Viele Arbeitnehmer*innen wurden von der Hochwasserkatastrophe schwer getroffen. Ihre Wohnungen und Häuser sind stark beschädigt oder vernichtet, der Weg zur Arbeit oder sogar die Arbeitsbetriebe selbst zerstört. Welche Rechte haben Arbeitnehmer*innen im Fall einer solchen Katastrophe, wenn sie ihre Arbeitsleistung nicht erbringen können?
Hawedi/Archiv Harald Weber/(CC BY-SA 3.0)
Arbeitnehmer*innen können sich in einem solchen Fall grundsätzlich auf § 616 BGB berufen und bezahlte Freistellung verlangen, wenn sie durch einen „in der Person liegenden Grund“ an der Ausübung der Arbeit gehindert sind. Zum persönlichen Bereich gehört auch die eigene Wohnung bzw. das Haus, wo in Fällen einer Hochwasserkatastrophe aufgeräumt, gerettet und sich notdürftig neu eingerichtet muss. § 616 BGB ist nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts „bei einem objektiven Leistungshindernis anzuwenden ..., wenn das Hindernis den betroffenen Arbeitnehmer wegen seiner besonderen persönlichen Verhältnisse in der Weise betrifft, dass es gerade auf seinen körperlichen oder seelischen Zustand zurückwirkt oder er von einer Naturkatastrophe betroffen wird und ihm die Arbeitsleistung deshalb vorübergehend nicht zuzumuten ist, weil er erst seine eigenen Angelegenheiten ordnen muss (BAG, Urteil vom 8. September 1982 – 5 AZR 283/80)“. Die Arbeitsbefreiung gilt für eine »verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit«, was rund fünf bis zehn Tage umfassen dürfte (Die Rechtsprechung ist unterschiedlich). § 616 BGB ist allerdings kein zwingendes Recht und kann arbeits- und tarifvertraglich abgeändert oder ausgeschlossen sein.
Arbeitnehmer*innen können darüber hinaus ein unbezahltes Leistungsverweigerungsrecht gem. § 275 Abs. 3 BGB in Anspruch nehmen, wenn die Erbringung der Leistung in sonstiger Weise unzumutbar ist. Berufen sich Arbeitnehmer*innen auf ihr Leistungsverweigerungsecht nach § 275 Abs. 3 BGB hat dies zur Folge, dass sie von der Arbeitspflicht freigestellt sind. Aber vor Inanspruchnahme gilt, jeder Einzelfall sollte geprüft und der Rechtsschutz der Gewerkschaften in Anspruch genommen werden.
Ist die Erfüllung der Arbeitspflicht aufgrund der Flutkatastrophe unzumutbar und nehmen Arbeitnehmer*innen das Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 3 in Anspruch, hat das allerdings zur Folge, das im Regelfall auch die Gegenleistungspflicht des Arbeitgebers, d.h. die Pflicht zur Entgeltzahlung, nach § 326 BGB entfällt.
Wenn der Arbeitgeber hochwasserbedingt nicht in der Lage ist, seine Belegschaft oder Teile seiner Belegschaft tatsächlich gemäß des Arbeitsvertrages zu beschäftigen, so ist er im Annahmeverzug und muss trotzdem das Entgelt zahlen. Der Arbeitgeber trägt das Risiko des Arbeitsausfalls (sog. Betriebsrisiko) und ist zur Fortzahlung der Vergütung nach § 615 Satz 3 BGB verpflichtet. Zum Betriebsrisiko zählen laut Auffassung des Bundesarbeitsgerichts Ursachen, die von außen auf die Betriebsmittel einwirken und sich für den Arbeitgeber als ein Fall höherer Gewalt darstellen, z. B. Naturkatastrophen oder extreme Witterungsverhältnisse (vgl. BAG vom 13. Juni 1990 – 2 AZR 635/89 –, juris). § 615 Abs. 3 BGB kann allerdings tarifvertraglich abgeändert sein.
In Betracht kommt auch »Kurzarbeit null«, wenn die Arbeitsunterbrechung einige Zeit dauert.
Arbeitnehmer*innen haben zudem ein Leistungsverweigerungsrecht gem. § 275 Abs. 3 BGB, wenn die Erbringung der Leistung unzumutbar ist, das heißt z. B. mit erheblichen Gefahren für Leben oder Gesundheit verbunden ist. Berufen sich Arbeitnehmer*innen auf ihr Leistungsverweigerungsecht nach § 275 BGB hat dies in diesen Fällen zur Folge, dass sie von der Arbeitspflicht freigestellt sind, allerdings haben sie für diese Zeit dann auch keinen Anspruch auf Entgelt, es sei denn Arbeitsvertrag, Betriebs- oder Dienstvereinbarung bzw. Tarifvertrag sehen etwas Anderes vor.
Wenn im Betrieb hochwasserbedingt die Arbeit nicht ausgeübt werden kann, so besteht bei entsprechender Beantragung nach §§ 95 ff. SGB III grundsätzlich ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Dazu muss Kurzarbeit durch den Arbeitgeber oder – soweit vorhanden - der Betriebsrat den Arbeitsausfall bei der zuständigen so früh wie möglich Agentur für Arbeit anzeigt werden. Gegenüber den Beschäftigten kann der Arbeitgeber unabhängig von der Anzeige bei der Agentur für Arbeit das allerdings nicht einseitig, vielmehr bedarf es einer entsprechenden Betriebsvereinbarung. Auf tarif- oder arbeitsvertraglicher Grundlage ist zusätzlich noch die Zustimmung des Betriebsrats erforderlich.
Grundsätzlich gilt im Arbeitsrecht, dass der Weg zur Arbeit und zurück der Sphäre der Arbeitnehmer*innen zugeordnet wird. Sie tragen das Wegerisiko und müssen sich beispielsweise vorab informieren, welche Zufahrtswege zur Arbeitsstelle gesperrt sind – und dann ggf. entsprechend umdisponieren. Das gilt auch für den Anspruch auf Arbeitsentgelt, das heißt aufgrund nicht geleisteter Arbeit gibt es für die ausgefallene Arbeitszeit auch keine Vergütung. Allerdings gibt es eine Vielzahl von Tarifverträgen, die solche Situationen anders regeln. Erfolgen aufgrund des Zuspätkommens von Arbeitnehmer*innen arbeitsrechtliche Sanktionen durch den Arbeitgeber (z.B. Abmahnung/Kündigung), sollte die Rechtmäßigkeit überprüft werden.
Einen gesetzlichen Anspruch auf hochwasserbedingte Freistellung im Sinne von Sonderurlaub gibt es nicht. Es kommt aber regulärer Urlaub in Frage. Bei der Erteilung des Urlaubs ist auf die Belange der Arbeitnehmer*innen Rücksicht zu nehmen. Es gelten die Grundsätze nach dem Bundesurlaubsgesetz. Es kann zudem tarifliche Sonderregelungen geben. Arbeitnehmer*innen haben zudem ein Leistungsverweigerungsrecht gem. § 275 Abs. 3 BGB, wenn die Erbringung der Leistung unzumutbar ist. Berufen sich Arbeitnehmer*innen auf ihr Leistungsverweigerungsecht nach § 275 BGB hat dies in diesen Fällen zur Folge, dass sie von der Arbeitspflicht freigestellt sind. Allerdings heißt das noch nicht, dass die Freistellung dann auch vom Arbeitgeber zu bezahlen ist.
Ein gesetzlicher Anspruch, von zu Hause aus zu arbeiten, besteht nicht. Arbeitnehmer können dies jedoch mit ihrem Arbeitgeber einvernehmlich vereinbaren. Die Möglichkeit kann sich zudem aus einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung oder einem Tarifvertrag ergeben. In vielen Betrieben bestehen tatsächlich heute bereits Regelungen zur Arbeit im Home Office (z.B. über Betriebsvereinbarungen); auf diese kann und sollte zurückgegriffen werden. Bitte prüfen Sie als Arbeitnehmerin/Arbeitnehmer jedoch, bevor sie im Home Office arbeiten, welche Absprachen laut der Regelungen in Ihrem Betrieb dazu ggf. erforderlich sind. Im Optimalfall existiert eine Betriebsvereinbarung, die die Verfahren bei Homeoffice genau regelt. Wenn der Arbeitgeber die Beschäftigten ins Homeoffice schicken will, muss er auf jeden Fall die Beteiligungsrechte des Betriebsrats berücksichtigen und die vereinbarten Regelungen aus einer Betriebsvereinbarung einhalten, sofern dazu eine abgeschlossen wurde.
Ob der Arbeitnehmer*innen in Fällen der hochwasserbedingten Zerstörung verpflichtet sind, im Homeoffice tätig zu sein, ist derzeit noch nicht entschieden. In einer Notsituation wie bei einer Überschwemmung ist jeder Einzelfall zu prüfen. Es kann zudem Fälle geben, wo ein ungestörtes Arbeiten zu Hause nicht möglich ist, so dass die Frage zu klären ist, ob vom Arbeitgeber ein Ersatzbüro anzumieten ist. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Anordnung von Homeoffice durch den Arbeitgeber einseitig in der Regel nicht möglich ist.
Die Anordnung von Überstunden bedarf einer rechtlichen Grundlage. In Not- und Katastrophensituationen müssen Arbeitnehmer*innen grundsätzlich Überstunden leisten, um schnellstmöglich die Arbeit im Betrieb wieder zu ermöglichen. Zu beachten ist, dass die Überstunden zur Beseitigung der Folgen eines Hochwassers dabei grundsätzlich zu vergüten sind (so das Arbeitsgericht Leipzig (4.2.2003 – 7 Ca 6866/02 zur Beseitigung der Folgen der »Jahrhundertflut« von 2002). Aber auch hier zählt jeder Einzelfall. Insbesondere ist bei der Anordnung von Überstunden auch die Konstitution sowie persönliche Betroffenheit wegen des Hochwassers der einzelnen Arbeitnehmer*innen zu berücksichtigen.