Bis Ende 2014 wollte die Bundesregierung sich mit zehn weiteren europäischen Staaten auf die Einführung einer Finanztransaktionssteuer einigen. Doch die Verhandlungen stecken fest. Wenn das Spardiktat in den EU-Krisenländer gelockert würde, wären Frankreich und Italien eher bereit, der Transaktionssteuer zuzustimmen, meint der DGB-klartext.
„Eine Politik, die den Menschen in den Mittelpunkt ihres Handelns stellt, setzt deshalb alles daran, dass alle, dass die ganze Welt die Lektionen aus dieser damaligen Krise lernt. Eine davon ist und bleibt: Kein Finanzmarktakteur, kein Finanzprodukt und kein Finanzplatz darf ohne angemessene Regulierung bleiben; Finanzakteure müssen durch die Finanztransaktionsteuer (FTT) zur Verantwortung gezogen werden.“ Mit diesen deutlichen Worten hat sich Kanzlerin Merkel im Januar in ihrer Regierungserklärung erneut zur Einführung der FTT bekannt. Sodann wollte die Bundesregierung bis zum Ende des Jahres mit zehn weiteren EU-Mitgliedstaaten Einigkeit über die Einführung der Anti-Spekulationssteuer erzielen. Nach einem Jahr mit einer Vielzahl von Verhandlungsrunden und Dienstreisen nach Brüssel fand nun das letzte Treffen der europäischen Finanzminister für dieses Jahr statt. Das verkündete Ergebnis ihrer „verstärkten Zusammenarbeit“ lautete aber im Wesentlichen nur: Außer Spesen nichts gewesen.
Frankreich, aber auch Italien, lehnen über den Aktienhandel hinaus eine Einbeziehung der hochspekulativen Finanzderivate weitestgehend ab. Eine Reihe von Ländern hat an einer Mager-FTT aber kein Interesse. Für diese wären dann nur sehr geringe Einnahmen zu erwarten, ihre Erhebungskosten würden kaum aufgewogen. Somit ist selbst eine Einigung auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner unwahrscheinlich geworden und ein Scheitern des Vorhabens nicht mehr auszuschließen. Gescheitert ist aber jetzt schon die Strategie der Bundesregierung, die Verhandlungen lediglich moderierend zu begleiten.
DGB
Wenn die Kanzlerin und ihr Finanzminister es mit der FTT wirklich ernst meinen, dann ist jetzt mehr gefragt als nur markige Sprüche und warme Worte. Denn nicht zuletzt könnte auch der deutsche Steuersäckel von einer umfassenden Besteuerung der Finanzderivate erheblich profitieren. So zeigt eine vom Bundesfinanzministerium selbst in Auftrag gegebene Studie: Würden alle Derivate besteuert, wie im Vorschlag der EU Kommission vorgesehen, so brächten nur diese dem deutschen Fiskus zwischen zwei und sechs Milliarden Euro ein, mit allen Wertpapieren zusammen gar zwischen 15 und 28 Milliarden Euro; je nachdem welche Annahmen und Bewertungsmethoden unterstellt werden.
Als Regierungschefin der größten Volkswirtschaft Europas muss Merkel jetzt zeigen, dass auch sie bereit ist, die Lektionen aus sechs Jahren gescheiterter europäischer Krisenbewältigung zu lernen. Konkret bedeutet das, dass sie endlich davon abrückt, den von der Krise am härtesten betroffenen Ländern durch Spar- und Kürzungsdiktate einen fortwährenden Schrumpfungs- und Verelendungsprozess aufs Auge zu drücken. Dann wäre es ein Leichtes für die Regierungen in Paris und Rom, über ihren Schatten zu springen und grünes Licht für eine FTT mit einer breiten und damit umgehungssicheren Bemessungsgrundlage zu geben. Wer hingegen eine Politik betreibt, die das Scheitern der Finanztransaktionsteuer einkalkuliert, der stellt bewusst oder unbewusst die Interessen der Finanzmarktlobby in den Mittelpunkt – und weniger die der Menschen.