Die Vorsitzende des Bundestagsfinanzausschusses träumt von einer einheitlichen Mehrwertsteuer. Sie will „16 Prozent auf alle Produkte – ohne jede Ausnahme“. Treffen würde eine solche Steuervereinfachung jedoch vor allem die Haushalte mit niedrigen Einkommen.
Wer ein hohes Einkommen hat, kann sich problemlos die Güter des täglichen Bedarfs und auch öfter mal ein höherwertiges Konsumgut leisten und dabei auch noch sparen. Wer weniger verdient, muss einen größeren Teil des Einkommens für Lebensmittel ausgeben und überlegt sich zweimal, ob das neue Fernsehgerät wirklich nötig ist. So muss ein Haushalt mit einem jährlichen Nettoeinkommen von 100.000 Euro hiervon nur rund 10 Prozent für Nahrungsmittel, öffentliche Verkehrsdienstleistungen, Bücher oder andere Güter ausgeben, die mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent belegt sind. Ein Haushalt, der hingegen nur über ein Nettoeinkommen von 15.000 Euro im Jahr verfügt, muss davon 20 Prozent berappen. Zwar hat das nicht viel mit einer Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu tun, ist aber immerhin besser, als wenn für alle Waren und Dienstleistungen einheitlich der Regelsatz von 19 Prozent gelten würde. Ärgerlich ist dabei, dass dank starker Branchenlobby manches wie im Falle der Hotelbranche auch ermäßigt besteuert wird, was nichts mit dem täglichen Bedarf zu tun hat. Ebenso ärgerlich ist, dass die sehr häufig unverzichtbare Säuglingsnahrung hin-gegen mit dem Regelsatz von 19 Prozent besteuert wird. Dennoch: Der ermäßigte Steuersatz kommt den Haushalten mit unteren und mittleren Einkommen besonders zugute.
Der Vorsitzenden des Bundestagsfinanzausschusses, Ingrid Arndt-Brauer (SPD), scheint das aber alles viel zu kompliziert zu sein. Sie wird dieser Tage in der Presse mit folgenden Worten zitiert: „Ich bin für einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent auf alle Produkte – ohne jede Ausnahme.“ Das hört sich gut an, ist dennoch falsch. Denn diese Forderung ignoriert die damit verbundenen Auswirkungen auf die privaten und öffentlichen Haushalte. So errechnete das Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) (siehe Tabelle), dass ein einheitlicher Steuersatz mindestens 16,7 Prozent betragen müsse, um massive Steuerausfälle zu vermeiden.
Quelle: Endbericht des RWI zum Forschungsvorhaben fe 9/11 des Bundesfinanzministeriums; eigene Berechnungen |
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Haushaltsnettoeinkommen und jeweilige Veränderung der Umsatzsteuer bei einem einheitlichen MwSt.-Satz von 16,7 % | |||
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Haushaltsnettoeinkommen
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Umsatzsteuer 2012 in Euro |
Bei einheitlicher Umsatzsteuer von 16,7 %, in Euro |
zusätzliche Belastung, in % |
9.950 |
1.354 |
1.424 |
+5,2 |
28.929 |
3.201 |
3.303 |
+3,2 |
100.150 |
7.163 |
7.285 |
+1,7 |
Aber auch dann müssten die ärmsten 10 Prozent der Haushalte im Vergleich zu heute mehr als 5 Prozent zusätzlich an Umsatzsteuer entrichten, die einkommensstärksten hingegen noch nicht einmal 2 Prozent. Noch gravierender wären die Auswirkungen, wenn auch die bisher ganz von der Umsatzsteuer befreiten Dienstleistungen, etwa die von den Krankenkassen zu bezahlenden Behandlungen, umsatzsteuerpflichtig würden. In diesem Falle müssten die Beitragssätze zur Krankenversicherung drastisch steigen ohne dass damit bessere Leistungen verbunden wären.
All dies zeigt: Ein einheitlicher Mehrwertsteuersatz ist ungerecht. Für mehr Klarheit im Umsatzsteuerrecht zu sorgen, mag zwar mühsam sein, im Interesse der Gerechtigkeit würde sich die Mühe aber allemal lohnen. Die von Schwarz-Gelb eingeführte Privilegierung der Hoteliers gehört abgeschafft, Produkte, die überwiegend dem Wohle und der Erziehung von Kindern dienen, sollten konsequent ermäßigt besteuert werden. Wem das alles dennoch zu kompliziert ist, der sollte wenigstens konsequent gegen den Umsatzsteuerbetrug vorgehen, bei dem der Fiskus immer wieder um Milliardenbeträge geprellt wird.