Deutscher Gewerkschaftsbund

21.03.2012
klartext 11/2012

Finanznot der Kommunen: Können Städte pleite gehen?

Bislang galten Kommunen als sichere Kreditnehmer. Doch seit der Griechenlandkrise schwindet das Vertrauen der Banken in die Kreditwürdigkeit der hochverschuldeten Städte und Gemeinden. Diese brauchen dringend neue Einnahmequellen, um handlungsfähig zu bleiben. Der klartext.

„Oberhausen zum Ersten, Oberhausen zum Zweiten – wer bietet mehr? – Oberhausen zum Dritten. Damit fällt die insolvente Stadt im westlichen Ruhrgebiet an die Sparkasse.“ Der Auktionator lächelt aufmunternd: „Ihre Kredite sind perdu. Aber vielleicht können Sie ja das Schloss und das Rathaus versilbern. Oder die Geburtsstadt Schlingensiefs als Kulturzentrum vermarkten.“

Droht dieses Szenario? Können Städte pleite gehen? Bis dato galten Kommunen als absolut sichere Kreditnehmer – für die im Zweifel die Bundesländer hafteten. Doch seit der Griechenlandkrise und dem Schuldenschnitt können sich die Banken offenbar vorstellen, dass auch Kommunalkredite ausfallen – für unüberwindlich halten sie die inzwischen aufgetürmten Schuldenberge. Die kommunale Finanznot ist strukturell sowie chronisch. Mit insgesamt 124 Milliarden Euro stehen Deutschlands Städte bei den Banken in der Kreide – in Oberhausen beträgt die pro-Kopf-Verschuldung aktuell fast 10.000 Euro. Insbesondere die Sozialausgaben schlagen zu Buche. Da sind auch die derzeit konjunkturell bedingt sprudelnden Gewerbesteuereinnahmen nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Die Kämmerer kommen zwar noch leicht an kurzfristige Kredite, da die Europäische Zentralbank die Banken mit billigem Geld versorgt hat. Aber für längerfristige Verschuldungen bleiben die Angebote der Banken aus. Die Deutsche Bank droht neuerdings mit Ratings für Kommunen als Gradmesser für die Kreditwürdigkeit. Die vermeintliche Lösung liefert sie gleich mit: Ganz neue Kreditgeber und Finanzierungsmodelle seien von Nöten – Anleihen oder Schuldscheine für Kommunen, in die etwa Pensionskassen, Fonds oder Versicherer investieren könnten. Sprich: Kommunen sollen am Kapitalmarkt zocken. Als hätten sie mit Geldgeschäften z. B. der Deutschen Bank nicht schon genug Ärger gehabt.

Grafik: Zehn Kommunen mit ihrer Pro-Kopf-Verschuldung

Angaben gelten für nur kreisfreie Städte, Schulden der kommunalen Kernverwaltung und der rechtlichen selbstständigen Auslagerungen, jeweils zum 31.12.2009. Grafik: DGB; Zahlen: TU Kaiserslautern

Wie aber kann man Kommunen sinnvoll entlasten, damit sie ihre Aufgaben in der öffentlichen Daseinsvorsorge erfüllen können? Sie brauchen neue Einnahmen aus einer verbesserten Gewerbesteuer – der Gemeindewirtschaftssteuer. Es ist nicht einzusehen, warum Handwerker zur Kasse gebeten, Freiberufler wie Ärzte oder Anwälte aber geschont werden. Bund und Länder könnten ihre Steuerausfälle kompensieren, indem sie mehr Betriebsprüfer einsetzen und den Steuervollzug endlich ernster nehmen. Zudem würde die Anhebung der Spitzensätze bei der Einkommensteuer und die Wiedereinführung der Vermögensteuer den Ländern und vermittelt auch den Kommunen

Auch über durchdachte Rekommunalisierungen ehemals städtischer, dann (teil)privatisierter Unternehmen oder ausgelagerter Dienstleistungen gewönnen Kommunen finanziell und politisch größere Handlungsspielräume. Sie können bedarfsnah die nötige umwelt- und bewohnergerechte Versorgung mit öffentlichen Dienstleistungen planen. Sie arbeiten kostendeckend und streben nicht nach Extra-Profiten. Wenn Überschüsse entstehen, können sie in die kommunale Infrastruktur reinvestiert werden. Und so behielte Oberhausen sein Rathaus.


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