Deutscher Gewerkschaftsbund

07.11.2011
Chronik der Krise

Die Krise wird zur "Schuldenkrise"

Januar 2010 bis Dezember 2010

Armer Mann mit Münzen in der Hand

DGB/Dannheisig/(Best-Sabel)

Die Folgen der Wirtschaftskrise und die „Bankenrettung“ belasten die öffentlichen Haushalte. Die Spekulationen gegen die Euroländer verschlimmern die Situation zusätzlich. Als erstes Opfer der sogenannten Schuldenkrise rückt Griechenland immer weiter in den Fokus von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF).

Die notwendigen Finanzhilfen muss Griechenland teuer erkaufen: EU und IWF verlangen rigide Sparmaßnahmen. Massenproteste in Athen und anderen griechischen Städten.

12. Januar 2010

Die EU meldet erstmals, dass das griechische Haushaltsdefizit wohl noch höher ist, als das ohnehin bereits von der neu gewählten sozialdemokratischen Regierung des Landes nach oben korrigierte Defizit.

13. Januar 2010

Das Statistische Bundesamt meldet ein Minus des Bruttoinlandsprodukts von fünf Prozent im Jahr 2009.

21. Januar 2010

Vor anderthalb Jahren wurde Goldman Sachs von der US-Regierung von einer Investmentbank zwangsweise in eine reguläre Geschäftsbank umgewandelt. Jetzt meldet die Bank für 2009 höhere Milliardengewinne (aus Investmentbanking und anderen Geschäftsfeldern) als jede andere US-Bank.

3. Februar 2010

Die EU spricht erstmals über die mögliche Zahlungsunfähigkeit Griechenlands. EU-Währungskommissar Manuel Almunia stellt die Sprapläne vor, die die EU-Kommission den Griechen im Zuge eines Defizitverfahrens auferlegen will. Griechenland wird in Zukunft intensiv von der EU kontrolliert.

11. Februar 2010

Auf einem EU-Sondergipfel werden Griechenland noch keine Finanzhilfen gewährt, lediglich politische Unterstützung zugesagt.

14. Februar 2010

Es wird öffentlich, dass US-Banken Griechenland wohl jahrelang geholfen haben, seine wahre Staatsverschuldung zu verschleiern – und gleichzeitig mit den Staatsanleihen des Landes verdienten.

Anfang März 2010

Die EU-Kommission übt massiven Druck auf die griechische Regierung aus, weitere Sparmaßnahmen zu ergreifen. Während die anderen EU-Staaten die Wachstumsstrategie „Europa 2020“ beschließen, legt Griechenland ein neuerliches Sparprogramm im Umfang von 4,8 Milliarden Euro auf.

5. März 2010

Erste Massenproteste in Griechenland.

7. März 2010

Die Bundesregierung beschließt die Einführung einer Bankenabgabe, mit der die Institute sich am Aufbau eines Fonds zur Bewältigung künftiger Krisen beteiligen sollen. Der geschätzte jährliche Umfang von knapp über einer Milliarde Euro entspricht aber nicht einmal einem Prozent der Summe, die allein zur Rettung der Hypo Real Estate aufgebracht werden musste.

8. März 2010

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) schlägt einen Europäischen Währungsfonds vor, um Krisen von Euroländern zu bewältigen.

15. März 2010

Verhandlungen der Euro-Länder über eine Griechenland-Rettung. Frankreich äußerst öffentlich Kritik an Deutschland, dass mit seinem Außenhandelsüberschuss die Krisen in anderen Ländern mitverursacht habe.

19. März 2010

Nachdem mehrere Euro-Staaten betont hatten, die Europäischen Verträge sähen die Möglichkeit von Finanzhilfen für andere Staaten vor, fordert EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso die EU-Staaten auf, Griechenland bilaterale Kredite anzubieten.

24. März 2010

Die Ratingagentur Fitch stuft die Kreditwürdigkeit Portugals herab.

26. März 2010

Die verstaatlichte Hypo Real Estate meldet für 2009 einen Verlust von über zwei Milliarden Euro.

11. April 2010

Wie von EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso vorgeschlagen besteht das Rettungspaket der Euroländer für Griechenland aus mehreren bilateralen Krediten in Höhe von insgesamt 30 Milliarden Euro.

22. April 2010

Eurostat berechnet das griechische Staatsdefizit mit 13,6 Prozent wesentlich höher als bisher angenommen.

25. April 2010

Kaum ist das erste Hilfspaket für Griechenland auf dem Weg, diskutieren mehrere Euro-Staaten öffentlich darüber, dass die bereit gestellten Gelder bei weitem nicht ausreichen werden.

30. April 2010

Deutsche Banken und Versicherungen kündigen an, sich auf freiwilliger Basis an weiteren Hilfen für Griechenland beteiligen zu wollen, um so weitere Forderungen nach Zwangsabgaben zu umgehen.

11. Mai 2010

Die Bundesregierung beziffert den Anteil der staatlichen Hilfen zur Bankenrettung an der gestiegenen Staatsverschuldung auf mindestens rund 100 Milliarden Euro.

18. Mai 2010

Die EU-Finanzminister einigen sich gegen den Protest Großbritanniens darauf, dass sich Hedgefonds künftig in Europa registrieren lassen müssen und ihre Anlagestrategien offenlegen. Auf eine echte Regulierung einigen sie sich nicht. Mit dieser gemeinsamen Position wollen die EU-Länder in die Verhandlungen mit den EU-Parlament über neue Regeln für Hedgefonds gehen.

21. Mai 2010

Bundestag und Bundesrat billigen die deutsche Beteiligung am Euro-Schutzschirm der insgesamt Kreditzusagen von 750 Milliarden Euro garantiert.

24. Mai 2010

Spanien unter Druck: Das Land wir vom Internationalen Währungsfonds ermahnt, seinen Haushalt zu sanieren und Reformen anzugehen.

14. Juni 2010

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel schlagen auf einem gemeinsamen Gipfel erstmals eine gemeinsame europäische Wirtschaftsregierung vor.

17. Juni 2010

Griechenland setzt auf internationalen Druck eine weitere Maßnahme durch, die angeblich die Schuldenkrise mindern soll: eine Lockerung des Kündigungsschutzes.

26. Juni 2010

Auf einem Gipfel der G8 gibt es weder eine Einigung zur Finanztransaktionssteuer noch zur Bankenabgabe. Die deutsche Opposition bezweifelt die Ernsthaftigkeit der entsprechenden Vorstöße von Angela Merkel.

2. Juli 2010

Die schwarz-gelbe Koalition bringt ein Gesetz durch den Bundestag, das ungedeckte Leerverkäufe verbietet. Gedeckte Leerverkäufe bleiben aber erlaubt, außerdem ist das Gesetz auf Deutschland beschränkt und international nicht abgestimmt.

12. Juli 2010

Die OECD kritisiert, dass Deutschland jährlich auf Milliarden Euro Steuereinnahmen von den im Land ansässigen Banken verzichte, weil zahlreiche Steuerschlupflöcher existieren und zu wenig Steuerkontrollen stattfinden.

21. Juli 2010

Die US-Regierung unter Präsident Barack Obama bringt doch noch eine entschärfte Fassung ihrer Finanzmarktreform durch, nachdem diese in 2009 noch gescheitert war. Unter anderem erlaubt das Gesetz der Regierung Konzerne zu zerschlagen, wenn sie zur Gefahr für die Gesamtwirtschaft werden. Banken, die staatliche Hilfen in Anspruch nehmen, dürfen außerdem nur sehr begrenzt Investmentbanking betreiben.

22. Juli 2010

Auch in diesem Jahr fallen die deutschen Banken durch den Anlageberatungstest der Stiftung Warentest – manche Banken halten sich nicht einmal an die gesetzlichen Minimalvorschriften. Die Testergebnisse sind seit 2009 sogar noch schlechter geworden.

24. Juli 2010

Sieben der 91 Banken, die am europäischen Banken-Stresstest teilgenommen haben, fallen durch – von den deutschen Banken erwartungsgemäß die inzwischen verstaatlichte Hypo Real Estate.

29. Juli 2010

Laut Bundesagentur für Arbeit ist der Anstieg der Arbeitslosigkeit deutlich zurückgegangen und nicht mehr konjunkturell, sondern lediglich saisonal bedingt.

5. August 2010

Die so genannte „Troika“ bestehend aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) hat erstmals Griechenlands Reform- und Sparfortschritte „geprüft“ – die zweite Tranche des Hilfspakets wird ausgezahlt.

Ende August 2010

Während die Europäer mit rigiden Sparkursen aus der Krise heraus wollen, setzen Japan und die USA auf Konjunkturimpulse: Die US-Notenbank stützt die Konjunktur mit „frischem Geld“ und die japanische Regierung setzt auf ein weiteres milliardenschweres Konjunkturpaket.

1. September 2010

Die Bundesregierung beschließt ein Sparpaket, das den Haushalt mittelfristig um rund 80 Milliarden Euro entlasten soll. Allein ein Drittel des Pakets bezahlen Hartz IV-EmpfängerInnen: Ihnen wird das Elterngeld und der Rentenzuschuss gestrichen. Ein weiterer Teil des Pakets, die Brennelementesteuer für AKW-Betreiber, ist Teil des Deals für die Verlängerung der AKW-Laufzeiten.

Anfang September 2010

Die EU-Finanzminister bestätigen ein von EU-Parlament und EU-Mitgliedsstaaten ausgehandeltes Konzept: Drei neue europäische Finanzaufsichtsbehörden werden geschaffen – eine für Banken, eine für den Wertpapierhandel und eine für Versicherungen. Außerdem soll es einen „Risiko-Rat“ geben, der die langfristige Entwicklung der Finanzmärkte überwacht.

1. Oktober 2010

Die „Bad Bank“ für die verstaatlichte Hypo Real Estate (HRE) übernimmt erste „faule Papiere“ der HRE.

6. Oktober 2010

Eine Studie der Postbank ergibt, dass jeder fünfte Deutsche wegen der Krise seine private Altersvorsorge gekürzt oder aufgelöst hat. Die Ratingagentur Fitch stuft die Kreditwürdigkeit Irlands herunter.

11. Oktober 2010

Neue Korrektur der Zahlen zum griechischen Staatsdefizits: Jetzt errechnet die EU nach erneuter Überprüfung 15,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

19. Oktober 2010

Bei einem Treffen der EU-Finanzminister zur Regulierung von Hedge Fonds einigen sich die EU-Staaten auf neue Zulassungsregeln. Die Fonds müssen für eine Registrierung in Europa ihre Anlagestrategien offen legen – auf weitere Regeln können sich die MinisterInnen nicht verständigen.

Ende Oktober 2010

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) meldet medienwirksam unter drei Millionen Arbeitslose und damit das Ende der Krise am Arbeitsmarkt. Kritik an den Zahlen wird laut, da die tatsächliche Arbeitslosenzahl weit höher liegt.

11. November 2011

Griechenlands Regierung gibt bekannt, dass das Land die selbst gesetzten Sparziele knapp verfehlt hat.

Mitte November 2010

Der G20-Gipfel in Seoul bringt keinerlei Fortschritte für eine Finanzmarktregulierung. Der Gipfel streitet hauptsächlich über die unterschiedlichen Strategien der westlichen Länder: die Konjunkturpolitik der USA und die Sparpolitik der Europäer.

18. November 2010

Die griechische Regierung veröffentlicht den Haushaltsplan für 2011. Er enthält noch wesentlich mehr Sparmaßnahmen als bisher bekannt.

21. November 2010

Irland beantragt als erstes Euroland Hilfen aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM, erster „Euro-Rettungsschirm“ von EU und IWF) – insgesamt werden über 80 Milliarden Euro bereitgestellt.

26. November 2010

Portugal stellt einen massiven Sparhaushalt für 2011 vor.

1. Dezember 2010

Sparprogramm in Spanien: Anteile an staatlichen Unternehmen werden verkauft.

12. Dezember 2010

Luxemburg macht einen Vorstoß zur Einführung von Eurobonds. Die Bundesregierung lehnt den Vorschlag ab.

31. Dezember 2010

Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik ist innerhalb eines Jahres der öffentliche Schuldenstand so stark gestiegen – um insgesamt 300 Milliarden Euro. Im Februar 2011 wird das Statistische Bundesamt Zahlen veröffentlichen, die zeigen, dass über drei Viertel dieser Summe (rund 240 Milliarden Euro) allein für die Bankenrettung ausgegeben wurden.


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