Wer ein Jahr gearbeitet hat, bekommt in Belgien so lange Arbeitslosengeld, bis er wieder einen Job hat - egal, wie lange das dauert. In der Slowakei dagegen geht er leer aus. Diese großen nationalen Unterschiede sind auch für uns ein Problem - denn sie bedrohen die Sicherheit und Stabilität in Europa.
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Die Arbeitslosenzahlen in Europa steigen, zuletzt von 6,7 auf 9 Prozent. Das ist alarmierend: Wenn nicht gegengesteuert wird, wird dieser Anstieg zu mehr Armut und sozialer Ausgrenzung führen - und zwar in ganz Europa. Auffallend sind jedoch die großen regionalen Differenzen zwischen den einzelnen Mitgliedsländern. Sie sind auch auf die qualitative Unterschiede in den sozialen Sicherungssystemen zurückzuführen.
Beitragsfinanzierte Arbeitslosenversicherungssysteme existieren in allen EU-Mitgliedstaaten und können nach bestimmten Anwartschaftszeiten in Anspruch genommen werden. In den meisten Fällen bemisst sich die Leistungshöhe nach Einkommenshöhe und Beschäftigungsdauer. Einige EU-Mitgliedstaaten bieten den Bürgerinnen und Bürgern nach Ablauf der Leistungsdauer zusätzlich eine Art Arbeitslosenhilfe an. Die Unterschiede in der Ausgestaltung der Arbeitslosensysteme zwischen den Mitgliedstaaten, wie etwa die Höhe der Leistungen und die Bezugsdauer, sind allerdings beachtlich.
In der Slowakei zum Beispiel gab es nach einjähriger Beschäftigung keinen Anspruch auf Arbeitslosenleistungen (es mussten mindestens 2 Jahre Beiträge in einer Periode von 4 Jahren geleistet werden), während in Belgien die Dauer des Leistungsbezugs unbegrenzt ist.
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Auch wenn die EU im Zuge der Corona-Pandemie zügig Hilfsprogramme und Sofort-Instrumente zur finanziellen Unterstützung in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit vorgelegt hat, muss es nun darum gehen, Maßnahmen zu ergreifen, die langfristig Menschen sozial absichern – und zwar überall in Europa. Jede EU-Bürgerin und jeder EU-Bürger muss in Notlagen wie Arbeitslosigkeit ein Leben in Würde führen können. Überdies ist nachgewiesen, dass diejenigen EU-Mitgliedstaaten mit soliden sozialen Sicherungssysteme wirtschaftlich besser durch die Finanzkrise von 2008/2009 gekommen sind.
Es gibt also viele gute Gründe, um für stabile Arbeitslosensysteme überall in Europa zu sorgen. Merkmale der Arbeitslosenversicherungssysteme, wie etwa die Bezugsdauer, die Höhe der Leistungen und die Verbindung mit Weiterbildungsmaßnahmen sollten dabei gewisse Qualitätsstandards erfüllen. Da man die nationalen Arbeitslosensysteme nicht auf europäischer Ebene harmonisieren kann – dafür sind sie historisch viel zu tief verwurzelt – schlägt der DGB die Einführung europäischer Mindeststandards vor.
Man setzt also auf europäischer Ebene gewisse „Qualitätskriterien“ fest (angemessene Bezugsdauer und Leistungshöhe, Recht auf Weiterbildung usw.), die in keinem Mitgliedstaat unterschritten werden dürfen. Wie die Systeme ausgestaltet sind, bleibt aber weiterhin den Mitgliedstaaten überlassen.
Damit würde man die Arbeitslosensysteme in allen Mitgliedstaaten stärken, so dass einerseits die europäischen Bürgerinnen und Bürger in Notlagen nicht in Armut fallen und andererseits alle Mitgliedstaaten für zukünftige Krisen besser gewappnet sind.