Deutscher Gewerkschaftsbund

10.03.2011

Wir brauchen ein Erwachsenen-BAföG!

In kaum einem anderen Politikfeld klafft die Lücke zwischen Sonntagsreden und Wirklichkeit mehr auseinander als in der Weiterbildung. Die steigenden Anforderungen am Arbeitsplatz, die zunehmend geringere Halbwertszeit von Wissen, der drohende Fachkräftemangel – all das macht eine kontinuierliche Qualifizierung der ArbeitnehmerInnen notwendig. Das ist gesellschaftlicher Konsens.

Doch auch bei der Weiterbildung gilt das Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben. Gut ausgebildete junge Männer mit Vollzeitstellen können ihr Wissen ständig auffrischen. Wer Teilzeit arbeitet, geringfügig beschäftigt ist und keinen Schulabschluss hat, bekommt auch später die Chance zur Weiterbildung nicht mehr.

Wer einen Blick auf die Angebote in der Weiterbildung wirft, erkennt vielerlei Probleme: Es gibt zu wenig Angebote für eine längerfristige berufliche Qualifizierung, gravierende Qualitätsprobleme sowie eine hohe Intransparenz am Markt, die den individuellen und gesellschaftlichen Nutzen nicht erkennbar macht. Zudem fehlt vielen Beschäftigten, die sich an einem zunehmend deregulierten Arbeitsmarkt behaupten müssen, schlicht die nötige Zeit und das Geld für Qualifizierung.

Um die Chancen der Weiterbildung für Beschäftigte und Betriebe zu erhöhen, müssen Angebot und Nachfrage gestärkt werden. Ein neues und besseres Weiterbildungssystem kann nur vom Staat, den Tarifvertragsparteien und den Betrieben gemeinsam gestaltet werden. Nötig sind eine innovative betriebliche Weiterbildung, mehr Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen sowie ein aktive staatliche Weiterbildungspolitik.

Wenn es um eine bessere Finanzierung der Weiterbildung geht, brauchen wir einen Mix aus drei Komponenten: Erstens benötigen die Beschäftigten eine finanzielle Absicherung während der Weiterbildung. Es ist höchste Zeit, dass ein Erwachsenen-BAföG nach schwedischem Vorbild eingeführt wird. So wird es für Erwachsene leichter, ihren Bildungsabschluss später nachzuholen.

Zweitens ist eine Neujustierung der Arbeitsmarktpolitik notwendig. Die Bundesagentur setzt noch immer zu sehr auf eine „Fast-Food-Weiterbildung“ – sprich, auf kurzfristige Maßnahmen, wie ein Bewerbungs-Training. Sie sollte mehr eine abschlussbezogene und facharbeiterbezogene Weiterbildung anstreben. Hiermit sollten rund 200.000 Fachkräfte pro Jahr qualifiziert werden. Das ist eine Größenordnung, die noch vor den Hartz-Reformen erreicht wurde. Damit wäre vor allem den 1,5 Millionen jungen Menschen im Alter von 20 bis 29 Jahren geholfen, die keinen Berufsabschluss haben.

Drittens müssen wir die Betriebe mehr in die Pflicht nehmen, um die berufliche Weiterbildung ihrer Mitarbeiter zu finanzieren. Denn letztlich profitieren die Unternehmen von der steigenden Qualifizierung ihrer Belegschaften. Sie sollten daher branchenbezogene Weiterbildungs-Fonds einrichten.

Wer die Weiterbildung in Deutschland voranbringen will, muss – wie im Berufsbildungsgesetz für die Ausbildung – klare Strukturen schaffen, die für mehr Verbindlichkeit; Verlässlichkeit und Planungssicherheit für alle Beteiligten sorgen. In einem Bundesgesetz muss deshalb der Rahmen gesetzt werden für ein Recht auf Weiterbildung, für rechtlich garantierte Lernzeiten, für eine sichere Finanzierung, mehr Beratung und Transparenz, für bessere Qualitätssicherung und Zertifizierung.

Übrigens: Die Gewerkschaften engagieren sich ganz konkret für bessere Bildungschancen der Beschäftigten – zum Beispiel im Rahmen des ESF-Programms „weiter bilden“. Nicht zuletzt auf Initiative der Gewerkschaften wurden in diesem Programm in zwei Jahren 23 Qualifizierungs-Tarifverträge befördert und zehn neue Sozialpartner-Vereinbarungen zur besseren Weiterbildung der Beschäftigten abgeschlossen.


Matthias Anbuhl ist Leiter der Abteilung Bildungspolitik und Bildungsarbeit beim DGB-Bundesvorstand

Der Artikel wird in der März-Ausgabe 2011 der Erwachsenenbildung - Vierteiljahreszeitschrift für Theorie und Praxis veröffentlicht.


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