende Boden- und Wohnungsbaupolitik sowie eine soziale Mietenpolitik: im Bund, in den Ländern und in den Kommunen.
In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Baufertigstellungen kontinuierlich rückläufig. 2023 wurden insgesamt 294.400 Wohnungen fertiggestellt und die Schaffung von 23.115 Sozialmietwohnungen gefördert. Damit ist die Anzahl der Sozialwohnungen weiter rückläufig, da ein Vielfaches davon jährlich aus der Bindung fällt. Von ehemals 3 Millionen Sozialwohnungen waren 2024 erstmals weniger als eine Million übrig. Seit Jahren wird am Bedarf vorbei gebaut. Es entstehen große Luxuswohnungen in guten Lagen und Einfamilienhäuser in strukturschwachen Gebieten mit niedrigen Bodenpreisen. Bedarfsorientiert bauen vor allem öffentliche Wohnungsunternehmen und Genossenschaften, deren Einfluss jedoch seit Jahrzehnten rückläufig ist.
Das Mantra “privat vor Staat” hat im Wohnungsbereich desaströse Konsequenzen. 1990 wurde die Wohnungsgemeinnützigkeit abgeschafft. Die bis dato etwa 3,4 Millionen Wohnungen in den Beständen der gemeinnützig agierenden Unternehmen mussten in der Folge nicht mehr preisreduziert angeboten werden und werden heute teilweise an der Börse gehandelt. In den 1990er und 2000er Jahren wurden etwa eine Million Wohnungen privatisiert und viele Unternehmen haben ihre Werkswohnungen verkauft. Dadurch konnten Immobilienkonzerne wie Vonovia entstehen und groß werden. Diese Fehler sind nicht von heute auf morgen zu beheben.
Große private Wohnungsunternehmen wie Vonovia erhöhen weiterhin kräftig die Mieten, um die Renditeerwartungen der Anleger*innen zu erfüllen. Im vergangenen Jahr erhöhte Vonovia die Mieten über den Gesamtbestand hinweg um 4,1 Prozent und schüttete 1,22 Euro pro Aktie an Dividende aus – Geld, das etwa bei der Bestandssanierung fehlt. Gemeinwohlorientierte Unternehmen wie kommunale Wohnungsgesellschaften oder einige Genossenschaften finanzieren mit den Gewinnen aus Altbeständen Neubauprojekte und bauen auch in dem aktuell schwierigen Umfeld. Renditeorientierte Wohnungswirtschaft heißt: maximal hohe Mieten und Einsparungen bei Instandhaltung und Neubau.
Die Fehler der Vergangenheit dürfen nicht wiederholt werden. Akteure, die ihre Wohnungsbestände nicht nach Renditeinteresse, sondern am Gemeinwohl ausrichten, müssen gestärkt werden. Deswegen fordern wir, die Wohngemeinnützigkeit auszuweiten, gemeinnützige Akteure mit Investitionszulagen zu stärken und auf Kriterien wie eine begrenzte Gewinnausschüttung sowie Tarifbindung zu verpflichten. Darüber hinaus setzen wir uns für eine Stärkung bzw. Neugründung öffentlicher Wohnungsunternehmen und Genossenschaften ein.
Der stagnierende Wohnungsbau wird in der aktuellen Debatte in erster Linie mit den schnell angestiegenen Zinsen und den hohen Baukosten erklärt. Doch in den Metropolen führen vor allem die hohen Bodenpreise dazu, dass die Bereitstellung preisgünstigen Wohnraums nur mit erheblicher Förderung möglich ist. Bundesweit sind die Baulandpreise von 2012 bis 2022 um 83 Prozent gestiegen. In den Metropolen Berlin sind die Preise um 270 Prozent, in Hamburg um 189 Prozent, in Köln um 165 Prozent, in Frankfurt um 178 Prozent, in Stuttgart um 136 Prozent und in München um 276 Prozent gestiegen - hier ist der Anstieg noch sehr viel drastischer. Zum Vergleich: Die Baupreise stiegen im gleichen Zeitraum um 60 Prozent. Gerade dort, wo neue Wohnungen gebraucht werden, ist das Bauland sehr teuer. Doch auf teurem Boden können keine bezahlbaren Wohnungen entstehen.
Durch die Privatisierung von Grund und Boden fehlen den Kommunen die Flächen, um bezahlbare Wohnungen und Einrichtungen der sozialen Infrastruktur wie Schulen, Krankenhäuser oder Freizeiteinrichtungen bereitzustellen. Zudem nimmt die Spekulation mit Boden zu und die Preise steigen weiter.
Bereits im 19. Jahrhundert begann die Stadt Ulm systematische Boden- und Baulandpolitik zu betreiben. Sie kauft landwirtschaftliche Flächen auf und besitzt heute etwa ein Drittel der Stadtfläche. Für eigene Vorhaben verfügt die Kommune also über ausreichend Ausgleichsflächen. Ein Bebauungsplan wird von der Stadt erst ins Verfahren gegeben, wenn alle neu beplanten Flächen im Besitz der Stadt sind. Dadurch werden Bodenwertsteigerungen durch Planungsverfahren der Stadt nicht privatisiert. Außerdem besteht die Stadt auf eine Rückkaufklausel, wenn sie unbebaute Grundstücke verkauft. So ist eine Spekulation mit Boden unmöglich. Durch die soziale Bodenpolitik der Kommune erfreut sich das Modell einer hohen Akzeptanz in der Region und wird über Parteigrenzen hinweg fortgeführt.
Laut Daten der Empirica Preisdatenbank auf Basis der VALUE Marktdaten haben die Angebotsmieten in Berlin zwischen 2016 und 2025 um 86,5 Produkt angezogen, sodass Wohnungen im Mittel mit 16,65 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete angeboten werden. Dieser Wert wird von München mit 20,86 Euro pro Quadratmeter noch übertroffen. Doch nicht nur in den Metropolen, sondern auch in deren Umland, anderen Großstädten und Universitätsstädten steigen die Mieten weiter an. Vergleichsweise geringe Steigerungen verzeichnen Bestandsmieten, die sich an der ortsüblichen Vergleichsmiete orientieren
Deutlich zugenommen haben Indexmietverträge, die Mieterhöhungen in Höhe der Inflation möglich machen und nicht durch die ortübliche Vergleichsmiete begrenzt sind. Laut Deutschem Mieterbund waren 2023 30 Prozent der neu abgeschlossenen Mietverträge mit einer Indexsteigerung versehen. In Berlin waren laut Deutschem Mieterbund sogar bis zu 70 Prozent der neu abgeschlossenen Mietverträge an die Inflationsrate gekoppelt. Weitere Möglichkeiten, die Grenzen des Mietspiegels auszuhebeln, sind Vermietungen auf Zeit und von möblierten Wohnungen.
Immer mehr Haushalte sind durch ihre Wohnkosten finanziell überlastet. Ein Drittel aller Mieter*innen zahlt mehr als 30 Prozent des Einkommens für die Miete und gilt damit als finanziell überbelastet durch die Wohnkosten. 12 Prozent der Bevölkerung leben in Haushalten, die sogar über 40 Prozent des Haushaltseinkommens für die Miete aufwenden müssen. Geld, das an anderer Stelle gespart wird. So fehlten 2023 mehr als 6 Millionen Menschen in Deutschland die finanziellen Mittel, um ihre Wohnung angemessen zu beheizen.
In vielen Berufszweigen kann man es sich kaum noch leisten einen Job in einer Großstadt anzunehmen, wenn nicht auch eine Wohnung gestellt wird. Die Mobilität der Beschäftigten nimmt ab. Inzwischen klagen auch immer mehr Unternehmen, sie fänden keine Fachkräfte oder Auszubildenden mehr, weil es keine bezahlbaren Mietwohnungen gibt. Problematisch sind die hohen Wohnkosten auch für die Binnennachfrage. Wenn ein Großteil des Einkommens für die Miete drauf geht, sparen die Menschen an Dienstleistungen und Konsumgütern.
Durch die starke Diskrepanz von Bestands- und Angebotsmieten bedeutet der Auszug von Mieter*innen für die Vermieter*innen in der Regel erhebliche Mehreinnahmen. Durch Modernisierungen, unzumutbare Baumaßnahmen, Eigenbedarfskündigungen oder die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen werden Verdrängungsprozesse beschleunigt und ganze Stadtviertel verändern ihr Gesicht. Menschen mit geringen finanziellen Mitteln finden nur noch am Stadtrand oder in benachteiligten Wohnlagen, bspw. an Hauptverkehrsstraßen, eine Bleibe. Die meisten Städte haben keinen signifikanten eigenen über die Stadt verteilten Wohnungsbestand, um den Segregationsprozessen entgegenwirken zu können.
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