Wenige besitzen sehr viel: Fast zwei Drittel des Vermögens in Deutschland gehört laut Oxfam-Verteilungsbericht dem reichsten Zehntel der Bevölkerung. Gleichzeitig arbeiten immer mehr Menschen im Niedriglohnsektor. Öffentliche Investionen in Bildung und Infrastruktur wären Mittel gegen die wachsende Ungleichheit, schreibt der DGB-klartext. Und eine Steuerpolitik, die vor Super-Reichen nicht zurückschreckt.
Colourbox
„Ein Europa für alle“ fordert der neue Verteilungsbericht, den die Entwicklungsorganisation Oxfam dieser Tage veröffentlich hat. Er kommt zu dem Schluss, dass die Ungleichheit in Europa erheblich zunimmt und in Deutschland besonders ausgeprägt ist. Mehr denn je gilt es, diesen Trend endlich umzukehren und die Interessen der Mehrheit zu berücksichtigen.
Der Bericht weist auf die enorme Vermögenskonzentration hin, wonach die reichsten zehn Prozent in Deutschland über 63 Prozent des Gesamtvermögens verfügen. Mit Ausnahme Österreichs ist sonst nirgends in Europa eine höhere Konzentration zu beobachten. Diese Ungleichheit ist hauptsächlich durch Schenkungen und Erbschaften verursacht. Seit 1960 hat sich das vererbte Vermögen gemessen am Nationaleinkommen mehr als verfünffacht.
DGB/Zahlen: http://piketty.pse.ens.fr/en/capital21c2
Zurückzuführen ist dieser Anstieg auch auf zunehmende Steuerprivilegien bis hin zur völligen Steuerfreiheit für Erbschaften und hohe Vermögen. So verstößt das deutsche Erbschaftsteuerrecht trotz mehrerer eindeutiger Urteile des Bundesverfassungsgerichtes seit 30 Jahren gegen das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes. Reichtum begründet sich somit in erster Linie durch die Verwandtschaft und weniger durch eigene Leistung. Eine zunehmend durch Familiendynastien dominierte Wirtschaft und Gesellschaft wird – gerade in Deutschland – immer offensichtlicher.
Ebenso kommt es bei den Einkommen zunehmend zu einer Spreizung zwischen sinkenden Löhnen am unteren Ende und enormen Zuflüssen im obersten Einkommensbereich. Besonders dramatisch entwickelte sich dieser Unterschied seit der Jahrtausendwende. Ebenso besteht nach wie vor eine sehr hohe Einkommenskluft zwischen Frauen und Männern. Die Unterschiede sind vor allem auf die Zunahme prekärer Beschäftigung, wie Teilzeit- und Leiharbeit sowie befristete Beschäftigung zurückzuführen. Dies begünstigte die Ausweitung des Niedriglohnsektors. Rund 39 Prozent der Beschäftigten hatten im Jahr 2014 Teilzeit- oder Leiharbeitsverträge.
Auch ist hierzulande die soziale Herkunft viel bedeutender für den Bildungserfolg der Kinder als in allen anderen europäischen Ländern. Der Geldbeutel der Eltern entscheidet über Abschluss und Beruf. Die sozialen Schichten verfestigen sich.
Aber auch in anderen europäischen Ländern nimmt die Spaltung in arm und reich zu. Ohne einen grundlegenden Kurswechsel ist absehbar, dass sie sich wegen der verordneten Schrumpfungsprogramme in den Krisenstaaten weiter vertiefen wird. Denn gerade Einkommensschwächere, wie Jugendliche und Rentner, leiden enorm unter den Lohn- und Rentenkürzungen, massenhaften Entlassungen und Streichungen im Sozial- und Gesundheitssystem.
Doch es gibt Alternativen. Mit mehr Ausgaben für öffentliche und soziale Dienstleistungen, Investitionen in Infrastruktur und Bildung und einer Besteuerung, die auch vor Super-Reichen nicht zurückschreckt, würde europaweit die Ungleichheit abnehmen, Armut bekämpft und gesellschaftlicher Fortschritt ermöglicht. Dafür setzen sich DGB und Oxfam ein.