Deutschland hält europaweit einen Spitzenplatz bei der Zahl der Langzeitarbeitslosen. Gerade diese Gruppe sollten die Arbeitsmarktreformen verstärkt in den Arbeitsmarkt integrieren. Doch der harte Kern der Langzeitarbeitslosen – etwa 300.000 Menschen - wurde bisher kaum erreicht. Der DGB spricht sich für einen Neustart der öffentlich geförderten Beschäftigung aus.
300 000 erwerbsfähige, arbeitslose Leistungsberechtigte erhalten seit dem Start von Hartz IV Anfang 2005 ununterbrochen Leistungen. Wie eine aktuelle DGB-Studie zeigt, ist das wahre Ausmaß der sich verfestigenden Hartz IV-Bedürftigkeit noch deutlich größer. Fast zwei Millionen Hilfeempfänger beziehen mindestens 50 Monate Leistungen. Dabei bleiben Unterbrechungen von maximal 31 Tagen bei der Berechnung unberücksichtigt (DGB-Studie: Verfestigte Armut - Langzeitarbeitslose im Hartz-IV-System).
Das Ziel durch Erwerbstätigkeit Hilfebedürftigkeit zu vermeiden oder zu beseitigen, ist für viele Menschen in schwierigen Lebenslagen immer noch eine Illusion. Das Hartz-IV-System stößt hier an Grenzen. Die rigorose Orientierung in Richtung erster Arbeitsmarkt ist offensichtlich nicht für alle eine Lösung. Gleichzeitig werden die Mittel, die für die Integration zur Verfügung stehen, immer weiter gekürzt. Als Folge verfestigt sich die Langzeitarbeitslosigkeit weiter.
DGB
Für die Betroffenen kann öffentlich geförderte Beschäftigung eine Option sein und ihnen eine Perspektive eröffnen. Erst wenn andere Hilfen keine Lösung gebracht haben, sollte geförderte Beschäftigung zum Einsatz kommen. In der Gruppe der Arbeitsuchenden liegt ein großes Potenzial, das durch zusätzliche Bildungsmaßnahmen erschlossen werden kann. Weiterbildung hat Vorrang. Deswegen muss die Kürzung der Mittel für Weiterqualifizierung rückgängig gemacht werden.
Öffentlich geförderte Beschäftigung kann zwei Ziele verfolgen. Zum einen schafft sie zusätzliche Arbeitsplätze bei einer generellen Unterbeschäftigung, zum anderen kann sie auch Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen erschließen, die auch bei guter Beschäftigungssituation keine Arbeit finden. Die erste Option nimmt an Bedeutung ab, denn zum Teil werden bereits knappe Fachkräfte gesucht. Aber für die Gruppe der schwervermittelbaren Langzeitarbeitslosen – dazu zählen insbesondere ältere und gesundheitlich beeinträchtigte Arbeitslose mit unzureichenden Qualifikationen – ist die zweite Option ein Weg, um sie vor dauerhafter Ausgrenzung mit allen negativen Folgen für sich und ihre Familien zu bewahren.
Teilnehmende in ausgewählten arbeitsmarktpolitischen Instrumenten im Rechtskreis SGB II | |||||
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Beschäftigung schaffende Maßnahmen |
März 2009 |
März 2010 |
März 2011 |
März 2012 |
März 2013 |
Arbeitsgelegenheiten |
298.979 |
305.126 |
186.210 |
127.197 |
101.020 |
Förderung von Arbeitsverhältnissen |
– |
– |
– |
– |
4.717 |
Beschäftigungsphase Bürgerarbeit |
– |
– |
1.528 |
24.027 |
28.396 |
Die derzeit häufigste öffentlich geförderte Beschäftigung sind die Arbeitsgelegenheiten, auch Ein-Euro-Jobs genannt. Derzeit gibt es davon rund 100.000 Arbeitsplätze, vor drei Jahren waren es noch fast dreimal so viele. Der DGB hat die Ein-Euro-Jobs in der derzeitigen Ausprägung oft kritisiert, vor allem weil sie meist ziellos eingesetzt werden und wegen falscher Erwartungen an die Integrationserfolge häufig nicht die schwer vermittelbaren Personen erreichen, für die sie gedacht sind.
Andere Formen der Förderung wie der Beschäftigungszuschuss, der auf den ersten Arbeitsmarkt zielte, beendete der Gesetzgeber bereits nach kurzer Zeit Dies geschah aus Kostengründen und weil die schwarz-gelbe Koalition es politisch so wollte. Das Ziel, Beschäftigung bei Arbeitgebern für arbeitsmarktferne Personen zu schaffen, wurde nicht erreicht.
Mit der 2012 neu eingeführten „Förderung von Arbeitsgelegenheiten“ können Arbeitsverhältnisse – anders als beim Beschäftigungszuschuss – nur 24 Monate innerhalb von 5 Jahren bezuschusst werden. Eine längerfristige Förderung ist damit ausgeschlossen. Die Förderung bis maximal 75 Prozent des Arbeitsentgelts sollen insbesondere private Arbeitgeber erhalten, die Langzeitarbeitslose mit mindestens zwei weiteren Vermittlungshemmnissen einstellen wie zum Beispiel fortgeschrittenes Alter und alleinerziehend.
Um die Kosten zu senken, hat der Gesetzgeber die Zahl der Förderungen stark begrenzt. Außerdem wirkt sich negativ aus, dass private Arbeitgeber oft nicht bereit sind, Langzeitarbeitslosen eine Chance zu geben. Die Folge: das erst vor einem Jahr eingeführte Förderinstrument ist bedeutungslos - gerade mal 4700 Personen werden derzeit bundesweit gefördert. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen als sozialversicherungspflichtige Form der öffentlich geförderten Beschäftigung wurden ganz abgeschafft, ebenso die Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante (sozialversicherungspflichtig). In einigen Jobcentern wurde zusätzlich die ESF-geförderte „Bürgerarbeit“ eingeführt, diese Förderung läuft aber 2014 aus.
Für eine ehrliche Diskussion über öffentlich geförderte Beschäftigung und um einen breiten gesellschaftlichen Konsens zu erreichen, müssen die Ziele klar benannt und die Instrumente entsprechend gestaltet werden: Es geht zum einen um soziale Teilhabe für Menschen, die besonders arbeitsmarktfern sind. Denn persönliche Problemlagen machen eine Integration bei einem „regulären“ Arbeitgeber auch mit einer hohen Förderung unmöglich. Zum anderen geht es um die Heranführung an den regulären Arbeitsmarkt für Personen, die wegen diverser Vermittlungshemmnisse stark leistungsgemindert sind und aktuell keine Perspektive auf eine ungeförderte Beschäftigung haben.
Wir brauchen eine Neuordnung der öffentlich geförderten Beschäftigung, um auch den harten Kern der Langzeitarbeitslosen zu integrieren und damit ihre gesellschaftliche Ausgrenzung zu beenden, Sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor lassen sich Arbeitsplätze erschließen, die auch für Menschen mit Vermittlungshemmnissen geeignet sind. Dazu müssen aber die Instrumente neu ausgerichtet und Beschränkungen beseitigt werden.
Die Begleitforschung zu den Hartz-Gesetzen hat gezeigt, dass eine längerfristige Förderung von Arbeitsplätzen dann zu einem Übergang in reguläre Arbeit führen kann, wenn die Beschäftigung nah am Arbeitsmarkt erfolgt. Dies ist möglich, ohne dass es zu Verdrängung kommt oder andere Arbeitsplätze gefährdet werden. Außerdem empfiehlt die Forschung eine Konzentration auf den Personenkreis der „Leistungsschwächsten“ am Arbeitsmarkt. Für weniger Leistungsgeminderte kann die Förderung im „zweiten Arbeitsmarkt“ dagegen negative Effekte haben.
Es gibt besonders „arbeitsmarktferne“ Personen, deren persönliche Problemlagen eine geförderte Integration unmöglich machen. Auch für diese Gruppe ist es wichtig, soziale Teilhabe zu ermöglichen. Die Fördermaßnahmen müssen aber zielgerichtet für diesen eng definierten Personenkreis eingesetzt werden. Ergänzende Hilfen wie z. B. Suchtberatung, psychologische Hilfen, Schuldnerberatung oder andere begleitende Unterstützung müssen bei Bedarf angeboten werden. Der Bund könnte sich an diesen Kosten beteiligen, soweit Kommunen unter kommunaler Finanzaufsicht stehen. Aufgegeben werden sollte die bisherige Förderbegrenzung auf sechs Monate. Das Integrationsziel steht hier nicht im Vordergrund. Die Konkurrenz zu anderen Arbeitsmarktinstrumenten im Haushalt der Hartz-IV-Stellen muss dafür beseitigt werden und längerfristige Finanzierungsoptionen geschaffen werden.
1. Öffentlich geförderte Beschäftigung - bei privaten Arbeitgebern oder freien Trägern - muss so gestaltet werden, dass Langzeitarbeitslose mit weiteren Vermittlungshemmnissen eine Chance auf reguläre sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse bekommen. Dadurch müssen realistische Integrationsmöglichkeiten in eine ungeförderte Beschäftigung geschaffen werden. Flankierende Angebote wie Coaching, soziale Begleitung oder Hilfen bei Konflikten könnten Arbeitgeber dafür motivieren.
2. Eine solche öffentlich geförderte Beschäftigung muss diskriminierungsfrei sein: Sie sollte voll sozialversicherungspflichtig sein und es muss das allgemeine Arbeitsrecht gelten. Einschränkungen wie „zusätzlich, im öffentlichen Interesse und wettbewerbsneutral“ sollten bei der grundsätzlichen Koppelung an tariflich beziehungweise ortsüblich entlohnte Arbeit nicht greifen. Eine größere Arbeitsmarktnähe und Akzeptanz der Beschäftigung würden damit erreicht.
Durch die öffentliche Förderung erhalten die Arbeitgeber einen Nachteilsausgleich, so dass es keinen Grund gibt, den Lohn zusätzlich abzusenken. Deswegen sollte grundsätzlich tarifliche Bezahlung oder mindestens ortsübliche Bezahlung gelten. Das Ziel: öffentlich geförderte Beschäftigung muss möglichst existenzsichernd sein, dass zumindest Ein-Personen-Haushalte ohne aufstockende Hartz IV-Leistungen auskommen.
3. Die öffentliche Förderung von Arbeit kann sich negativ auf den Arbeitsmarkt und andere Arbeitsverhältnisse auswirken. Das ist nicht gänzlich auszuschließen. Deshalb kann die Förderung nur mit einem übergeordneten sozialpolitischen Interesse begründet werden. Eine öffentliche Kontrolle der geförderten Arbeitsplätze kann solche Eingriffe in den Markt eingrenzen. Diese Kontrolle können nicht alleine die Mitarbeiter der Jobcenter ausüben, so wie es das derzeitige Recht vorsieht. Zwar gibt es dort Beiräte, diese haben aber nur eine beratende Funktion. Außerdem reicht ihre Legitimation nicht aus, zumal die Zusammensetzung der Beiräte in den Regionen „beliebig“ und sehr unterschiedlich ist. Die Beiräte können aber an einem örtlichen Konsens mitwirken, welche Arbeitsplätze gefördert werden sollen bzw. in welchen Beschäftigungsfeldern die Menschen tätig werden sollen.
Sie können am besten beurteilen, ob ungeförderte Arbeitsplätze verdrängt, Tariflöhne unterlaufen oder andere Arbeitgeber in wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht werden.Die Sozialpartner sollten vor der Einrichtung von geförderten Arbeitsplätzen in einem Ausschuss angehört werden. Der Ausschuss berät die Jobcenter zu Förderkontingenten und den Einsatzfeldern der öffentlich geförderten Beschäftigung. Nur nach Zustimmung des Ausschusses sollten Arbeitsplätze eingerichtet werden Die Jobcenter entscheiden dann eigenständig über die Auswahl der zuzuweisenden Personen
4. Die öffentlich geförderte Beschäftigung wird auf die Leistungsschwächsten begrenzt, die perspektivisch keine Chance auf ungeförderte Beschäftigung haben.
5. Soll die angesprochene Zielgruppe erreicht werden, darf keine schnelle Integration erwartet werden. Deswegen sollten die Hartz-IV-Stellen ein eigenes unabhängiges Budget für öffentlich geförderte Beschäftigung erhalten. Dadurch würde auch eine Planung für mehrere Jahre möglich. Dabei muss berücksichtigt werden, dass im Gegenzug die normalerweise erstatteten Aufwendungen für Lebensunterhalt und Wohnung entfallen. Gelder, die für den Unterhalt zur Verfügung stehen, werden in aktive Mittel zur Integration umgewandelt (Aktiv-Passiv-Tausch).
6.Die Jobcenter müssen die Beschäftigten weiterhin betreuen. Ihnen müssen weitere Hilfen für den Schritt in den ungeförderten Arbeitsmarkt angeboten werden. Dies können Weiterbildung, aber auch Hilfen bei der Bewältigung persönlicher oder gesundheitlicher Probleme sein.
Die Maßnahmen werden zielgerichtet eingesetzt, es wird zusätzliche Wertschöpfung erzielt und die negativen Auswirkungen langjähriger Arbeitslosigkeit werden gemindert. Das ist ein sozialer wie auch fiskalischer Wert. Das ist es uns wert.
Die Zahl der Arbeitslosen ist seit Einführung des Hartz-IV-Systems deutlich zurückgegangen. Doch noch immer sind gut sechs Millionen Menschen auf staatliche Fürsorge angewiesen. Vielen gelingt es nicht oder nur befristet, den Hilfebezug längerfristig zu überwinden. Prekäre Lebensverhältnisse und Armut verfestigen sich.