Deutscher Gewerkschaftsbund

15.02.2016
EU-Binnenmarkt

Freifahrtschein für Sozialdumping

einblick 03/2016

Ob REFIT-Programm zum Bürokratieabbau oder neues Binnenmarktpaket: Die EU-Kommission setzt konsequent auf eine weitere Marktliberalisierung. In einer gerade verabschiedeten Stellungnahme zum Binnenmarktpaket stellt der DGB klar: Der EU-Binnenmarkt braucht faire Regelungen und mehr Investitionen, aber keinesfalls eine weitere Deregulierung

Eine Skulptur des Euro-Symbols in einer Straße mit Fahnenmasten

European Union

„Etikettenschwindel“ warf die IG BAU der Kommission im letzten Herbst vor, als sie unter dem Titel „Ein vertiefter und fairer Binnenmarkt“ ein neues Binnenmarktpaket vorschlug. Hinter dem wohlfeilen Titel verbirgt sich aus Sicht der Gewerkschaften nichts anderes als eine weitere Attacke auf die soziale Dimension des Binnenmarktes, auf Arbeitnehmer- und Verbraucherrechte. Statt den Binnenmarkt zu deregulieren, erwartet der DGB von der EU, durch soziale, ökologische und verbraucherfreundliche Standards einen fairen rechtlichen Rahmen für den Wettbewerb zu sichern.

Dienstleistungsmärkte im Fokus

Das EU-Paket macht im Kern Vorschläge für eine weitere Öffnung der Dienstleistungsmärkte. Dazu gehören etwa ein neuer „Dienstleistungspass“, der Abbau von nationalen Regulierungen von Berufen wie etwa dem deutschen Meisterbrief sowie die Zulassung von Ein-Personen-Gesellschaften. „Was die Kommission will, geht an den Problemen der Beschäftigten und auch der Wirtschaft komplett vorbei“, stellt DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell fest. Europa leide unter schwachen Investitionen, hoher Arbeitslosigkeit und den Folgen der Austeritätspolitik. „Keines dieser Probleme kann durch eine Deregulierung der Dienstleistungsmärkte abgemildert werden“, so Körzell.

Grafik Europäische Aufgaben

Im Mittelpunkt des Binnenmarktpakets steht eine weitere Liberalisierung im Dienstleistungsbereich. Die Gewerkschaften befürchten, dass sich damit die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in diesen Branchen noch weiter verschlechtern. In Deutschland, aber auch in den anderen europäischen Ländern ist der Anteil der GeringverdienerInnen im Dienstleistungsbereich überdurchschnittlich hoch. DGB einblick 03/2016

Herkunftslandprinzip „durch die Hintertür“

Der DGB befürchtet vor allem, dass mit dem Dienstleistungspass „durch die Hintertür“ das Herkunftslandprinzip für grenzüberschreitende Dienstleistungen eingeführt werden könnte. Noch 2006 war es den Gewerkschaften in den Auseiandersetzungen um die EU-Dienstleistungsrichtlinie gelungen, dies abzuwehren. Das heißt: Es gelten die Gesetze des Landes, in dem eine Dienstleistung erbracht wird. Der neue Pass, ausgestellt von den Behörden des Heimatlands, könnte diese Maßgabe aufweichen. Gegen einen solchen „Freifahrtschein für Sozialdumping“ werden sich die Gewerkschaften wehren, verspricht Körzell. Jedes Land müsse weiterhin überprüfen können, ob auf seinem Gebiet erbrachte Dienstleistungen den Arbeitsschutz- und Sozialstandards entsprechen.

Erschienen in: einblick 3/2016 vom 15. Februar 2016


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