Die Steuersenkungspartei FDP hat es nicht leicht. Steuersenkungen sind nicht mehr sexy. Auch nicht im Aufschwung. Laut einer Forsa-Umfrage wollen 40 Prozent die Steuermehreinnahmen lieber zum Schuldenabbau nutzen. Weitere 40 Prozent plädieren für mehr öffentliche Investitionen. Beides ist richtig!
DGB/Simone M. Neumann
Derzeit brummt die Wirtschaft und die Steuereinnahmen sprudeln. Aber in der jüngeren Vergangenheit gab es keinen Fünf-Jahres-Zeitraum, in dem das Wirtschaftswachstum nicht früher oder später eingebrochen ist. Der Aufschwung wird - gerade angesichts von Zinserhöhungen, der Krise in der Eurozone und unsicheren Energiepreisen - auch dieses Mal nicht ewig anhalten. Einmal gesenkte Steuersätze aber bleiben niedrig. Wenn die Steuereinnahmen konjunkturell bedingt wieder abnehmen, wächst der Druck, Staatsausgaben zu kürzen.
Bestes Beispiel: Die Steuerreform 2000. Nach der umfangreichsten Steuersenkung der Nachkriegszeit - in einem wirtschaftlich schwachen Umfeld - gingen die Staatseinnahmen, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) zurück. Die Neuverschuldung wuchs und der Ruf nach Haushaltskonsolidierung führte zu massiven Ausgabenkürzungen. Die Staatsquote - der Anteil der Staatsausgaben am Bruttoinlandsprodukt sank von 48,1 % im Jahr 1999 auf 43,8 % 2008 (siehe Abbildung). Erst die Wirtschaftskrise zwang die Regierung dazu, gegenzusteuern und die Staatsquote vorübergehend wieder zu erhöhen.
Der radikale Sparkurs führte zu einem Einbruch bei wichtigen Investitionen in die öffentliche Infrastruktur. Seit 2003 sind die Bruttoanlageinvestitionen des Staates geringer als die Abschreibungen. Das heißt: Deutschland zehrt von seiner Substanz. Noch nicht einmal die Abnutzung der öffentlichen Infrastruktur wird ausgeglichen. Kein Wunder also, dass Straßen mit Schlaglöchern übersät sind, der Nahverkehr veraltet und die Kanalisation mancherorts marode ist. Allein bei der Bildung wären Mehrinvestitionen von 33 Mrd. Euro jährlich nötig - für mehr Lehrer und flächendeckende Kinderbetreuung etwa. Das Deutsche Institut für Urbanistik beziffert schon den Bedarf bei Schulgebäuden auf 73 Mrd. Euro bis 2020.
Von Steuersenkungen profitieren meist nur Wenige. Rund die Hälfte der privaten Haushalte zahlt wegen geringem Einkommen keine Lohnsteuer. Auch Normalverdiener haben nichts von etwas mehr Netto, wenn das öffentliche Schwimmbad die Eintrittspreise erhöht oder aus Geldmangel ganz schließt. Zudem ist Fiskalpolitik nur glaubwürdig, wenn im Aufschwung Steuermehreinnahmen auch zum Defizitabbau eingesetzt werden - und nicht für Steuersenkungen. Statt Steuersenkungen braucht Deutschland Steuergerechtigkeit: Vermögende, Unternehmen, Erben und hohe Einkommen müssen wieder stärker zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden. Nur so können unser Wohlstand - unsere Schulen und öffentliche Infrastruktur - gesichert und steuerliche Entlastungen für Beschäftigte finanziert werden.
DGB