Eine neue Diskussion über die europäische Energiepolitik hat DGB-Vorstand Dietmar Hexel vor den Delegierten des 12. EGB-Kongresses in Athen gefordert. Es geht um die höchstmögliche Sicherheit für die Arbeiter in den Atomanlagen und die Sicherheit der Bevölkerung.
Auf dem 12. EGB-Kongress haben DGB, ver.di und IG BCE sich dafür eingesetzt, dass nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima in allen europäischen Gewerkschaften, der Politik und gesellschaftlichen Gruppen über die Zukunft der europäischen Energiepolitik neu diskutiert wird. DGB-Vorstandsmitglied Dietmar Hexel sagte vor den Delegierten in Athen:
„Es muss nach Fukushima über die europäische Energiepolitik neu diskutiert werden. Unabhängig davon, ob sich ein Land in seiner nationalen Souveränität für oder gegen Atomkraft entscheidet, geht es vor allem um die höchstmögliche Sicherheit für die Arbeiter in den Atomanlagen und die Sicherheit der Bevölkerung. Radioaktive Strahlung macht an den nationalen Grenzen nicht halt. Angst vor Radioaktivität beeinflusst die Lebensqualität.“
Weiter führte Hexel aus:
„Erstens muss der geplante Stresstest alle Reaktoren in Europa nach gleichem technischen Standard erfassen. Reaktoren, die den Anforderungen nicht genügen, sind abzuschalten oder nachzurüsten. Über die Ergebnisse des Stresstests muss demokratisch breit debattiert werden. Zweitens dürfen sicherheitstechnisch unzureichende Kernkraftwerke keinen Wettbewerbsvorteil haben. Die Standards müssen europaweit gleich sein und gegebenenfalls verschärft werden. Wichtig ist drittens, dass es keinerlei Repressalien gegen Arbeitnehmern gibt, die auf Risiken hinweisen. Und viertens müssen Beschäftigte von Subunternehmen in Atomanlagen unter den gleichen Bedingungen arbeiten wie die Stammbelegschaft. Das bezieht sich vor allem auf die Anwendung von Bestimmungen, die generellen Arbeitsbedingungen, die Teilnahme an Schulungen und natürlich auch die Bezahlung. Wenn in großem Maße Subunternehmen eingesetzt werden, erhöht dies im Übrigen das Risiko.“
Der Exekutivausschuss des EGB wird in seiner nächsten Sitzung die Debatte fortsetzen und eine entsprechende Position beschließen. Die Positionen der Gewerkschaften in Europa zur Atomenergie sind sehr differenziert.
Am Vortag hatte Dietmar Hexel bereits darauf hingewiesen, dass die Lebensqualität und die soziale Sicherheit besonders der Kinder und Enkel davon abhänge, ob die Klimakatastrophe gemildert werden kann:
„Alle Maßnahmen, die wir heute ergreifen oder unterlassen, wirken sich erst in etwa 30 Jahren aus. Wir müssen als Gewerkschaften im Dilemma zwischen kurzfristigen Forderungen und langfristigen Wirkungen zugunsten der Lebensqualität für alle Menschen handeln. Der heutige Wohlstand, der zudem noch ungeheuer ungleich verteilt ist, ist in den letzten 100 Jahren durch die Ausbeutung von Menschen und Natur entstanden. Während wir als Gewerkschaften gegen die Ausbeutung der Menschen erfolgreich waren, hat der Verbrauch der Natur besonders durch fossile Brennstoffen die Klimakatastrophe hervorgerufen. Die europäischen Industrieländer müssen jetzt umsteuern und vor allem eine andere Energiepolitik entwickeln.“
Hexel äußerte darüber hinaus Verständnis für die besonderen Probleme der polnischen Gewerkschaften, da die Wirtschaft in unserem Nachbarland stark von Kohle abhängig sei. Auch sei nachvollziehbar, dass in Frankreich anders über Atomenergie diskutiert werde als in Deutschland. Dennoch müsse man erkennen, dass ein Umstieg in der Energiepolitik unausweichlich sei. Die sozialen Probleme würden sonst nicht mehr beherrschbar.
„Der größte Hebel“, so Hexel abschließend, „für mehr Lebensqualität und Wohlstand bei gleichzeitigem Energiesparen liegt in der Sanierung der Gebäude und bei den regenerativen Energien. Das gilt für alle Länder Europas und schafft jede Menge Arbeitsplätze in der nationalen Wirtschaft. Allein in Deutschland lassen sich 10 % der Gesamtenergie einsparen, wenn die Gebäude besser gedämmt werden und neue Heizungs- und Lüftungssysteme bekommen“.