Die südeuropäischen Krisenländer leiden massiv unter der sozialen Kahlschlagpolitik der EU: Die Armut steigt, Löhne sinken, die Binnennachfrage ist eingebrochen. Deshalb ist ein Kurswechsel bei der EU-Antikrisen-Strategie überfällig – Griechenland muss Euroland bleiben. No Grexit! Der DGB-klartext.
Vor Weihnachten konnte man noch hoffen: EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker stellte einen ausbaufähigen Investitionsplan vor. Europa schien vom Irrweg der Spar- und Kürzungspolitik langsam auf den Weg zu Investitionen, Wachstum und Jobs zu kommen. Doch dann kam das neue Jahr und mit ihm eine unsägliche Debatte über „Grexit“- über einen Ausstieg bzw. Rauswurf Griechenlands aus der Eurozone.
(1 Griechenland: Zielwert laut Reformplan; Alle anderen Zahlen: Stand 2011; Quelle: Eurostat)
Ein Ausstieg aus dem Euro ist zwar weder rechtlich möglich, noch wird er von irgendeiner relevanten politischen Kraft in Griechenland angestrebt. Dennoch zettelten deutsche Politiker und Medien eine Phantomdebatte an. Der Grund: Eine linke Partei könnte in Griechenland möglicherweise die anstehenden Wahlen gewinnen und über harte Sparauflagen neu verhandeln wollen. Das passt Merkel und Schäuble gar nicht. Sie hätten lieber eine Athener Regierung, die brav die Politik des sozialen Kahlschlags weiter treibt.
Merkel und Schäuble spielen mit dem Feuer. Denn allein die Debatte um Staatspleiten führt zu neuer Unsicherheit - eine Einladung an Hedgefonds und andere Spekulanten, Wettgeschäfte auf die Pleite von Euro-Ländern abzuschließen.
Fakt ist: In Griechenland gibt es zu Recht Unmut über die bisherige Krisenpolitik. Sie hat zu einem massiven Anstieg der Armut geführt. Die Zahl der Obdachlosen steigt. Straßenkriminalität nimmt zu. Das Gesundheitssystem ist der Kürzungspolitik zum Opfer gefallen. Schon 2011 wurden nur noch 6 Prozent der gesunkenen Wirtschaftsleistung für Gesundheitsvorsorge ausgegeben. Drei Millionen Menschen haben laut Zeitungsberichten keinen Zugang mehr zur Gesundheitsversorgung.
Es braucht einen Kurswechsel bei der EU-Anti-Krisen-Strategie insgesamt.
Die bisherige Politik der Troika aus Europäischer Zentralbank (EZB), EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds ist nicht nur in Griechenland gescheitert. Sie hat in allen Krisenländern zu einem Angriff auf Tarifautonomie, Gewerkschaften und auf die Löhne geführt: In Griechenland wurden Branchentarifverträge weitgehend durch Haustarifverträge verdrängt. In Portugal galt 2009 noch für 1,9 Millionen Beschäftigte ein Flächentarifvertrag, 2012 nur noch für 300.000. In Spanien verloren seit 2008 fast 7,5 Millionen Beschäf-tigte den Schutz durch einen Flächentarifvertrag. Das Ergebnis dieser Politik: Die Reallöhne sind seit 2010 massiv gesunken – in Portugal und Spanien um rund sieben, in Griechenland sogar um fast 23 Prozent. Entsprechend haben diese „Reformen“ auch zu einem Einbruch der Binnennachfrage, zu massiver Rezession und Arbeitslosigkeit geführt.
Angesichts dieser Dramatik ist eine Debatte über eine andere Krisentherapie überfällig. Egal wer in Athen die Wahlen für sich gewinnt. Eine Kurskorrektur der EU und Deutschlands gegenüber Griechenland wäre kein Zeichen der Schwäche, sondern der ökonomischen Vernunft. Der Klügere gibt nach und gießt nicht Öl ins Feuer. Und Griechenland bleibt Euroland.