Deutscher Gewerkschaftsbund

20.12.2017
SmartUnion

Darum ist Microsoft Office 365 ein Fall für den Betriebsrat

DGB-Rechtsexperte: „Einsatz von Microsoft Office 365 ist mitbestimmungspflichtig“

Mehr Effizienz durch umfassende Leistungskontrolle im Job? Mit einem neuen Add-on für die Bürosoftware Microsoft Office 365 können Arbeitgeber die Leistung ihrer MitarbeiterInnen detailliert analysieren. Aus Sicht des DGB ist der Einsatz der Software im Betrieb zwingend mitbestimmungspflichtig.

Microsoft

Die Deutschland-Zentrale von Microsoft in München-Schwabing Microsoft

Früher war Microsoft Office nur auf dem lokalen Computer installiert. Alle Dokumente wurden auf dem eigenen Laufwerk gespeichert und maximal auf dem hausinternen Server gesichert. Diese Zeiten sind mit Microsoft Office 365 vorbei. Denn anders als die althergebrachte Version kann Office 365 in der Cloud betrieben werden – also auf einem zumeist externen Server. E-Mails, Telefonverbindungen, Termine, Dokumente und ein eigenes soziales Netzwerk für den internen Firmengebrauch: Alle Softwarekomponenten können zu Office hinzugebucht und in die „Wolke“ verlagert werden.

Überwachung der Beschäftigten

Der Betrieb in der Cloud hat viele Vorteile: Texte, Tabellen, Projekte können von allen Beschäftigten bearbeitet werden. Es braucht keinen Schreibtisch mehr, denn durch die Cloud-Anbindung sind alle Dateien, E-Mails, Termine und Kontakte jederzeit und überall verfügbar. Außerdem sind die Anwendungen auf jedem Endgerät nutzbar, ob mobil oder am stationären PC.

Doch Datenschützer warnen: Die Software erlaubt auch, dass Arbeitsprozesse überwacht werden. Wie lange wurde am Dokument X gearbeitet, wer hat wem eine E-Mail geschrieben, wann wurde geantwortet? Für viele Arbeitgeber sind das interessante Daten.

Einsatz von Office 365 ist mitbestimmungspflichtig

Mit dem neuen Add-on Workplace Analytics will Microsoft die Analyse der Daten noch einfacher für Arbeitgeber machen. Microsoft bewirbt das Add-on mit den Worten: „Entfesseln Sie das Potenzial Ihrer Mitarbeiter mit Workplace Analytics.“ Für Ralf-Peter Hayen, DGB-Rechtsexperte für betriebliche Mitbestimmung, muss der Einsatz von Office 365 vom Betriebsrat „abgesegnet“ werden: „Betriebsräte müssen vor Einführung oder gar Anwendung der Software im Betrieb mitbestimmen. Der Arbeitgeber muss vor der Installation detailliert Auskunft geben, ob und wie er die erfassten Daten nutzen will. Die Mitbestimmung dient dem Schutz des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.“

Unterlassung und Zwangsgeld

Geschehe dies nicht, könne der Betriebsrat im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens vor dem Arbeitsgericht eine Unterlassung dieser einseitigen Maßgabe des Arbeitgebers verlangen und die Nutzung dieser Software stoppen, so Hayen. Zudem kann dem Arbeitgeber auf Antrag des Betriebsrats ein Zwangsgeld angedroht werden, bis dieser die nötige Zustimmung durch den Betriebsrat eingeholt hat oder ein eingeleitetes Einigungsstellenverfahren abgeschlossen ist. „Die Höhe des anzudrohenden Zwangsgeldes kann in das Ermessen des Arbeitsgerichts gestellt werden.“ Im Betriebsverfassungsgericht ist klar geregelt, dass der Betriebsrat mitbestimmen muss, wenn technische Einrichtungen eingeführt und angewendet werden, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen (§ 87 Absatz 6 BetrVG).

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Einsatz gegen „Low-Performer“

Marc-Oliver Schulze ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei „AfA Rechtsanwälte“ und berät Betriebsräte unter anderem zum Umgang mit Office 365. Er warnt: „Workplace Analytics ist nicht nur aus datenschutzrechtlicher Sicht höchst bedenklich.“ Der Arbeitgeber könne zwar ein berechtigtes Interesse daran haben, die Leistung seiner Arbeitnehmer zu beurteilen – die weitreichenden Möglichkeiten, die das Tool bietet, dürften jedoch in den allermeisten Fällen unzulässig sein, meint Schulze. Kritisch sei vor allem die Möglichkeit, Kennziffern über Leistung und Verhalten nicht nur abstrakt – also ohne Personenbezug – einzusehen, sondern eine detaillierte, dauerhafte und nahezu lückenlose Auswertung des Verhaltens Einzelner zu ermöglichen. Durch die Möglichkeit, Daten miteinander abzugleichen und in Beziehung zueinander zu setzen, sei es etwa möglich, Bewegungsprotokolle der Mitarbeiter zu erstellen. So kann unter anderem erfasst werden, wie lange ein Mitarbeiter für das Schreiben einer E-Mail benötigt, ob er während eines im Kalender eingetragenen Meetings E-Mails versendet hat und wie oft Terminkollisionen aufgetreten sind. Anhand dieser Werte kann der produktivste Mitarbeiter herausgefiltert und als Maßstab für die Kollegen festlegt werden. Oder vermeintliche „Low-Performer“ können so vom Arbeitgeber „aussortiert“ werden, warnt Schulze.

Betriebsverfassungsgesetz
§ 87 Mitbestimmungsrechte

"Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, [...] mitzubestimmen bei Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen"

Datenmanipulation vorbeugen

Der Fachanwalt rät Betriebsräten in einer Betriebsvereinbarung sicherzustellen, dass die Sicherheit der Daten gewährleistet ist und Datenverlust und –manipulation effektiv vorgebeugt wird. Zudem gilt: „Will ein Unternehmen Office 365 in der Cloud-Version einführen, muss es mit Microsoft einen Vertrag über die Auftragsverarbeitung schließen.“ Darin müssen die in der Datenschutz-Grundverordnung (§ 28 Abs. 3 DSGVO) genannten Rechte und Pflichten geregelt sein. Der Betriebsrat sollte außerdem auf Regelungen bestehen, die ihm das Recht einräumen, beim Anbieter selbst Auskunft und Einsicht zu verlangen. Die ArbeitnehmervertreterInnen sollten sicherstellen, dass nicht jede „technisch mögliche aber zwecküberschießende Datenverarbeitung erfolgt“.

Betriebsvereinbarung: Einführung Microsoft Office 365

Eine Betriebsvereinbarung ist der Weg, um festzulegen, was MS Office 365 im Unternehmen bringen soll. Die Hans-Böckler-Stiftung sammelt Betriebsvereinbarungen. Hier ist ein Beispiel, wie diese aussehen kann.

Zwei Drittel der Dax-Konzerne nutzen Office 365: Corona-Pandemie treibt digitale Lösungen voran

Laut Microsoft wird Office 365 in Deutschland von Unternehmen jeder Größe und Branche genutzt. „Mehr als zwei Drittel der DAX-30-Konzerne vertrauen auf die Microsoft Cloud, innovative Mittelständler, traditionelle Familienunternehmen und junge Startups ebenso“, teilte Microsoft 2017 mit. Seit Januar gibt es auch eine eigens für den deutschen Markt konzipierte Office 365-Variante. Die Daten werden auf deutschen Servern gelagert. Das soll zumindest vor dem Zugriff durch US-Behörden schützen. Seitdem durch die Corona-Pandemie im März 2020 weltweit Millionen Menschen ins Home Office geschickt wurden, stieg etwa die Popularität von Microsoft Teams, dem Videokonferenz-Tool im Office 365-Paket, um 53 Prozent auf 115 Millionen tägliche NutzerInnen an. Und nicht nur dort: Auch an Schulen sollte die Software mit Beginn der Pandemie zum Einsatz kommen, damit LehrerInnen ihre Schüler im Home Schooling erreichen. Auf netzpolitik.org schrieb Experte und Rechtsanwalt Oliver Rosbach dazu: „Aufgrund der Verletzungen des Datenschutzrechts ist eine Nutzung von Office 365 unter den festgestellten Umständen weder für Lehrer*innen noch für Schüler*innen und Eltern anzuraten.“

Update: 21. Dezember 2020

Microsoft Office 365: Analyse nach Protest entschärft

Doch die Debatte um den Datenschutz von Microsoft Office 365 ist nicht zu Ende: Nachdem es 2020 scharfe Kritik von Datenschützern gab, hat Microsoft einige Funktionen zur Datenanalyse von Beschäftigten im Office-Paket wieder eingeschränkt. Eine gute Nachricht in Zeiten des Home Office.

Die Corona-Krise war und ist für Microsoft lukrativ. Viele Unternehmen mussten kurzfristig auf Software aus dem Microsoft Office 365-Paket zurückgegriffen, damit ihre MitarbeiterInnen auch im Home Office arbeiten konnten. Neben den gewohnten Büro-Anwendungen wie Word oder Excel, bietet MS Office 365 viele verschiedene weitere Module (u.a. Konferenz-Tools) an. Im Zuge einer sogenannten Produktivitätsbewertung konnten ArbeitgeberInnen seit Anfang November ablesen, in welchem Ausmaß einzelne Angestellte Microsoft-Dienste wie E-Mail, Chat oder Teams nutzen. Damit hätten Arbeitgeber ihre MitarbeiterInnen im Home Office überwachen können – in Deutschland wäre diese Nutzung sowieso nicht erlaubt. Der österreichische Forscher und Datenschützer Wolfie Christl hatte auf ein Werbe-Video des US-Konzerns auf Twitter hingewiesen und damit die Debatte ausgelöst. Das vorläufige Ende: Künftig sollen keine Daten mehr zu individuellen NutzerInnen ausgelesen werden können.


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