Deutscher Gewerkschaftsbund

05.06.2014
DGB-Positionspapier

Kalte Progression: Mittlere und niedrige Einkommen steuerlich entlasten

Einkünfte aus Dividenden und Kapitalanlagen besteuern wie Einkommen aus eigener Hände Arbeit

Der DGB fordert in einem neuen Positionspapier den Abbau der kalten Progression in der Einkommenssteuer. Hohe Einkünfte vor allem aus Kapital müssten wieder stärker zur Finanzierung des Gemeinwesens herangezogen werden. Nötig sei zudem eine steuerliche Entlastung, „die vor allem niedrigen und mittleren Einkommen zu Gute kommt“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell.

„Die Verteilung der Lasten bei der Finanzierung des Staates verschiebt sich immer mehr zu Ungunsten der Lohnsteuerzahler. Mit Einführung des von den Gewerkschaften erstrittenen gesetzlichen Mindestlohns werden viele Menschen einem unverhältnismäßig starken Anstieg der Steuerbelastung ausgesetzt sein, was diesen Trend noch zu verstärken droht.“, warnt Vorstandsmitglied Körzel. Der DGB fordere „deshalb eine steuerliche Entlastung, die diesen steilen Anstieg dämpft und vor allem niedrigen und mittleren Einkommen zu Gute kommt.“

Der öffentlichen Hand dürften dadurch aber keine Mittel zur Bewältigung dringend erforderlicher Aufgaben entzogen werden. „Deshalb wollen wir die pauschale und von der persönlichen Leistungsfähigkeit unabhängige Besteuerung von Kapitaleinkünften abschaffen – die Abgeltungsteuer“, so Körzell.

Das Signal der Gewerkschaften sei klar: „Einkünfte aus Dividenden und Kapitalanlagen müssen wieder genauso besteuert werden wie Einkommen aus eigener Hände Arbeit. Dies ist auch ein Beitrag zu leistungsgerechter Besteuerung.“


Positionspapier zur kalten Progression und Abgeltungsteuer

Der DGB Bundesvorstand stellt fest:

Die Konjunkturaussichten sind für Deutschland in diesem und dem nächsten Jahr gut. Davon profitieren Unternehmen und Beschäftigte, die öffentliche Hand verzeichnet wachsende Steuereinnahmen. Gleichzeitig zeigt sich immer deutlicher, dass die Hauptsteuerlast seit Jahren einseitig die Beschäftigten tragen. Schon von 2005 bis 2013 stiegen die Lohnsteuereinnahmen um insgesamt 32,7 Prozent. Das durchschnittliche Jahreseinkommen stieg im gleichen Zeitraum von 26.524 Euro auf 31.089 Euro. Das ist eine Steigerung um 17 Prozent. Allerdings wurde der größte Teil davon durch die Preissteigerungsrate von etwa 13,4 Prozent aufgezehrt. Die Steuerbelastung für typische Facharbeiterentgelte ist seit 2005 um bis zu zwei Prozentpunkte gestiegen. Hingegen leisten Vermögende, Spitzenverdiener und Begünstigte großer Erbschaften nicht in angemessenem Umfang Beiträge zur Finanzierung des Gemeinwesens.

Die Ergebnisse der jüngsten Steuerschätzung zeigen dies deutlich: die Lohnsteuer und der darauf entfallende Anteil des Solidaritätszuschlags machen einen immer größeren Teil des gesamten Steueraufkommens aus. Ausgehend vom Jahr 2012 werden diese Einnahmen bis 2018, im Vergleich zum gesamten Steueraufkommen, aller Voraussicht nach beständig und stark überdurchschnittlich steigen. Der Anteil der Lohnsteuer (einschl. Solidaritätszuschlag) an allen Steuereinnahmen wird damit binnen weniger Jahre von etwa 26 auf rund 30 Prozent steigen. Eine Entlastung der Arbeitnehmerhaushalte bei der Umsatzsteuer zeichnet sich nicht ab. Hingegen schwindet der Beitrag der Abgeltungsteuer, mit der die Kapitalerträge (Zinsen, Dividenden etc.) besteuert werden, zur Finanzierung des Gemeinwesens. Für den gleichen Zeitraum ist für diese eine stark unterdurchschnittliche Entwicklung, also eine kontinuierlich zurückgehende Bedeutung, festzustellen. Schon heute beträgt der Anteil der Abgeltungsteuer (einschl. Solidaritätszuschlag) weniger als zwei Prozent des gesamten Steueraufkommens. Dies zeigt, dass es ein krasses Missverhältnis bei der einkommensteuerlichen Behandlung der verschiedenen Einkunftsarten gibt. Während Beschäftigte zunehmend die Finanzierung der öffentlichen Haushalte übernehmen sollen, können sich die Bezieher von hohen Kapitaleinkünften immer mehr ihrer Verantwortung entziehen. Deutschland befindet sich also in einer steuerpolitischen Schieflage zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Aber auch die öffentliche Hand ist chronisch unterfinanziert. Das Ergebnis ist verheerend: Inzwischen bestehen massive Defizite und Nachholbedarfe bei öffentlichen Investitionen, sozialen Dienstleistungen, innerer Sicherheit und im Bildungsbereich. Dies trifft am stärksten die Haushalte mit geringen Einkommen, da diese besonders auf ein funktionierendes, und effizientes Gemeinwesen angewiesen sind. Die öffentlichen Haushalte, insbesondere die Länder und Gemeinden, sind daher dringend auf Mehreinnahmen angewiesen.

Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, dass die Bezieher besonders hoher Einkommen, insbesondere die Bezieher von Kapitaleinkünften, stärker zur Finanzierung des Gemeinwesens aber auch zur Wiederherstellung des Gebots der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit herangezogen werden müssen. Steuerentlastungen sind auf die unteren und mittleren Einkommen zu konzentrieren. Unser Ziel ist es, die Handlungsfähigkeit des Sozialstaats zu erhöhen und gleichzeitig für mehr Steuergerechtigkeit Sorge zu tragen.

Um diesen Zielen gerecht zu werden und Finanzierungslücken zu vermeiden, schlägt der DGB vor:

  • Die aus der unterschiedlichen Behandlung von Kapitaleinkommen einerseits und Arbeitseinkommen andererseits herrührende Gerechtigkeitslücke muss unverzüglich wieder geschlossen werden. Als ersten Schritt zur Schaffung von mehr Steuergerechtigkeit sind Kapitaleinkünfte, die derzeit noch einem pauschalen Steuersatz von 25 Prozent unterliegen, zum 1. Januar 2015 wieder mit dem persönlichen Einkommensteuersatz zu besteuern.
  • Arbeitnehmer und insbesondere die Beschäftigten, die von der Einführung des Mindestlohns profitieren, werden durch den Progressionsverlauf des Einkommenssteuertarifs besonders stark betroffen.  Die von den Gewerkschaften durchgesetzte Einführung des gesetzlichen Mindestlohns wird zwar für viele Beschäftigte deutliche Lohnerhöhungen bringen. Damit verbunden ist aber auch ein vergleichsweise starker Anstieg der Steuerbelastung. Deshalb fordern wir, den steilen Anstieg des Grenzsteuersatzes oberhalb des Grundfreibetrags zum 1. Januar 2015 abzumildern. Der Steuersatz von rund 24 Prozent, der derzeit bei einem zu versteuernden Einkommen von 13.470 Euro die Tarifzone oberhalb des Grundfreibetrags begrenzt, soll künftig erst bei einem zu versteuernden Einkommen von 14.500 Euro greifen.

Darüber hinaus bietet der für den Herbst dieses Jahres zu erwartende Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen der kalten Progression Anlass, weiteren steuerpolitischen Handlungsbedarf zu ermitteln und daraus sinnvolle Korrekturen im Einkommensteuerrecht abzuleiten. Hierbei wird zu berücksichtigen sein, dass durch die Steuerreformen der vergangenen Jahre die Bezieher von Spitzeneinkommen bereits eine überdurchschnittliche Entlastung erfahren haben. Deshalb müssen sich künftige Entlastungen auf jene Einkommensbereiche beschränken, in denen sich üblicherweise Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit tarifvertraglicher Entlohnung wiederfinden. Der DGB wird nach Vorlage des Berichts dazu konkrete Vorschläge erarbeiten.

Der DGB bekräftigt seine Forderungen, den Spitzensteuersatz der Einkommensteuer anzuheben, die Erbschaftsteuer zu novellieren, um große Erbschaften endlich angemessen zu besteuern, die Vermögensteuer wiederzubeleben, Gewerbesteuer zu stärken, den Körperschaftssteuersatz zu erhöhen und gleichzeitig Abschreibung von Investitionen im Betrieb zu verbessern, einen effektiven Steuervollzug zu organisieren und schließlich den Kampf gegen Steuerbetrug und Steueroasen zu intensivieren.


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DGB-Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zum Abbau der kalten Progression

Dokument ist vom Typ application/pdf.

Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung von Union und FDP von 2012 sollte verhindert werden, dass Lohnerhöhungen, die lediglich die Inflation ausgleichen, den Durchschnittssteuersatz erhöhen. Der DGB kritisiert in seiner Stellungnahme, dass der Entwurf an der kalten Progression für niedrige Einkommen im Grundsatz nichts ändere und sehr hohe Einkommen dadurch sogar entlastet würden.

klartext 14/2014
Ein­kom­men­steu­er: Sie muss ge­rech­ter wer­den
500 und 100 Euro-Scheine
N.Schmitz/pixelio.de
Unser Steuersystem ist ungerecht. Seit Jahren tragen die Beschäftigten die Hauptsteuerlast. Vermögende, Spitzenverdiener und Begünstigte großer Erbschaften verabschieden sich mehr und mehr aus der Finanzierung des Gemeinwohls. Das muss sich ändern: Die Einkommensteuer muss gerechter, der "Mittelstandsbauch" flacher und dadurch die kalte Progression abgebaut werden. Der klartext.
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