Die Sozialwahl-Kandidaten des DGB und seiner Gewerkschaften haben die Interessen der Arbeitnehmer im Blick – und haben erfahrene Organisationen mit mehr als sechs Millionen Mitgliedern im Rücken. Doch bei den Sozialwahlen treten auch so genannte sonstige Arbeitnehmervereinigungen an. Was steckt dahinter? Die Zeitschrift Soziale Sicherheit hat diese Listen mal genauer unter die Lupe genommen.
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Viele dieser Listen gehen mit einem Namenstrick auf Stimmenfang bei der Sozialwahl: Sie geben sich Listen-Namen, in denen der Name der Krankenkasse vorkommt, bei der eine Urwahl zur Sozialwahl stattfindet.
Zum Beispiel bei der TK die "TK-Gemeinschaft, unabhängige Versichertengemeinschaft der Techniker Krankenkasse e.V.", bei der KKH die "KKH-Versichertengemeinschaft e.V." oder bei der DAK-Gesundheit die "DAK Mitgliedergemeinschaft e.V.".
Bei vielen Wählerinnen und Wählern ziehe dieser "PR-Coup", heißt es in der Sozialen Sicherheit. Offenbar erzeuge der Name bei vielen die Assoziation, "damit direkt Vertreter 'ihrer Kasse' zu wählen". Doch ist das wirklich so?
Fakt ist: Im Vergleich zu anderen Organisationen, die zu den Sozialwahlen antreten, haben die "sonstigen Arbeitnehmervereinigungen" kaum Mitglieder. Die Recherche der Sozialen Sicherheit zeigt: Auf mehr als 5.500 Mitglieder bundesweit kommt keine der Vereinigungen, die meisten haben noch deutlich weniger Mitglieder oder machen gar keine Angaben zu Mitgliedszahlen.
Zum Vergleich: Die DGB-Gewerkschaften haben zusammen mehr als sechs Millionen Mitglieder.
Vereinsname | beitragszahlende Mitglieder |
---|---|
TK-Gemeinschaft | über 1.000* |
BARMER VersichertenGemeinschaft | keine Antwort |
DAK Mitgliedergemeinschaft | etwa 2.000 |
KKH-Versichertengemeinschaft | 5.500 |
hkk-Gemeinschaft | keine Antwort |
DAK-Versicherten- und Rentnervereinigung | etwa 1.950 |
Quelle: "Soziale Sicherheit" 3/2017 *Wörtlich heißt es in der Antwort der TK-G: "Die Mitgliederzahl liegt deutlich über den erforderlichen 1.000 Mitgliedern. Im vergangenen Jahr konnten wir eine leichte Steigerung verzeichnen." **Diese Zahl wird im Internet des Vereins für Oktober 2016 genannt. Auf die Umfrage der "Sozialen Sicherheit" antwortete der Verein nicht. |
Die Recherchen der Sozialen Sicherheit haben außerdem gezeigt: Es gibt bei der Sozialwahl Listen von "sonstigen Arbeitnehmervereinigungen", die offenbar kein Problem darin sehen, auch Arbeitgeber-Vertreter zu organisieren. Bei einigen der Vereine, die sich selbst als "selbstständige Arbeitnehmervereinigungen mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung" ansehen, "sind auch Arbeitgebervertreter Mitglieder", fand die Soziale Sicherheit heraus.
So beschreibe etwa die KKH-Versichertengemeinschaft in ihrer Geschichtsübersicht die aktuelle Situation so: "Im Verwaltungsrat der KKH stellt unsere Gemeinschaft 12 Versichertenvertreter. Ein Großteil der im Verwaltungsrat vertretenen 15 Arbeitgebervertreter ist zudem auch Mitglied in der KKH-Versichertengemeinschaft e. V."
Eine Organisation, die sowohl die Arbeitnehmer- als auch die Arbeitgebervertreter im Verwaltungsrat einer Krankenkasse organisiert? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt...
Viele "sonstigen Arbeitnehmervereinigungen" haben sich in einem Dachverband zusammengeschlossen – der Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Mitgliedergemeinschaften der Ersatzkassen e. V. (AGuM).
Eine "schwache Dachorganisation", so das Resümee der Sozialen Sicherheit nach ihren Recherchen. Die AGuM stelle sich selbst zwar als starke Lobbyorganisation dar und ist in der Lobbyistenliste des Deutschen Bundestags eingetragen. Fakt ist aber laut den Recherchen der Zeitschrift: Sieht man sich die Verfahren zu allen bedeutenden Gesetzen aus den Bereichen Soziales, Gesundheit und Alterssicherung der letzten Zeit an, dann war die AGuM – anders als der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften – bei keiner einzigen Anhörung im Bundestag vertreten. Weder im Gesundheitsausschuss noch im Ausschuss für Arbeit und Soziales wurde sie befragt.
Auch ungefragt hat die AGuM keine Stellungnahmen zu Gesetzgebungsverfahren abgegeben, die in die Ausschussprotokolle eingegangen sind. Und noch nicht einmal bei der Anhörung zum GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz trat die AGuM im Bundestag in Erscheinung. Politische Beteiligung im Interesse von Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmern und Versicherten auf Bundesebene: praktisch gleich null.
Die kompletten Recherche-Erbenisse der Sozialen Sicherheit zu den "sonstigen Arbeitnehmervereinigungen" sind in vier Artikeln erschienen.
Alle vier Artikel können Sie hier herunterladen.
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