Die Kluft zwischen arm und reich ist stärker als bisher angenommen. Zu diesem Ergebnis gelangt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie. Krise hin, Niedrigzinsen her: Die reichste Bevölkerungsgruppe konnte ihren Anteil am Gesamtvermögen stetig ausbauen.
Über die Höhe des Vermögens der Superreichen ist allgemein wenig bekannt. Sie hüllen sich gern in Schweigen. Sie wollen sich in die Karten ungern blicken lassen. Auf der anderen Seite ist Armut hingegen bestens erforscht. Über die Einkünfte und Vermögenssituation müssen Betroffene auf Heller und Pfennig Auskunft geben. Im Zweifel ist den Behörden gar die Zahl der Zahnbürsten bekannt. Doch Fakt ist: Wer die Armut bekämpfen und damit die Lebenssituation der betroffenen Menschen verbessern will, muss auf der anderen Seite den Reichtum besser erforschen.
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Das DIW hat nun etwas Licht ins Dunkel gebracht. So zeigt sich, dass das Gesamtvermögen höher ausfällt und die Vermögen wesentlich konzentrierter verteilt sind als bisher angenommen. Das Nettogesamtvermögen, also Vermögen abzüglich aller Schulden, beläuft sich hierzulande statt der bisher angenommen 6,3 Billionen Euro auf, je nach Szenario, 8,6 bis 9,3 Billionen Euro und damit etwa viermal so hoch wie das jährliche BIP. Das reichste 1 % verfügt demnach nicht über 18 %, sondern über rd. 34 % des Vermögens, das reichste Tausendstel über 16 % statt 5 %. Insgesamt besitzen die reichsten 10 % in Deutschland über 70 % des Vermögens. Eine ungleiche Verteilung der finanziellen Ressourcen ist nicht nur aus Gerechtigkeitsgründen bedenklich und stellt eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt dar, sondern ist darüber hinaus ökonomisch unvernünftig. Zahlreiche Untersuchungen, wie von der OECD, vom IWF oder des Ökonomen Thomas Piketty, zeigen eindrücklich, dass durch eine ungleiche Verteilung Wachstumspotenziale dauerhaft verloren gehen.
Denn Einkommens- und Vermögensschwächere weisen gewöhnlich geringere Sparquoten als Vermögende auf. Sie geben das Geld eher aus und stützen somit die Binnenwirtschaft. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen nimmt mit schwindender Einkommens- und Vermögensgleichheit somit sukzessive ab. Das hat auch Folgen für Investitionen der Unternehmen. Denn sie investieren in Produktionsanlagen sowie in Forschung und Entwicklung, wenn ihre Produkte auf entsprechende Nachfrage stoßen. Vermögende weisen hingegen höhere Sparquoten auf. Auf der Suche nach renditeträchtigen Anlagen investieren sie oftmals in riskante Finanzprodukte mit zum Teil fatalen Folgen für das Gemeinwohl wie in der letzten Finanz- und Wirtschaftskrise. Deshalb ist es ökonomisch und politisch sinnvoll, das Risikopotential einer solchen gigantischen Vermögenskonzentration abzubauen.
Zum einen muss das weltweite Casino zugemacht werden. Zum anderen muss den Superreichen das Spielgeld mit Maßnahmen wie der Wiedereinführung der Vermögensteuer, einer wirkungsvollen Erbschaftsteuer, einer einmaligen Vermögensabgabe sowie höheren Steuern auf Spitzeneinkommen begrenzt werden.