Deutscher Gewerkschaftsbund

02.05.2016
EEG

Energiewende muss zu Beschäftigungsaufbau-Programm werden

4 Fragen an DGB-Vorstand Stefan Körzell zur EEG-Reform

DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell

DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell DGB/Simone M. Neumann

Frage: Die Bundesregierung möchte bei der Förderung von erneuerbaren Energien auf Ausschreibungen umsteigen, um die erneuerbaren Energien an den Markt heranzuführen. Davon verspricht sich die Politik Kostensenkungen und mehr Planbarkeit beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Wie steht der DGB dazu?

DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell: Grundsätzlich unterstützt der DGB Anstrengungen, um die Energiewende kosteneffizienter zum Erfolg zu führen. Ob Ausschreibungen allerdings zu geringeren Ausbaukosten führen, ist reine Spekulation. Die internationalen Erfahrungen waren bisher nicht allzu vielversprechend. Dass bei den Pilotausschreibungen in Deutschland die spezifischen Förderkosten gesunken sind, ist kein Indikator für eine nachhaltige Kostensenkung. Als DGB kommt es uns darauf an, Planungs- und Investitionssicherheit zu schaffen, damit die erneuerbaren Energien weiter ausgebaut werden. Dabei halten wir es für entscheidend, dass der Ausbau der Erzeugung im Einklang mit Netzen und Speichern steht.

Außerdem müssen wir den Strommarkt als Ganzes anschauen. Wir haben doch die Situation, dass sich konventionelle Kraftwerke am Markt nicht mehr rechnen und der Zubau erneuerbarer Energien teuer erscheint. Konventionelle Kraftwerke brauchen wir noch so lange, bis wir genug erneuerbare Energien, Netze und Speicher installiert haben, um die Versorgungssicherheit zu garantieren. Der Markt muss deshalb so organisiert sein, dass sich Kraftwerke refinanzieren können. Sowohl die Betreiber von Kraftwerken als auch die Investoren in erneuerbare Energien müssen wissen, wie sich der Ausbau erneuerbarer Energien entwickeln wird. Ausschreibungen können tatsächlich hierbei hilfreich sein, da sie jährliche Zubauraten festlegen und dadurch mehr Planungssicherheit schaffen.

Die Verbände der erneuerbaren Energien kritisieren, dass der Ausbau bereits stark zurückgegangen ist und die Ausschreibungen die Energiewende endgültig abwürgen…

So einfach ist das nicht. Aber wir müssen darauf achten, dass der Ausbau weiterhin kontinuierlich vorangeht. Der Ausbau der Photovoltaik ist tatsächlich zurückgegangen. Der Ausbau der Windenergie an Land läuft noch sehr gut – allerdings auch weil einige vermuten, dass die Förderbedingungen schlechter werden. Solche Vorzieheffekte hatten wir in den letzten Jahren im Übrigen oft bei der Photovoltaik. Dies hat zu Verwerfungen am Markt und zu einem Auf und Ab bei den Arbeitsplätzen geführt.

Aus unserer Sicht muss die Energiewende wieder zu einem Beschäftigungsaufbauprogramm werden. Die Vorschläge des BMWi, den Zubau der Windenergie an Land zur Steuerungsgröße für den Ökostrom-Zubau insgesamt zu machen, lehnen wir rundweg ab. Wir brauchen verlässliche Mindestausschreibungsvolumina. Bei Onshore-Wind sind das mindestens 2.500 MW netto pro Jahr, bei Offshore-Wind 900 MW. Strukturbrüche wie wir sie in der Photovoltaik-Industrie erlebt haben, müssen wir vermeiden.

Die Arbeitsplatzahlen in der Branche der erneuerbaren Energie waren in den letzten Jahren rückläufig. Kann das neue EEG die Energiewende zum Jobmotor machen?

Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass sogenannte „Green Jobs“ nicht auch immer „Good Jobs“ sind. Die Photovoltaikindustrie, die sich in den Boom-Jahren der Photovoltaik in Deutschland gegründet hat, war so ein Beispiel. Die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung waren miserabel und im Endeffekt ist ein Großteil der Arbeitsplätze weggefallen.

Mit der Einführung der Ausschreibungen steigt der Kostendruck. Wenn nur das Motto „Hauptsache billig, egal zu wessen Lasten“ gilt, geht dies vor allem auf Kosten der Beschäftigten und tarifgebundener Unternehmen. In einem solchen System haben Spekulanten und Billiganbieter einen Wettbewerbsvorteil. Qualität und gute Arbeitsplätze geraten ins Hintertreffen. Einen solchen Verdrängungswettbewerb müssen wir verhindern!

Deshalb müssen einerseits beim Zuschlag nicht nur Gebotshöhe, sondern auch soziale und ökologische Kriterien berücksichtigt werden. Eine Vergabe darf nur bei Einhaltung „Guter Arbeit“ und tariflicher Standards erfolgen.

Andererseits sollte der Zubau der erneuerbaren Energien so organisiert werden, dass unterschiedliche Akteursgruppen weiter daran partizipieren können. Es steht zu befürchten, dass bei einem Verdrängungswettbewerb selbst etablierte Akteure der Energiewirtschaft ins Hintertreffen geraten werden und der Zubau von erneuerbaren Energien

stärker von Finanzmarktakteuren dominiert wird. Das wäre eine Fehlentwicklung. Deshalb brauchen wir Sonderregelungen zum Nachteilsausgleich für kleinere Akteure wie Stadtwerke oder Genossenschaften.

Apropos Arbeitsplätze und EEG: Bisher sind Industriebetriebe, die ihren eigenen Strom erzeugen, von der EEG-Umlage befreit. Doch diese Regelung läuft nur bis 2017. Eine Verlängerung ist noch nicht in Sicht. Wann ist die Kuh vom Eis?

Industriekraftwerke versorgen viele Betriebe effizient  und wettbewerbsfähig mit Strom, Wärme und Prozessdampf. Diese Verbundstrukturen werden auch mit einem größeren Anteil erneuerbarer Energien ein wichtiger Teil der Energieversorgung bleiben. Sie sichern Standorte und Arbeitsplätze.

Sollten die Ausnahmeregelungen für die industrielle Eigenstromerzeugung nicht verlängert werden, wären sie in ihrer Wirtschaftlichkeit gefährdet. Hier sind wir mit der Bundesregierung und der Industrie der Meinung, dass die Ausnahmeregelungen in vollem Umfang fortgeführt werden müssen! Gemeinsam mit der Industrie haben wir dieses Anliegen bereits letztes Jahr sehr deutlich gemacht! Jetzt liegt es an der EU-Kommission, die Ausnahmeregelungen über das Jahr 2017 hinaus zu genehmigen. Wir fordern deshalb die EU-Kommission auf, hier möglichst schnell Rechtssicherheit zu schaffen.


DOWNLOAD

DGB-Stellungnahme zur EEG-Reform (application/acrobat, 143 kB)

Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien


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