Viele Menschen leiden in unserer reichen Gesellschaft noch immer unter Armut. Die Regierung ist jetzt gefragt, die Armut stärker zu bekämpfen – im Herbst legt das Arbeitsministerium einen Gesetzentwurf zu Leiharbeit und Werkverträgen vor. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist dabei der entscheidende Faktor, schreibt DGB-Vorstand Annelie Buntenbach in der Frankfurter Rundschau.
DGB/Simone M. Neumann
Annelie Buntenbach ist Mitglied des DGB-Bundesvorstandes. Sie schreibt regelmäßig als Autorin für die Kolumne Gastwirtschaft der Frankfurter Rundschau.
Der Mindestlohn ist erst der Anfang. Wollen wir Armut in unserer reichen Gesellschaft bekämpfen, dürfen wir jetzt nicht stehen bleiben. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist dabei der Leitstern – für Frauen und Männer genauso wie für Festangestellte und Leiharbeiter.
Die Realität sieht anders aus: Leiharbeiter decken längst nicht mehr nur kurzfristige Auftragsspitzen ab, sondern werden dauerhaft als Billiglöhner eingesetzt. Arbeitsplätze werden künstlich in „Gewerke“ zerstückelt und an zahllose Subunternehmer vergeben. Am Ende steht Armut trotz Plackerei – und keiner will es gewesen sein.
Im Herbst wird das Arbeitsministerium einen Gesetzentwurf zu Leiharbeit und Werkverträgen vorlegen. Der Gesetzgeber hat dann die Chance den nächsten Schritt zu gehen – um den Arbeitsmarkt fairer zu gestalten und Armut einzudämmen.
Der „Kampf gegen Armut“ muss aber auch den Niedriglohnbereich insgesamt in den Blick nehmen. Viele Menschen, vor allem Frauen, würden gerne mehr als Teilzeit arbeiten, um etwas besser leben zu können. Viele würden sich gerne weiterbilden. Das muss kein Wunschdenken bleiben: Auch im Niedriglohnbereich können realistische Aufstiegsperspektiven geschaffen werden. Dazu gehören auch soziale Dienstleistungen wie Kinderbetreuung, die auch Schichtdienste abdecken.
Überhaupt muss sich der „Kampf gegen Armut“ stärker auf Kinder konzentrieren, denn sie leben häufiger in Armut als Erwachsene. Das „Familienpaket“ hilft wenig: Über die Steuerfreibeträge gibt die Familienförderung immer noch denen am meisten, die viel haben – anstatt jedes Kind gleich zu behandeln. Zusätzlich wäre ein ergänztes Kindergeld für Einkommensschwächere sinnvoll. Die Erhöhung des Kinderzuschlags um 20 Euro ist kein echter Fortschritt.
Wir müssen auch den Teufelskreis durchbrechen, in dem viele Hartz IV-Familien gefangen sind. Oft sind Mutter und Vater arbeitslos und haben Mühe, die Familie über Wasser zu halten. Schulden oder Sucht kommen vielleicht noch dazu. Kinder, die so aufwachsen, haben schlechtere Chancen auf ein gutes Leben. Wir brauchen ein Aktionsprogramm, das auf die Bedürfnisse dieser Familien eingeht. Wenn Eltern neue Perspektiven bekommen, überträgt sich das mittelfristig auf die Kinder.
Der „Kampf gegen Armut“ muss an vielen Punkten ansetzen. Ohne soziale Innovationen werden wir ihn nicht gewinnen.
Annelie Buntenbach: Kolumnen zu Wirtschaft, Arbeit, Sozialpolitik
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