Mobbing und Schikane im Job
Wo Menschen zusammenarbeiten, gibt es Meinungsverschiedenheiten – das ist normal und auch am Arbeitsplatz vor. Doch wo liegt die Grenze zwischen normalen Meinungsverschiedenheiten und Mobbing? Und was ist, wenn der*die Vorgesetzte laut wird? Darf mein*e Chef*in mich anschreien? Muss ich mir das gefallen lassen? Und was kann ich dagegen tun?
Ein gelegentlicher Konflikt ist noch lange kein Mobbing. Anders sieht es aus, wenn jemand über einen längeren Zeitraum systematisch angefeindet und schikaniert wird. Mobbing hat Methode; Ziel ist es, eine Person auszugrenzen und bewusst zu demütigen. Mit einem konstruktiven Umgang mit Konflikten hat das nichts zu tun. Mobber*innen halten zum Beispiel Informationen zurück und manipulieren Arbeitsergebnisse, sie geben sinnlose Anweisungen, setzen Gerüchte in die Welt und schrecken auch vor Gewalt und sexuellen Übergriffen nicht zurück. Eine einheitliche Definition, was Mobbing ist, gibt es nicht; der Begriff taucht in keinem Gesetz auf.
Weil Mobbing viele unterschiedliche Formen annehmen kann, ist es von den Betroffenen nicht immer leicht zu erkennen. Ein Indiz ist die Häufigkeit: Wenn Täter*innen über ein halbes Jahr hinweg mindestens einmal in der Woche zuschlagen, ist die Grenze zwischen Zufall und System erreicht. Je nachdem, von wem die Angriffe ausgehen, unterscheidet man zwischen verschiedenen Formen des Mobbings. Beim klassischen Mobbing finden die Attacken unter hierarchisch Gleichgestellten statt, beim Bossing gehen die Angriffe vom Chef oder der Chefin aus. Wenn sich Untergebene aggressiv gegenüber dem Vorgesetzten verhalten, handelt es sich um Staffing.
Häufig gestellte Fragen
Die 4 Phasen des Mobbings: Nach welchem Muster läuft Mobbing in der Regel ab?
In der Regel durchläuft Mobbing diese 4 Phasen:
Phase 1: Konflikte und einzelne Vorfälle
Am Anfang des Mobbing steht ein ungelöster oder nicht bearbeiteter Konflikt. Daraus ergeben sich zunächst Abneigungen, Schuldzuweisungen und vereinzelte persönliche Angriffe.
Phase 2: Beginn des Psychoterrors
Dann weiten sich die Differenzen aus. Der ungelöste Konflikt gerät in den Hintergrund, die betroffene Person wird immer häufiger zur Zielscheibe von systematischer Schikane. Das Selbstwertgefühl der gemobbten Person nimmt ab, sie wird zunehmend isoliert und ausgegrenzt. Das passiert nach etwa 6 Monaten.
Phase 3: Arbeitsrechtliche Sanktionen
Im nächsten Schritt eskaliert die Entwicklung. Durch die ständigen Demütigungen ist die gemobbte Person so verunsichert, dass die Arbeit darunter leidet. Der oder die Betroffene gilt zunehmend als „problematisch“, es werden arbeitsrechtliche Maßnahmen wie Abmahnung, Versetzung oder Kündigung angedroht. Diese Phase kann bis zu 2 Jahre anhalten. Oft verkennt nicht nur die Unternehmensführung die Situation, sondern auch die behandelnden Ärzt*innen; es kommt zu Fehldiagnosen.
Phase 4: Ausschluss aus dem Unternehmen
Viele Mobbingfälle enden mit dem Verlust des Arbeitsplatzes, manchmal sogar mit dem Ausscheiden aus der Arbeitswelt. Entweder kündigen die Betroffenen selbst oder es wird ihnen gekündigt bzw. sie stimmen einem Auflösungsvertrag zu. Oft sind psychosomatische Krankheiten oder langfristige Krankschreibungen die Folge, manchmal auch eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit. Diese Stufe dauert etwa 2 bis 6 Jahre.
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Was kann ich tun, wenn ich gemobbt werde?
Je mehr sich der Arbeitgeber seiner Verantwortung und rechtlichen Verpflichtung bewusst ist, dass er für ein gutes Arbeitsklima sorgen muss, desto besser und schneller lässt sich Mobbing stoppen. Aber: Er/ Sie kann nur dann Konsequenzen ziehen, wenn er/ sie über die Vorfälle informiert ist. Deshalb solltest du nicht darauf warten, dass sich die Situation von alleine klärt, sondern dir so schnell wie möglich Unterstützung holen, wenn du betroffen bist. Bei Frauenvertretungen, Betriebsräte und Personalräten oder direkt bei deiner zuständigen Gewerkschaft bekommst du Unterstützung. Sie helfen dabei, den Konflikt zu analysieren und das weitere Vorgehen zu planen.
Studien zeigen übrigens, dass die Persönlichkeit beim gemobbt werden keine Rolle spielt. Es kann jede*n treffen.
Wie wirkt sich Mobbing auf Betroffene aus?
Betroffene erleben die Angriffe und Schikanen als tiefgehende, einschneidende Krise; vergleichbar mit einem Trauma, wie es sich nach einem schweren Unfall oder einem Raubüberfall einstellt: Mit jeder Attacke, mit jedem Angriff erleben sie ihre Ohnmacht und Demütigung aufs Neue. Herzrasen, Schlafstörungen, Nervosität, Konzentrationsschwäche sowie Kopf- und Magenschmerzen sind oft die ersten Krankheitssymptome. Langfristig kann es zu Depressionen, anhaltenden Persönlichkeitsveränderungen und funktionellen Störungen sämtlicher Organe kommen. Die Sucht- und Suizidgefährdung steigt.
Was können Vorgesetzte gegen Mobbing tun?
Egal, um welche Form es sich handelt: In fast allen Fällen des Mobbings sind die Vorgesetzten involviert. Entweder, weil sie selbst die Attacken fahren oder Opfer sind – oder weil sie durch ihren Führungsstil eine Unternehmenskultur schaffen, in der Mobbing gedeihen kann. Oft tritt Mobbing gehäuft in bestimmten Abteilungen auf, nicht selten sieht die*der Chef*in weg und entzieht sich seiner Verantwortung. Vorgesetzte, die offen kommunizieren und ihre Mitarbeiter*innen in Entscheidungen einbeziehen, sind dagegen das beste Mittel gegen Mobbing. Oft lassen sich Konflikte schnell klären und sich weitere Eskalationen vermeiden, wenn die*der Chef*in seine Rolle ernst nimmt und sich um seine Abteilung kümmert.
Darf mein*e Chef*in mich anschreien?
Anschreien und Beschimpfungen muss sich niemand gefallen lassen, auch von seinem*seiner Chef*in nicht. Das gilt auch in Branchen, in denen manchmal ein rauer Ton herrscht, denn persönliche Beleidigungen sind ein Straftatbestand (§185 StGB).
Der Arbeitgeber hat gegenüber Arbeitnehmer*innen sogar eine besondere Fürsorgepflicht. Er muss auf die berechtigten Interessen der Beschäftigten Rücksicht nehmen und sie vor Gesundheitsgefahren am Arbeitsplatz schützen. Das gilt auch für psychische Belastungen, die zum Beispiel durch Mobbing und Schikanen entstehen. Wenn Vorgesetzte sich schikanös verhalten, ist der Arbeitgeber dafür grundsätzlich verantwortlich – und sollte dafür sorgen, dass sie sich nicht wiederholt im Ton vergreifen. Denn wiederholtes Anschreien und Schikanieren durch den*die Chef*in, wird rechtlich als Mobbing eingestuft.
Die besondere Fürsorgepflicht schlägt sich auch in den Pflichten des Arbeitgebers nach dem Betriebsverfassungsgesetz nieder. Der Arbeitgeber hat, genauso wie der Betriebsrat, „darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden“ (§75 BetrVG). Tut er das nicht, können sich Betroffene beim Betriebs- oder Personalrat beschweren: „Jede*r Arbeitnehmer*in hat das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs zu beschweren, wenn er*sie sich vom Arbeitgeber oder von Arbeitnehmern des Betriebs benachteiligt oder ungerecht behandelt oder in sonstiger Weise beeinträchtigt fühlt“(§ 84 BetrVG).
Was kann ich tun, wenn ich von meinem*meiner Chef*in schikaniert werde?
Je nach Grad der Anfeindungen oder Beleidigungen und ihrer Auswirkungen, kannst du dich als Betroffene*r an den Betriebsrat oder Personalrat wenden oder Strafanzeige erstatten. Grundsätzlich kannst du auch auf Schadensersatz klagen und/oder Schmerzensgeld geltend machen. Das setzt jedoch voraus, dass der (finanzielle) Schaden oder die Schmerzen bewiesen werden können.
Wer übrigens zurück schreit und den oder die Chef*in beleidigt, riskiert seinen Job. Besser: Sachlich bleiben, die Gesprächssituation protokollieren und Zeug*innen benennen. Und dann mit diesen Informationen zum Betriebsrat oder Personalrat gehen und eine Klärung anstreben.
Wenn du eine Strafanzeige erstatten möchtest, solltest du dich außerdem im Vorfeld beraten lassen – von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin oder – für Gewerkschaftsmitglieder – von einem*einer Rechtssekretär*in deiner zuständigen Gewerkschaft. Denn: Die Behauptung des*der Vorgesetzten, er*sie hätte lediglich – in einem etwas rauen Ton – Arbeitsanweisungen erteilt, muss der oder die Beschäftigte widerlegen.
Kündigung wegen unbegründeter Strafanzeige
Wer seinen Vorgesetzten zu Unrecht einer entsprechenden Schikane beschuldigt, kann fristlos gekündigt werden. Das hat das LAG Rheinland-Pfalz entschieden. Ein Arbeitnehmer hatte nach einem Streit mit seinem Arbeitgeber Strafanzeige wegen Nötigung, Körperverletzung und Beleidigung gestellt, konnte das aber letztlich nicht begründen. Zudem drohen Strafanzeigen, zum Beispiel wegen Verleumdung.