Bei hunderttausenden Langzeitsarbeitslosen ist das Hartz-IV-System an seine Grenzen gekommen. Einen Neustart der öffentlich geförderten Beschäftigung, wie sie der DGB fordert, könnte ihre Chancen auf Arbeit erheblich verbessern. "Wir dürfen diese Menschen nicht einfach abschreiben, sondern müssen aktive Unterstützung anbieten", sagt auch SPD-Bundestagsfraktionsvize Hubertus Heil.
Herr Heil, wie beurteilen Sie die Kürzung der Mittel für öffentlich geförderte Beschäftigung, vor dem Hintergrund, dass ein Teil der Arbeitslosen mit dem bisherigen Instrumentarium zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt nicht mehr erreicht wird?
Foto: Hubertus Heil
Hubertus Heil: Rund eine Million Menschen in Deutschland sind langzeitarbeitslos. Etwa die Hälfte von ihnen findet bereits seit über zwei Jahren keine Arbeit. Wir dürfen diese Menschen nicht einfach abschreiben, sondern müssen aktive Unterstützung anbieten, zu der auch öffentlich geförderte Beschäftigung gehört. Wir wollen Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren.
In diesem Jahr erreichen die Kürzungen der schwarz-gelben Bundesregierung in der Arbeitsmarktpolitik mit insgesamt 6,5 Milliarden Euro einen weiteren Höhepunkt. Damit werden die Instrumente, die den Schwächsten am Arbeitsmarkt helfen sollen, systematisch ausgetrocknet. Dazu passen auch die Vorwürfe des Bundesrechnungshofs, die Arbeitsverwaltung konzentriere sich auf die besonders leichte Fälle und betreue Langzeitarbeitslose systematisch schlechter. Das ist ganz klar die Folge einer verfehlten Arbeitsmarktpolitik dieser Bundesregierung.
Sollte öffentlich geförderte Beschäftigung für besondere Personengruppen eine längerfristige Perspektive haben und auch sozial abgesichert sein?
Unser vorrangiges Ziel ist es, jedem und jeder eine Brücke in den regulären Arbeitsmarkt zu bauen. Aber: Bei Menschen, die lange nicht gearbeitet haben, gesundheitlich eingeschränkt und/oder geringqualifiziert sind, ist das kurzfristig nicht in jedem Fall möglich. Wer jahrelang von einem normalen Erwerbsleben ausgeschlossen war, braucht mehr Unterstützung.
Die Betroffenen haben es zu recht satt, von einem Projekt zum anderen, von einer unsinnigen Maßnahme zur nächsten geschickt zu werden. Gebraucht wird vielmehr eine durchdachte Qualifizierung und eine Arbeitsmarktpolitik, die langfristig Potenziale fördert und aus Arbeitslosen Arbeitskräfte macht. Mit der Förderung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung möchte die SPD-Bundestagsfraktion einen sozialen Arbeitsmarkt schaffen, um diesen Menschen neue Perspektiven auf Beschäftigung zu eröffnen.
Der DGB schlägt vor, die Einsatzmöglichkeiten für öffentlich geförderte Beschäftigung zu erweitern und eine öffentliche Überwachung durch die Sozialpartner einzurichten, um negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zu begrenzen. Wie bewerten sie diesen Vorschlag?
Der DGB Vorschlag greift viele Elemente auf, die auch in einem Vorschlag der SPD-Bundestagsfraktion enthalten sind, der vor einigen Wochen im Bundestag diskutiert wurde. Dabei soll die geschaffene Beschäftigung sozialversicherungspflichtig sein und sich am jeweils gültigen Tariflohn oder – wenn es keinen gibt – am ortsüblichen Lohn orientieren. Unterste Haltelinie ist ein Mindestlohn von 8,50 Euro. Auch im Modell der SPD für öffentliche Beschäftigung sind örtliche Beiräte in den Jobcenter vorgesehen, um zu verhindern, dass durch öffentlich geförderte Beschäftigung reguläre Arbeitsplätze verdrängt werden.