Deutscher Gewerkschaftsbund

PM 134 - 14.06.2000

DGB und italienische Gewerkschaften zu Europa-Perspektiven

Die Generalsekretäre der italienischen Gewerkschaftsdachverbände CGIL, CISL, UIL und der DGB-Vorsitzende Dieter Schulte haben in einer gemeinsamen Erklärung betont, dass innerhalb der Europäische Union unterschiedliche Wirtschaftspolitiken notwendig sind, um Vollbeschäftigung und ein dauerhaftes und nachhaltiges Wachstum in der Europäischen Union zu bewirken.

Die gemeinsame Erklärung Für ein soziales Europa: Stärker zusammen arbeiten dokumentieren wir im Wortlaut:

Für ein soziales Europa: Stärker zusammen arbeiten
DER GLOBALE MARKT Die italienischen und die deutschen Gewerkschaften stimmen darin überein, dass die Globalisierung viele Chancen, aber auch Risiken in sich birgt, wie das z.B. durch das zunehmende wirtschaftliche Missverhältnis zwischen reichen und immer ärmer werdenden Ländern sichtbar wird.

CGIL, CISL, UIL und DGB sind der Ansicht, dass die Globalisierung dazu beitragen kann, eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. Der Ausschluss eines großen Teils der Weltbevölkerung ist nur dann zu verhin-dern, wenn Wirtschaftswachstum und Wettbewerb sowohl zwischen Unternehmen als auch zwischen verschiedenen Ländern sich unter demokratischen Bedingungen und im Rahmen sozialer Rechte vollziehen. Für deren Durchsetzung ist die Initiative und die Beteiligung der Gewerkschaftsorganisationen und anderer sozialer Akteure grundlegend.

In einer globalen Welt, die sich durch die neuen Technologien tiefgreifend gewandelt und in der sich die Arbeitsstruktur und -verteilung fundamental verändert haben, müssen die Gewerkschaften neue Formen der Interessenvertretung und des sozialen Schutzes suchen, die den Beschäftigten verschiedenster Arbeitsformen - stabiler, prekärer oder gelegentlicher Arbeitsverhältnisse Chancengleichheit und Rechte, ein-schließlich des Rechts auf Bildung und Ausbildung bieten. Die Gewerkschaften müssen in der Lage sein, eine gerechtere Verteilung des Reichtums in der Welt auszuhandeln, eine wirksame Form von Wirtschaftsdemokratie zu bewirken und die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch unter den Bedingungen der sogenannten new eco-nomy zu vertreten.

Die Gewerkschaften müssen sich auf den wachsenden Einfluss der Finanzmärkte einstellen, auch indem sie die Förderung der Tobin tax unterstützen. Auch müssen sie zu einer baldigen Lösung des Problems der Auslandsverschuldung der ärmsten Länder beitragen.

CGIL, CISL, UIL und DGB sind der Ansicht, dass der IBFG die neuen Herausforderungen, die sich den Gewerkschaften auf internationaler Ebene stellen, annehmen und bewältigen kann, wobei sie jedoch darüber einig sind, dass sowohl für den IBFG als auch für die gesamte internationale Gewerkschaftsbewegung Reformen unerlässlich sind, um die neuen Aufgaben bewältigen zu können. Es geht um eine Reform, die dem IBFG eine verstärkte Vertretungsfähigkeit verleiht und ihn in die Lage versetzt, die Forderungen sowohl der Arbeitnehmer im Norden wie im Süden der Welt mit Nachdruck vertreten zu können. Auch müssen neue organische Beziehungen zu den Internationalen Berufssekretariaten ausgebildet werden.

Auf dem letzten Kongress in Durban ist die Einrichtung des Millennium Committee beschlossen worden. CGIL, CISL, UIL und DGB verpflichten sich zu einer engeren Kooperation bei den Arbeiten dieses Ausschusses, der insofern repräsentativ sein soll, als er alle Gewerkschaftsverbände in eine übergreifende Debatte einbeziehen soll, beginnend bei der Koordinierung der regionalen Ebenen. Außerdem soll er die Beteiligung der zentralen Gewerkschaftsorgane in der ganzen Welt, der Internationalen Berufssekretariate und aller unabhängigen Gewerkschaftsorganisationen ermöglichen, welche auf der Basis gewerkschaftlicher Autonomie und Interessenvertretung, der Freiheit und der Demokratie arbeiten. Der neue IBFG soll in die Lage versetzt werden zu einem relevanten Verhandlungspartner über weltweite Themen zu werden, die sich auf die Wirtschaft, die Arbeit und Arbeitsrechte, den Frieden und den Umweltschutz beziehen. Auch soll er sich an den Reform- und Demokratisierungsprozessen des Systems der internationalen Institutionen betei-ligen.

CGIL, CISL, UIL und DGB verpflichten sich zu einer Zusammenarbeit, um auch durch die eigenen Institutionen, Programme und Initiativen die Durchsetzung und Verteidigung der Menschenrechte und der Sozialrechte (vor allem des Rechts auf Tarifverhandlungen) in allen Ländern zu sichern.

DIE EUROPÄISCHE INTEGRATION Der europäische Integrationsprozess ist während der letzten zehn Jahre durch die Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes und die Schaffung einer gemeinsamen Währung bemerkenswert beschleunigt worden. Allerdings hat es schwerwiegende Auswirkungen für die demokratische und rechtliche Struktur Europas, daß die politische Einigung sich nicht in gleichem Maße vollzogen hat. Dadurch bleibt es schwierig, die Trennung zwischen makroökonomischen Politiken auf der einen Seite und Sozial-, Steuer-, Entwicklungs- und Beschäftigungspolitk auf der anderen Seite zu überwinden.

In diesem Zusammenhang ergeben sich auch für den Aufbau und die Erweiterung eines sozialen Europas Widersprüche und Schwierigkeiten. Das gilt insbesondere für Beschäftigung und Entwicklung, obwohl jüngst eine Reihe positiver Prozesse durch die Versammlungen des Rates in Luxemburg, Köln und vor allem Lissabon eingeleitet worden sind. Die Ziele der Vollbeschäftigung und der sozialen Kohäsion verlangen es, dass Europa entschlossen eine qualitative Verbesserung der Arbeitsverhältnisse und der Strukturentwicklung anstrebt. Das schließt das Recht für Alle auf eine lebenslange Aus- und Weiterbildung ebenso ein, wie eine erneute Aufwertung der Forschung und der technologischen Infrastrukturvernetzungen.

Auch die Beziehung zwischen Bürgern und europäischen Institutionen ist noch zu schwach, weshalb Forderungen nach einer stärkeren Beteiligung an den Entscheidungsprozessen unterstützt werden müssen. Aus diesen Gründen muss auch der Sozialdialog gestärkt werden, um ein Schlüsselelement beim demokratischen Aufbau Europas werden zu können.

CCIL, CISL , UIL und DGB verpflichten sich zu einer verstärkten bilateralen Zusammenarbeit in Hinblick auf europäische Fragen, wobei sie fol-gende wesentliche Ziele erreichen wollen:
- die grundlegenden Sozial- und Menschenrechte, mit Kontroll- und Sanktionsmechanismen bei Nichteinhaltung, in die Verträge mit aufzunehmen
- eine wirkliche politische Beteiligung zu schaffen, indem das Europäische Parlament zur gesetz- und verfassungsgebenden Gewalt wird
- eine Reform der Institutionen zur Schaffung einer handlungsfähigen europäischen Regierung auf der Basis des Prinzips der Mehrheitsentscheidungen zu fördern.

Ein ähnliches Engagement muss der Stärkung und der Reform des EGB gelten. Die Aufgabe des Ausschusses zur Reform des EGB, der die Debatte des Kongresses von Helsinki aufgreifen und für eventuelle neue Vorschläge offen sein soll, besteht darin, die Arbeitsorgane und strukturen des EGB zu überdenken, diesen zu stärken und den neuen Heraus-forderungen anzupassen, damit er zum Kern einer wahren europäischen Gewerkschaft werden kann. Dazu gehört eine angemessene Verhandlungsfähigkeit in Verbindung mit den sektoralen Vereinigungen und den Mitgliedsverbänden in Europa.

Der Ausschuss für Tarifverhandlungen beim EGB ist der Ort für ein Monitoring der Tarifverhandlungen in den einzelnen Ländern und Bereichen. Zu seinen Aufgaben gehört die Festlegung von Leitkriterien und gemeinsamen Strategien, um die zukünftigen Entwicklungen der Tarifverhandlungen, sowohl auf nationaler wie auf europäischer Ebene, zu koordinieren. So soll für Europa ein einheitlicher Rahmen für Regeln und Rechte geschaffen werden, worin die wirksamste Art einer Bekämpfung des Sozialdumpings zu sehen ist.

CGIL, CISL, UIL und DGB kommen darin überein, sich vor wichtigen Ereignissen miteinander zu beraten sowie regelmäßig Seminare unter Beteiligung ihrer Führungsgremien abzuhalten um festzustellen, wie die Zusammenarbeit verlaufen ist. Dabei sollen auch spezifische Leitlinien für ein zukünftiges gemeinsames Vorgehen erarbeitet werden. Abgesehen von den oben erwähnten Prioritäten, erachten CGIL, CISL, UIL und DGB ein gemein-sames Engagement in Bezug auf folgende Punkte für besonders not-wendig:
- Definition eines europäischen Bündnisses für Beschäftigung und Entwicklung
- Stärkung der Europäischen Betriebsräte, angefangen bei den Unter-nehmen, die in beiden Ländern vertreten sind und die Ausarbeitung eines neuen europäischen Gesellschaftsrechts
- Sozialdialog
- Festlegung beidseitig geteilter Leitlinien und Ziele für Tarifverhandlungen sowohl auf nationaler wie auf europäischer Ebene
- Aktion gegenüber den einzelnen Regierungen für den Aufbau eines politischen Europas mit einer föderativen Perspektive
- Initiativen für die Länder der EU-Erweiterung und des Mittelmeerraums.

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