Deutscher Gewerkschaftsbund

10.02.2012
klartext 05/2012

Eurokrise: Portugal zerbricht am sozialen Kahlschlag

Europa kommt nicht zur Ruhe. Nun droht nach Griechenland auch Portugal am sozialen Kahlschlag zu zerbrechen. Besonders betroffen von Spar- und Deregulierungsmaßnahmen ist die Jugend des Landes, ihre Zukunftsperspektiven verschlechtern sich zusehends. Nur eine Investitions- und Modernisierungsoffensive für Europa könnte helfen.

Europa kommt nicht zur Ruhe. Auch Portugal droht am sozialen Kahlschlag zu zerbrechen. Die Konjunkturdaten des Landes ziehen gleich mit denen Griechenlands. Statt den Portugiesen zu helfen, mit Zukunftsinvestitionen aus der Krise herauszuwachsen, schlägt die Kanzlerin lieber vor, einen ausländischen Sparkommissar einzusetzen. Oder ein Sonderkonto für griechische Steuereinnahmen einzurichten, auf die dann die griechische Regierung kein Zugriffsrecht hat. Das löst den Zorn der Griechen aus. Deutsche Fahnen brennen in Athen, während sich Merkel im französischen Wahlkampf für den angeschlagenen Sarkozy stark macht.

Grafik: Armutsgefährdung in der EU

Die Deregulierungsmaßnahmen trifft besonders die Jugend. In Portugal und Griechenland sind seit 2007 immer mehr 16- bis 24-Jährige von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Grafik: DGB; Zahlen: Eurostat

Die Wirtschaftsleistung sinkt

Soweit ist Portugal noch nicht. Dort steht die Bevölkerung noch hinter ihrer Regierung. Damit dürfte bald Schluss sein. 2011 ist die Wirtschaftsleitung um 1,6 Prozent zurückgegangen. 2012 soll das Land um 3,5 Prozent schrumpfen, der gleiche Rückgang wird den Griechen prognostiziert. Der Finanzsektor hat weiterhin kein Vertrauen in das Land, die Renditen steigen, die Kosten für Kreditausfallversicherungen auch. Letztes Jahr hatte Portugal ein Haushaltsdefizit von rund sechs Prozent, gerade mal drei Prozentpunkte weniger als in Griechenland. Die Einzelhandelsumsätze gingen im Dezember 2011 um fast neun Prozent zum Vorjahr zurück, wie an der Ägäis. Dabei macht auch Portugal fleißig, was die Troika aus EU, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank dem Land vorschreiben. Kürzen, kürzen, kürzen. Den Mindestlohn, die Renten, die soziale Absicherung, den Kündigungsschutz. Damit bestreitet Portugal den gleichen Maßnahmenkatalog wie Griechenland.

Sparen, um den Haushalt zu konsolidieren, funktioniert für keine Volkswirtschaft. Das wird sich bei der europäischen Staatsfinanzierungskrise nicht ändern. Warum auch? Nur, wenn Wachstum generiert wird und die Einnahmen steigen, kann man Schulden abbauen. Bei Portugal liegen die Probleme in der geringen Leistungsfähigkeit. Die Industrieproduktion ist rückläufig. Die Arbeitslosigkeit steigt. Einkommen und Transferleistungen sinken. Das führt zum Einbruch des Konsums. Die Rezession nimmt ihren Lauf.

Ohne Zukunftsprogramm droht Resignation

Besonders betroffen von den Deregulierungsmaßnahmen ist die Jugend. Seit der Finanzkrise 2007 stieg der Anteil der von Armut und sozialer Ausgrenzung bedrohten 16- bis 24-Jährigen in Portugal und Griechenland an. Mehr als der Durchschnitt im Euroraum. Somit wachsen die Unsicherheiten in der Gruppe, die für einen Umschwung der wirtschaftlichen Situation von besonderer Bedeutung ist.

Solange Portugal und Griechenland kein großes Modernisierungsprogramm auflegen, werden sich die Zukunftsperspektiven der jungen Bevölkerung weiter verschlechtern, die Motivation fallen und schließlich Resignation ausbreiten. Die Alternative zur Sparpolitik der Troika ist eine Investitions- und Modernisierungsoffensive für Europa. Durch ein nachhaltiges Investitionsprogramm ließen sich Arbeitsplätze schaffen und durch expansive Industriepolitik kann die Wettbewerbsfähigkeit verbessert werden.


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