Deutscher Gewerkschaftsbund

PM 194 - 13.11.2013

Gutachten der Wirtschaftsweisen ist rückwärtsgewandt

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisiert das heute veröffentlichte Jahresgutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung scharf. Claus Matecki, DGB-Bundesvorstandsmitglied, sagte dazu am Mittwoch in Berlin:

„Rückwärtsgewandt ist nicht die notwendige Einführung eines Mindestlohns oder eine gerechtere Steuerpolitik, rückwärtsgewandt ist allenfalls die Meinung der Mehrheit des Sachverständigenrates selbst. Das Jahresgutachten ist insgesamt ein Armutszeugnis für die ökonomische Zunft und gleicht einem politischen Pamphlet aus vergangen geglaubten, neoliberalen Zeiten. Bis auf den Sachverständigen Prof. Peter Bofinger wiederholen die so genannten Wirtschaftsweisen gebetsmühlenartig nur längst widerlegte Behauptungen aus dem Märchenbuch der Ökonomie: Mindestlöhne werden als ‚beschäftigungsfeindlich‘ verunglimpft. Dabei ist lange klar, dass sie keine Arbeitsplätze vernichten, sondern das Einkommensniveau stabilisieren und damit die Binnennachfrage stärken.

Die Ökonomen lehnen eine längst überfällige gerechtere Besteuerung von Reichen und Unternehmen unter dem Vorwand ab, sie würde den ‚Investitionsstandort Deutschland schwächen‘ und loben die Steuersenkungen der Vergangenheit. Dabei liegt die Investitionsquote in Deutschland heute weit niedriger als vor den gelobten Steuersenkungen.  Einerseits wird behauptet, die konjunkturbedingt hohen Staatseinnahmen machten Steuererhöhungen unnötig, obwohl diese Einnahmen lediglich ausreichen, um neue Schulden zu vermeiden. Für dringend notwendige öffentliche Investitionen fehlt dem Staat schlicht und ergreifend das Geld. Andererseits werden Ausgabenkürzungen gefordert – obwohl der Staat jetzt schon derart spart, dass Straßen und Schienenwege nicht ausreichend repariert, Schwimmbäder geschlossen und andere öffentliche Angebote dem Sparkurs geopfert werden. Öffentliche Armut ist in Deutschland allgegenwärtig. Das interessiert die Wirtschaftsweisen nicht.

Wieder wird das Mantra heruntergebetet, der Kündigungsschutz verhindere Flexibilität am Arbeitsmarkt. Dabei wurde die Krise in Deutschland deshalb so gut bewältigt, weil die Sozialpartner und die Bundesregierung durch die Ausweitung der Kurzarbeitsregelungen dafür sorgten, dass kaum Beschäftigte entlassen wurden.

Auch aus der katastrophalen Entwicklung im Euro-Raum hat die Mehrheit des Sachverständigenrats in den letzten Jahren nichts gelernt und setzt wieder auf die ‚disziplinierende Wirkung‘ des Marktes anstatt auf politische Kooperation und eine Investitionsoffensive in Europa.

Den endgültigen Beweis für ihre Realitätsferne liefert die Mehrheit der Sachverständigen mit ihrer Behauptung, die Einkommensungleichheit in Deutschland sei nur ‚moderat‘ und ein Handlungsbedarf deshalb nicht gegeben. Es ist das Verdienst von Prof. Peter Bofinger, in seiner Minderheitenmeinung auf die starke Ungleichheit bei den Markteinkommen und vor allem bei der Verteilung zwischen Arbeitseinkommen einerseits und Gewinneinkommen andererseits hingewiesen zu haben.

Das Jahresgutachten der Wirtschaftsweisen ist durchzogen mit falschen Behauptungen und verkürzten Analysen. Die künftige Regierungskoalition ist im Großen und Ganzen am besten beraten, wenn sie das Gegenteil dessen umsetzt, was der Sachverständigenrat mehrheitlich empfiehlt."


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