Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Grundsätzlich sind Arbeitgeber verpflichtet, ihre Beschäftigten vor einer Infektion zu schützen und die dafür erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen (u.a. § 618 BGB). Welche Maßnahmen konkret erforderlich und geeignet sind, hängt von der Tätigkeit und den damit verbundene Risiken aber auch den gesetzlichen Regelungen ab sowie auch von der individuellen Situation des Einzelnen ab. Hier sind einige der wichtigen Anforderungen an Arbeits- und Gesundheitsschutz in und nach Corona zu finden. Die Einhaltung der Vorgaben zum Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz kann und muss von den Aufsichtsbehörden kontrolliert werden.
Rechtlich besteht bei Nichteinhaltung zwingend geltender Arbeitsschutzregelungen zwar die Möglichkeit, die Arbeit einzustellen bzw. zu verweigern und trotz alledem die Vergütung weiter zu erhalten. Ob dieses so genannte Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB im konkreten Fall bei der COVID19-Epidemie allerdings im Einzelfall tatsächlich besteht, ist immer eine Frage des Einzelfalls und kann hier nicht allgemeingültig beschrieben werden. Dabei ist die Verfassung des einzelnen Arbeitnehmers und die Situation am Arbeitsplatz im jeweils konkreten Fall zu berücksichtigen. Der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts muss vorsorglich auf jeden Fall eine Aufforderung des Arbeitgebers zur Einhaltung der Arbeitsschutzregeln vorausgehen. In jedem Fall sollten sich Beschäftigte vor Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts auch rechtlich beraten lassen. Denn mit der Ausübung des Leistungsverweigerungsrecht sind häufig Sanktionen durch den Arbeitgeber verbunden, die bei einer unrichtigen Ausübung auch rechtmäßig sein können, so z.B. die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen unberechtigter Arbeitsverweigerung. Der Rechtsschutz der Gewerkschaften ist für Gewerkschaftsmitglieder da und berät zu diesen schwierigen rechtlichen Fragen.
Wir empfehlen, hier auch den Betriebsrat – sofern vorhanden - einzuschalten, der nach § 87 I Nr. 7 BetrVG grundsätzlich ein Mitbestimmungsrecht bei den Fragen des Gesundheitsschutzes hat. Bei der Entscheidung, welche Schutzvorkehrungen bei der Ausübung einer bestimmten Tätigkeit und unter Berücksichtigung des Gesundheitszustands zu treffen sind, ist der Betriebsarzt sowie die Berufsgenossenschaft die richtigen Ansprechpartner.
Ob trotz der im Betrieb eingeführten Hygieneregeln/Arbeitsschutzregeln einzelne besonders vorbelastete Arbeitnehmer der Arbeit fernbleiben dürfen, muss individuell bewertet und entschieden werden. Für das sog. Leistungsverweigerungsrecht (§ 275 Abs. 3 BGB) muss die Arbeit für den Betroffenen eine erhebliche objektive Gefahr oder zumindest einen ernsthaft objektiv begründeten Verdacht der Gefährdung für Leib oder Gesundheit darstellen. Ob das im Einzelfall so ist, sollte nicht ohne ärztliche und rechtliche Beratung entschieden werden.
Angesichts der weiter zunehmenden Corona-Fälle und der flächendeckenden Schließung von Kindertagesstätten, Schulen, Restaurants, Geschäften, usw. stellen sich zahlreiche Fragen für Unternehmen, Beschäftigte und ihre Interessenvertretungen. So stehen z.B. Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Deutschland vor akuten Betreuungsproblemen und potenziell auch vor Einkommensunsicherheiten. Ungewiss ist z.B. auch die Situation derjenigen Beschäftigten, deren Betriebe vor den behördlich angeordneten Schließungen erfasst sind, also Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in Kindergärten, Schulen, Universitäten, Kultur- und Sporteinrichtungen, Gaststätten, im Handel und der Unterhaltungsindustrie beschäftigt sind. Die existierenden gesetzlichen Regelungen sind nur bedingt geeignet, angemessene Lösungen bereit zu stellen. Sie sind auf ein derart flächendeckendes Ereignis nicht ausgerichtet. Es bedarf in einigen Punkten daher dringend flächendeckender politischer Lösungen. Die unterstehenden Ausführungen bieten eine grobe Orientierung zu im Kontext Corona auftretenden arbeitsrechtlichen Fragestellungen.
Eine einfache Antwort gibt es nicht. Es ist zwischen verschiedenen Situationen zu unterscheiden:
Es gibt grundsätzlich keine Pflicht, dem Arbeitgeber oder den Arbeitskolleg*innen die ärztliche Diagnose offenzulegen. Der bzw. die Beschäftigte ist lediglich verpflichtet, dem Arbeitgeber die eigene Arbeitsunfähigkeit anzuzeigen und ihre voraussichtliche Dauer mittels Attest nachzuweisen. Es steht Ihnen natürlich frei, Ihrem Arbeitgeber und den Kolleg*innen trotzdem den Grund Ihrer Arbeitsunfähigkeit mitzuteilen, zum Beispiel um sie zu warnen.
Der neue Corona-Virus unterliegt allerdings nach dem Infektionsschutzgesetz der behördlichen Meldepflicht. Das bedeutet, dass bei einer Diagnose dieses Erregers, der Arzt bzw. die Ärztin unverzüglich unter Angabe von persönlichen Daten der/des Erkrankten dies dem zuständigen Gesundheitsamt mitteilen muss. Dieses verfügt über weitreichende Kompetenzen, die Maßnahmen zur Bekämpfung der Erkrankung – darunter auch im Betrieb des Arbeitgebers - einzuleiten. Nach der Corona-Meldeverordnung müssen die Ärzt*innen nicht nur die tatsächlichen Erkrankungsfälle von Corona, sondern auch Verdachtsfälle den zuständigen Behörden melden.
Mein Arbeitgeber möchte mich auf Dienstreise schicken, ausgerechnet in eine Gegend, über die bekannt ist, dass dort viele an Corona erkranken. Muss ich dorthin reisen?
Die Arbeitspflicht kann sich grundsätzlich auch auf Dienstreisen erstrecken, etwa dann, wenn dies ausdrücklich im Arbeitsvertrag vereinbart wurde oder die Art der Tätigkeit bzw. die Arbeitsaufgaben Reisetätigkeit erfordern. Dienstreisen sowohl im In- wie auch Ausland sind auch während der Pandemie grundsätzlich möglich. Sie unterliegen nicht der neulich beschlossenen 15-km-Beschränkung für Hotspots im Inland, bei Reisen in ausländische Risikogebiete sind allerdings die aktuellen Quarantänebestimmungen bei Rückreise nach Deutschland zu beachten.
Die Tatsache, dass Dienstreisen generell möglich sind, bedeutet nicht, dass eine entsprechende Anordnung in jedem Fall auch zulässig ist. Denn die Anordnung einer Dienstreise muss stets dem billigen Ermessen entsprechen, das bedeutet, dass der Arbeitgeber zwischen den Interessen des Arbeitnehmers, etwa seinen individuellen gesundheitlichen Risiken und dem aktuell bestehende Infektionsrisiko auf der einen Seite sowie den betrieblichen Interessen, etwa Dringlichkeit des zu erledigenden Auftrags auf der anderen Seite im Einzelfall abwägen muss. Zudem hat der Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beschäftigten, das heißt er muss angemessene Maßnahmen zum Schutz von Leben und Gesundheit der Mitarbeiter*innen treffen. Beschäftigte müssen wiederum grundsätzlich ihre Arbeitsleistung nicht unter Umständen erbringen, die mit erheblichen Gefahren für ihr Leben oder ihre Gesundheit einhergehen. Infolge der Interessenabwägung kann die Anordnung einer Dienstreise im Einzelfall unzulässig sein.
Für Mitarbeiter*innen, die zur Risikogruppe gehören, kann die Weisung zur Dienstreise in Gebiete mir hohen Infektionszahlen eine unzumutbare Gesundheitsgefährdung darstellen. In diesem Fall könnte die Dienstreise verweigert werden (§ 275 Abs. 3 BGB) ohne arbeitsrechtliche Sanktionen befürchten zu müssen. Wer eine Dienstreise unter diesen Umständen verweigert, muss damit rechnen, dass ihr/ihm eine andere Arbeit zugewiesen wird. Selbst wenn das aber nicht passiert, behält man das Recht auf Vergütung (§ 615 BGB). Es entscheiden stets die Umstände des Einzelfalles. Bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Anweisung einer kurzfristig anstehenden Dienstreise sollte allerdings zunächst das Gespräch mit dem Arbeitgeber gesucht und Kontakt mit dem Betriebsrat, der Personalvertretung oder der Gewerkschaft aufgenommen werden, um sich noch einmal abzusichern.
Für medizinisches Personal oder Mitarbeiter*innen der Katastrophenschutzorganisationen, die gerade zur Bekämpfung von Seuchen in den betroffenen Gebieten eingesetzt werden, gelten abweichende Regeln.
Ich komme gerade aus einem Auslandsurlaub zurück. Schulde ich meinem Arbeitgeber eine Auskunft darüber, wo ich war?
Nein, diese Auskunft schulden Sie grundsätzlich nicht. Ein Informationsinteresse des Arbeitgebers könnte höchstens dann bestehen, wenn Sie sich in den Gebieten aufgehalten haben, für die das Auswärtige Amt eine offizielle Reisewarnung wegen der Infektionsgefahr herausgegeben hat oder die unter Quarantäne stehen.
Siehe hierzu im Weiteren...
In meinem Betrieb gab es einen bestätigten Corona-Fall. Was bedeutet das für mich?
Das kann man pauschal nicht sagen. Es liegt in den Händen der zuständigen Aufsichtsbehörden, das sind in diesem Fall die Gesundheitsämter der Länder, über die weiteren notwendigen Schritte zu entscheiden. Wie zur Frage 2 ausgeführt, wird jeder Corona-Fall den Behörden gemeldet und sie leiten die weiteren Untersuchungen und Maßnahmen – auch in den Betrieben der Infizierten – ein. Zunächst sollte mit bestehenden Interessenvertretungen (etwa Betriebs- oder Personalrat) oder dem Arbeitgeber gesprochen werden. Natürlich kann auch der Arbeitgeber im rechtlich zulässigen Rahmen Maßnahmen ergreifen.
...weil er meint, dass ich krank bin?
Hat der Arbeitgeber begründete Anhaltspunkte, anzunehmen, dass der Beschäftigte dem Corona-Virus erkrankt ist, darf er zum Schutz des Betroffenen und der restlichen Belegschaft diesen zur Genesung nach Hause schicken. In diesem Fall kann er natürlich keine Arbeit von Zuhause aus verlangen. Bei Arbeitsunfähigkeit besteht insoweit ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 3 EFZG).
...weil er vage vermutet, dass ich krank sein könnte?
Bei Freistellung von der Arbeit aufgrund bloßer vager Vermutung des Arbeitgebers, der/die Beschäftigte könnte erkranken, befindet sich der Arbeitgeber aufgrund Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit der/des Beschäftigten im Annahmeverzug und schuldet weiterhin Gehalt gemäß § 615 BGB.
...weil er will, dass ich vorsichtshalber von Zuhause aus arbeite?
Der Arbeitgeber hat kein Recht, über den privaten Wohnraum seiner Beschäftigten zu verfügen. Er kann also nicht einseitig Arbeit von zu Hause aus anordnen, sondern es bedarf einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. In der augenblicklichen Situation und um Ansteckungen zu vermeiden, ist es aber sinnvoll, sich über die Möglichkeiten der Homeoffice-Arbeit vermehrt zu verständigen.
Was ist, wenn unser Betrieb massiv unter den Auswirkungen des Corona-Virus leidet. Mein Chef will den Betrieb vorübergehend schließen und die Belegschaft nach Hause schicken. Darf er das?
Entschließt sich der Arbeitgeber aus freien Stücken den Betrieb vorübergehend zu schließen, kann er dies natürlich tun. Er muss dann aber auch in diesem Fall das Entgelt weiterzahlen (§ 615 BGB) und darf ohne ausdrückliche Vereinbarung auch hier nicht auf die Arbeitszeitkonten der Beschäftigten zurückgreifen. Arbeitnehmer*innen einfach nach Hause schicken, ohne Lohn zu zahlen, darf der Arbeitgeber nicht. Vielmehr trägt der Arbeitgeber das sog. Betriebs- und Wirtschaftsrisiko, auch bei unrentabler Beschäftigung (§ 615 S. 3 BGB).
Seit dem Beginn der Pandemie greifen Unternehmen vermehrt auf Kurzarbeit zurück, um die Entgeltausfälle über Kurzarbeitergeld abzufedern. Diese Leistung muss vom Arbeitgeber beantragt werden. Mehr zu Kurzarbeitergeld finden sie hier.
Mein Arbeitgeber hat aufgrund von Corona keine Arbeit für uns. Wir sollen Überstunden abbauen oder Urlaub nehmen. Auch von Minusstunden ist die Rede. Kann der Arbeitgeber das einseitig anordnen?
Grundsätzlich kann der Arbeitgeber Arbeitnehmer*innen nicht gegen ihren Willen in den Urlaub schicken. Ausnahmen gelten für sog. Betriebsferien. Betriebsferien müssen mit dem Betriebsrat/Personalrat – falls es eine solchen gibt – vereinbart werden; in betriebsratslosen Betrieben ist zwar eine einseitige Anordnung möglich, es muss aber mit ausreichend Vorlauf passieren; zudem darf dies nur nach dem billigen Ermessen erfolgen, es muss genug Resturlaub zur freien Verfügung verbleiben und es sind die Belange der Beschäftigten zu berücksichtigen. Von heute auf morgen den Urlaub einseitig anzuordnen ist also grundsätzlich nicht zulässig. In der augenblicklichen Situation sind alle gut beraten, nach einvernehmlichen Lösungen zu suchen. Auch der einvernehmlich vereinbarte Abbau von Überstunden kann ein Mittel sein, um die Zeit zu überbrücken.
Was die Minusstunden betrifft: Arbeitgeber dürfen nicht einseitig Arbeitszeitkonten mit Minusstunden belasten. Denkbar sind allerdings tarifvertragliche oder arbeitsvertragliche Regelungen, die die Nutzung von Arbeitszeitkonten zur Überbrückung von Auftragsschwankungen vorsehen.
Wir sind voll ausgelastet und ich soll mehr arbeiten als sonst, auch um erkrankte Kolleg*innen zu ersetzen – muss ich das?
Grundsätzlich gilt: Arbeitnehmer*innen sind zur Arbeit in dem in ihrem Arbeitsvertrag vereinbarten Umfang verpflichtet. Überstunden können dann angeordnet werden, wenn dies in dem Arbeitsvertrag, im anwendbaren Tarifvertrag oder der in ihrem Betrieb geltenden Betriebs- oder Dienstvereinbarung geregelt ist.
Nur im Notfall - etwa im Katastrophenfall zur Abwendung von Schäden im Betrieb – darf der Arbeitgeber einseitig überobligatorische Arbeit einfordern, nicht aber um in einem produzierenden Betrieb die erhöhte Nachfrage nach bestimmen Produkten zu befriedigen oder im Dienstleistungsbereich etwa die erkrankten Kolleg*innen zu ersetzen. In Betrieben mit Betriebsrat ist dessen Zustimmung zur Anordnung von Überstunden erforderlich.
Die Überstundenarbeit muss zudem in aller Regel– zusätzlich vergütet werden. Möglich ist, einen Freizeitausgleich statt Vergütung zu vereinbaren.
Bei der Anordnung von Überstunden sind grundsätzlich die Höchstgrenzen des Arbeitszeitgesetzes einzuhalten, also die geltenden Tageshöchstarbeitszeiten (in der Regel 10 Stunden), die Grenzen der Ruhezeiten (in der Regel 11 Stunden täglich), der Nachtarbeit und der Sonntags- und Feiertagsruhe. Allerdings eröffnet § 14 ArbZG eröffnet in Notfällen und außergewöhnlichen Fällen, die unabhängig vom Willen des Arbeitgebers eintreten und deren Folgen nicht auf andere Weise zu beseitigen sind, vorübergehend Abweichungsmöglichkeiten von diesen Grenzen. Diese Abweichungen sind insbesondere dann zulässig, wenn Rohstoffe oder Lebensmittel zu verderben drohen, bei unaufschiebbaren Arbeiten im Bereich der Forschung oder bei Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen und Tieren. In der aktuellen Situation ist ein solcher Notfall in den Gesundheitseinrichtungen oder Lebensmittelproduktion denkbar, die Ausnahmen sind aber zum Schutz der Gesundheit der Beschäftigten stets auf das Nötigste zu begrenzen.
Auch in diesen Fällen darf die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von 6 Kalendermonaten nicht überschreiten. Die Aufsichtsbehörde kann weitergehende Ausnahmen zulassen, wenn sie im öffentlichen Interesse dringend nötig werden (§ 15 Abs. 2 ArbZG).
Mein Betrieb gehört zu den Branchen, die aufgrund von Lockdown-Maßnahmen geschlossen bleiben. Bekomme ich weiterhin meinen Lohn, auch wenn ich selbst nicht erkrankt bin?
Grundsätzlich tragen die Arbeitgeber auch bei den unerwarteten und von ihnen unverschuldeten Betriebsstörungen, zu denen auch die extern angeordnete Schließung des Betriebes gehört, das Risiko und damit auch die Lohnkosten (§ 615 BGB). Ein Massenereignis wie die aktuelle Corona-Pandemie stellt aber Betriebe vor bislang nicht bekannte Herausforderungen: Angesichts der aktuell angeordneten, flächendeckenden Schließung von Kultur- und Sporteinrichtungen, Schulen, Kindertagesstätten, Geschäften, Hotels und Gastronomiebetriebe greifen die meisten Arbeitgeber zu dem Instrument der Kurzarbeit. Arbeitnehmer*innen haben dann den Anspruch auf das Kurzarbeitergeld.
Lesen Sie hierzu auch unseren Beitrag zu Corona und Kurzarbeit.
Im April 2021 hat das LAG Düsseldorf geklärt, dass eine durch eine Pandemie begründete Betriebsschließung zum Betriebsrisiko des Arbeitgebers gehöre und damit bei den behördlich angeordneten bzw. veranlassten Betriebsschließungen ähnliche Maßstäbe gelten, wie etwa in Folge von Naturkatastrophen. Bei der aktuellen Pandemie handelt es sich um ein Naturkatastrophen ähnliches Ereignis, so das LAG Düsseldorf. Dabei spielt die Reichweite des behördlichen Verbots keine Rolle, also ob diese Schließung eine gesamte Branche oder nur einzelne Betriebe eine Branche, gegebenenfalls bundesweit, nur in einzelnen Ländern oder örtlich erfasst. Das bedeutet dass der Arbeitgeber, dessen Betriebe in Folge der Pandemie geschlossen wurden, verpflichtet ist, arbeitswilligen Beschäftigten für die Zeit der pandemiebedingten Betriebsschließung Lohn für ausgefallene Arbeitsstunden zu zahlen. Das gilt nur in den Fällen, in denen nicht anstelle des Lohnes das Kurzarbeitergeld als Lohnersatzleistung gezahlt wird. Diese Fälle gibt es nach unseren Informationen durchaus, weil nicht alle Arbeitgeber sich um die Beantragung des Kurzarbeitergeldes gekümmert haben. Beschäftigten der vom Lockdown betroffenen Betriebe, die einfach „nach Hause“ geschickt wurden, ohne Kurzarbeitergeld und ohne Lohnzahlung, behalten nach den Maßstäben des LAG Düsseldorf das Recht auf Lohn.
Achtung: Bei dem LAG Urteil handelt es sich um eine noch nicht rechtskräftige Entscheidung, die Revision zum Bundesarbeitsgericht hat das LAG zugelassen. Die Letztentscheidungskompetenz liegt also bei dem Bundesarbeitsgericht, das heißt, dass die Frage erstmal vorläufig geklärt ist. Wir informieren an dieser Stelle weiter über aktuelle Entwicklungen.
Mein Betrieb wird aufgrund einer behördlichen Quarantäne-Anordnung geschlossen. Bekomme ich weiterhin meinen Lohn, auch wenn ich selbst nicht erkrankt bin?
Wenn Sie aufgrund einer Quarantäneanordnung einen Verdienstausfall erleiden, steht Ihnen eine staatliche Entschädigungsleistung, sog. Verdienstausfallentschädigung, zu. Voraussetzung ist, dass sie durch die Quarantäneanordnung Einkommensverlust haben, sie greift also nicht, wenn Sie während der Quarantäne von Zuhause aus arbeiten und ihren Lohn weiterhin erhalten. Die Entschädigung gilt für jene Arbeitnehmer*innen, die als „Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern“ von der Behörde mit einem beruflichen Tätigkeitsverbot belegt wurden, (§ 56 Abs. 1 Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Die Entschädigung in Höhe des Verdienstausfalls (in den ersten sechs Wochen) wird zunächst vom Arbeitgeber „für die Behörde“ ausgezahlt, § 56 Abs.5 IfSG. Der Arbeitgeber hat gegen die Behörde dann einen Erstattungsanspruch hinsichtlich des gezahlten Verdienstausfalls. Damit aber Beschäftigte möglichst lückenlos ihr Geld erhalten, ist der Arbeitgeber insoweit verpflichtet, mit der Entschädigungszahlung in Vorleistung zu gehen – allerdings nur für die Dauer von höchstens sechs Wochen, danach zahlt die Behörde die Entschädigung direkt an die Beschäftigten aus. Falls der Arbeitgeber nicht in Vorleistung geht, zum Beispiel, weil er sich weigert, können sich Beschäftigte mit ihrem Entschädigungsanspruch direkt an das Landesamt/die Landesbehörde wenden. Sollten Beschäftigte im Laufe der Quarantäne tatsächlich erkranken, erhalten sie Entgeltfortzahlung bei Krankheit und anschließend (nach 6 Wochen) Krankengeld von der Krankenkasse.
Was passiert mit meiner Arbeit und meinem Lohn, wenn ich persönlich unter Quarantäne stehe ohne bereits selbst erkrankt zu sein – etwa weil ich Kontakt zu Corona-Infizierten hatte?
Grundsätzlich schuldet der Arbeitgeber seinen Beschäftigten weiterhin die Vergütung, wenn sie für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in der eigenen Person liegenden Grund ohne eigenes Verschulden an der Arbeit gehindert sind (§ 616 S. 1 BGB). Die ältere Rechtsprechung geht hier von einem Zeitraum bis zu von sechs Wochen aus (BGH v. 30.11.1978, III ZR 43/77). Ob dieser Regel auch in der aktuellen Pandemie-Situation greift, ist allerdings umstritten. Zudem kann diese Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers durch Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag ausgeschlossen oder begrenzt werden.
Erleidet der/die Arbeitnehmer*in einen Verdienstausfall aufgrund der Quarantäne, greift eine staatliche Entschädigungszahlung nach dem Infektionsschutzgesetz (§ 56 Abs. 1 IfSG). Wie in der letzten Frage beschrieben – der Arbeitgeber tritt hier in Vorleistung, kann aber die Erstattung der Entschädigung bei der zuständigen Behörde beantragen. Zudem gilt auch hier: Beschäftigte, die selbst an Corona erkranken und dadurch arbeitsunfähig sind, erhalten nach den „normalen“ Regeln die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (EFZG).
Wie steht es um meine Arbeit und meinen Lohn, wenn aufgrund des Corona-Virus der Kindergarten oder die Schule meines Kindes geschlossen hat? Kann ich dann zu Hause bleiben und bekomme ich weiterhin mein Geld?
Dazu finden Sie weitere Informationen unter diesem Link: https://www.dgb.de/themen/++co++18c1da2a-69d0-11ea-ad58-52540088cada
Mein Arbeitgeber hat mir „wegen Corona“ gekündigt – was muss ich beachten?
Eine Kündigung muss, damit sie rechtmäßig ist, sozial gerechtfertigt sein. Das bedeutet – es braucht dafür sachliche Gründe. Die aktuelle Krise ist nicht automatisch ein solcher Grund. Mehrere Kündigungen, die „wegen Corona“ ausgesprochen wurde, haben Arbeitsgerichte inzwischen für unwirksam erklärt. So hat ein Arbeitsgericht (ArbG Berlin, 25.8.2020 - 34 Ca 6664/20, 34 Ca 6667/20 und 34 Ca 6668/20) entschieden, dass ein Hinweis auf einen starken Umsatzrückgang infolge der Pandemie keine ausreichende Begründung zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung darstellt. In Betrieben mit Kurzarbeit sind betriebsbedingte Kündigungen problematisch: denn die Leistung von Kurzarbeit spricht gegen einen dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf und damit gegen betriebsbedingte Kündigungen (ArbG Berlin, 5.11.2020 - 38 Ca 4569/20). Auch die Möglichkeiten von Arbeit in Homeoffice sollen bei Kündigungen beachtet werden. So kann eine Änderungskündigung mit dem Ziel, einen anderen Arbeitsort zuzuweisen unwirksam sein, wenn Arbeit von Zuhause beim Vorliegen technischer Voraussetzungen möglich wäre. In diesem Fall wies das Arbeitsgericht (ArbG Berlin, 10.8.2020 - 19 Ca 13189/19) darauf hin, dass die stärkere Verbreitung des Arbeitens im Homeoffice aufgrund der Pandemie zeige, dass Arbeiten von zuhause aus möglich sei.
Sie sollten keinesfalls einfach so eine Kündigung hinnehmen, sondern sie in jedem Fall rechtlich überprüfen lassen. Wichtig zu wissen: Eine Klage gegen die Kündigung muss innerhalb von drei Wochen beim Arbeitsgericht eingehen – das gilt auch in Zeiten der Corona-Pandemie. Ausnahmsweise ist die nachträgliche Zulassung verspäteter Klagen möglich, wenn der Arbeitnehmer trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt daran gehindert ist, die Klage innerhalb von 3 Wochen einzureichen. Dieser Antrag ist nur innerhalb von 2 Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig und kann nach 6 Monaten ab Ende der Frist gar nicht mehr gestellt werden (§ 5 Abs. 3 KSchG).
Ich komme mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr zur Arbeit - bekomme ich weiter mein Geld?
Nein. Das Risiko des Arbeitsweges liegt beim Arbeitnehmer - wie sonst auch (z.B. im Winter bei Schnee und Glatteis). Wenn man also den Arbeitsplatz nicht erreichen kann, hat man auch keinen Anspruch auf die Vergütung für die ausgefallene Arbeitszeit.
Kann ich der Arbeit fernbleiben wenn ich Angst haben, mit auf dem Weg in den öffentlichen Verkehrsmitteln anzustecken?
Auch hier gilt: Das Risiko des Arbeitsweges liegt beim den Arbeitnehmer*innen. Allerdings räumen inzwischen viele Arbeitgeber ihren Beschäftigten, besonders wenn sie die zu den Risikogruppen gehören, die Möglichkeit des Arbeitens von Zuhause aus. In den meisten Betrieben gibt es inzwischen Hygieneschutzkonzepte, die auf Belange von Risikogruppen Rücksicht nehmen. Beispielsweise können (Kern-)Arbeitszeiten so gelegt werden, dass der Anfahrtsweg zum Arbeitsplatz in der Rushhour vermieden wird. Sie sollten in jedem Fall mit ihrem Betriebs- oder Personalrat Rücksprache halten, ob es bei Ihnen entsprechende Regeln gibt oder direkt mit dem Arbeitgeber das Gespräch suchen.
Mein Arbeitgeber hat seinen Betrieb geschlossen - kann ich eine andere Arbeit annehmen in der Zeit?
Grundsätzlich ja, eine sog. Nebentätigkeit ist dem Arbeitgeber allerdings mindestens (je nach vertraglicher Vereinbarung) anzuzeigen. Da es sein kann, dass Sie die ursprüngliche Arbeit jederzeit wieder aufnehmen müssen, müssen Sie mit Ihrem "Zwischenarbeitgeber" ggf. sehr kurze Kündigungsfristen vereinbaren.
Ich bin ausgebildeter Pfleger und möchte zusätzlich zu meinem Hauptjob in der Verwaltung eines Altenheimes noch an manchen Wochenenden ein Nebenjob im Krankenhaus annehmen. Kann mein Arbeitgeber mit das wegen Corona untersagen?
Solange Sie mit Ihrer Tätigkeit im Nebenjob nicht in Wettbewerb zu ihrem Arbeitgeber treten und sie mit Ihren Nebentätigkeit innerhalb der gesetzlichen Arbeitszeitgrenzen bleiben, insbesondere nicht gegen die Höchstarbeitszeiten und täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten verstoßen, hat der Arbeitgeber grundsätzlich keinen Grund, Ihnen die Nebentätigkeit zu untersagen. Das Argument, die Nebentätigkeit, etwa im Krankenhaus, sei mit einer erhöhten Ansteckungsgefahr verbunden, trägt jedenfalls dann nicht, wenn es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Einrichtung, in der Sie jobben wollen, die erforderlichen Schutzmaßnahmen verletzt.
Mein Betrieb muss schließen, mein Arbeitgeber will aber, dass ich während der Schließung eine andere Arbeit erbringe als bislang (zum Beispiel als Erzieherin Reinigungsarbeiten in der Kita ausführen). Muss ich mich darauf einlassen?
Es kommt immer darauf an, was genau für eine Tätigkeit im Arbeitsvertrag vereinbart ist. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers wird durch die aktuelle Situation nicht erweitert. Auf der anderen Seite muss man da manchmal ggf. auch etwas pragmatisch sein: Auch eine nicht vertragsgemäße Beschäftigung sichert den weiteren Bezug des Gehalts und verschiebt ggf. den Bezug von Kurzarbeitergeld nach hinten.
Mein Urlaub wurde bereits genehmigt, jetzt kann ich wegen der Corona-Pandemie nicht verreisen. Kann ich meinen bewilligten Urlaub zurücknehmen?
Die Tatsache, dass Sie derzeit ihren Urlaub nicht genießen können, gibt Ihnen leider kein Recht, den bereits bewilligten Urlaub zurückzufordern. Der Arbeitgeber schuldet Ihnen bezahlte Freistellung von der Arbeit, verantwortet aber nicht, wenn Sie Ihren Urlaub nicht wie geplant verbringen können. Ein “Stornierungsrecht“ gegenüber dem Arbeitgeber gibt es nicht, genauso wie Sie Ihren Urlaub nicht auf die Zeit „nach Corona“ aufsparen können. Der gesetzliche Erholungsurlaub muss grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr genommen werden, nur in Ausnahmefällen kann er auf das erste Quartal des Folgejahres übertragen werden – Regelungen mit längeren Übertragungszeiträumen gibt es in manchen Tarifverträgen. Hier hat sich auch vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie grundsätzlich nichts geändert.
Was gilt für mein Recht auf Urlaub, wenn ich wegen einer Covid_19-Erkrankung in Kurzarbeit war?
Einige Arbeitgeber vertreten die Auffassung, aufgrund der Kurzarbeit wird das Recht auf Urlaub gekürzt oder reduziert. Auch wenn diese Frage noch nicht durch die Arbeitsgerichte abschließend geklärt ist, gibt es aus unsere Sicht gute Argumente, die dafür sprechen, dass auch im Falle der Kurzarbeit der Urlaub vollumfänglich erhalten bleibt. Mehr dazu finden Sie hier...
Was gilt für Beschäftigte, die als Grenzgänger aus dem Ausland nach Deutschland zur Arbeit kommen bzw. deutsche Beschäftigte, die im Ausland als Grenzgänger arbeiten, aber die Grenzen geschlossen sind?
Hierauf gibt es keine pauschale Antwort. Solange der Grenzverkehr für Berufspendler*innen zugelassen ist, können die Grenzgänger grundsätzlich zu ihren Betrieben gelangen. Für diejenigen, die von Betriebsschließungen betroffen sind, gelten dieselben Regeln wie für deren Arbeitskollegen aus dem Inland.
In einigen Betrieben gibt es spezielle betriebliche Regelungen, die eine Testungspflicht regeln. In bestimmten Bereichen, in denen eine potenzielle Infektion besonders gravierende Auswirkungen hätte, etwa in Krankenhäusern, ist im Rahmen eines betrieblichen Arbeitsschutzkonzeptes regelmäßige Testung vorgesehen. Von diesen Fällen abgesehen, können Arbeitgeber nicht generell aus bloße Vorsicht einen Test anordnen und Beschäftigte müssen dieser Anordnung keine Folge leisten. Nimmt der Arbeitgeber Ihre Arbeit ohne Test nicht an, obwohl Sie sie ordnungsgemäß angeboten haben, muss er die Vergütung trotzdem zahlen.
Hat der Arbeitgeber allerdings konkrete Anhaltspunkte dafür, dass Sie infiziert sein können, beispielsweise weil Sie Krankheitssymptome aufweisen, kann er Ihnen die Beschäftigung verweigern, solange Sie kein ärztliches Attest vorlegen. Das folgt daraus, dass der Arbeitgeber generell geeignete Maßnahmen ergreifen muss, andere Beschäftigte vor Ausbreitung von Krankheiten im Betrieb zu schützen.
Alles rund um Corona-Impfung und Beruf finden Sie hier
Welche Besonderheiten gelten für Minijobber?
Auch Minijobber*innen genießen grundsätzlich dieselben Recht wie alle anderen Arbeitnehmer*innen. Sie haben also z.B. Recht auf Schutz vor Kündigung und – falls ihr Betrieb schließt – das Recht auf Lohnersatz nach den für alle Arbeitnehmer*innen geltenden Regeln. Nur unter die Regelungen zur Kurzarbeitsgeld fallen die Minijobber*innen nicht, da Kurzarbeitergeld für sozialversicherungspflichtig Beschäftigte vorgesehen ist.
Wenn sich ein Beschäftigter infiziert hat und positiv getestet wurde, muss der Arbeitgeber dann die Kolleg*innen darüber informieren, um welche Person es sich handelt?
Grundsätzlich schuldet der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber keine Information über die Gründe seiner Arbeitsunfähigkeit – dieser Grundsatz gilt auch im Zusammenhang mit dem Corona-Virus. Arbeitgeber, der von einer Corona-Infektion in seinem Betrieb erfährt, weil ihm der Beschäftigte von sich aus darüber informiert hat, ist allerdings verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen um die restliche Belegschaft vor Ansteckung zu schützen. Welche Maßnahmen das sind und ob die Belegschaft über die Person des Infizierten erfahren soll, hängt stark vom Einzelfall ab. Deshalb sollten Arbeitgeber hier am besten im engen Austausch mit den Gesundheitsbehörden handeln. Dabei muss eine Stigmatisierung der infizierten Beschäftigten verhindert werden.
22. Was gilt für chronisch kranke oder vorerkrankte Beschäftigte?
Ich gehöre aufgrund meiner Vorerkrankung / meiner chronischen Erkrankung zu der Risikogruppe. Deshalb ist meine Befürchtung, mich mit dem Corona-Virus anzustecken, besonders groß. Muss ich trotzdem zu Arbeit und falls ja: welche Schutzmaßnahmen darf ich von meinem Arbeitgeber verlangen?
Arbeitnehmer*innen, die arbeitsfähig sind und deren Betrieb arbeitet, sind grundsätzlich verpflichtet zur Arbeit zu erscheinen. Was aber konkret gemacht werden muss, um die Risikogruppen zu schützen, kann nicht pauschal beantwortet werden. Bei einer Pandemie sind aufgrund der Übertragungswege, die einzelnen Berufsgruppen unterschiedlich stark betroffen. Oft kennt der Arbeitgeber die Vorerkrankungen seiner Beschäftigten nicht und braucht sie auch nicht zu kennen. Jedoch ist er nach Arbeitsschutzgesetz verpflichtet die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung möglichst vermieden oder gering gehalten wird. In kleineren Unternehmen ohne betriebliche Interessensvertretung können Beschäftigte sich im Rahmen einer Wunschvorsorge jederzeit an den Betriebsarzt wenden und ihre diesbezüglichen Bedenken besprechen. Der Betriebsarzt kann sinnvolle Schutzmaßnahmen beim Arbeitgeber initiieren.
In Betrieben mit betrieblicher Interessensvertretung haben die Beschäftigten ebenso diese Möglichkeit, alternativ können sie sich aber auch jederzeit an den Betriebs- oder Personalrat wenden, Schwerbehinderte an die Schwerbehindertenvertretung, Auszubildende an die Jugend- und Auszubildendenvertretung. Im Idealfall verständigt sich die betriebliche Interessensvertretung, mit den vom Arbeitgeber beauftragten Fachkräften für Arbeitssicherheit und den Betriebsärzten über die Schutzmaßnahmen für besonders gefährdete Beschäftigte.
Alles rund um Arbeitsschutz und Corona finden Sie hier:
Welche Vorsorgemaßnahmen muss mein Arbeitgeber ergreifen, um mich vor Corona zu schützen? Welche Möglichkeiten haben Betriebsräte diesbezüglich?
Der Arbeitgeber hat gegenüber seinen Beschäftigten eine arbeitsvertragliche Schutz- und Fürsorgepflicht. Deshalb muss er dafür sorgen, dass Erkrankungsrisiken und Gesundheitsgefahren im Betrieb so gering wie möglich bleiben. Die Grundpflichten des Arbeitgebers ergeben sich aus § 3 ArbSchG. Je nach Art des Betriebes – etwa in einem Betrieb mit viel Kundenkontakt – kann aus der Schutzpflicht zu einer konkreten Verpflichtung, zum Beispiel Desinfektionsmittel zur Verfügung zu stellen, folgen. Zudem sind Arbeitgeber verpflichtet, ihre Beschäftigten in Bezug auf die einzuhaltenden Hygienemaßnahmen und Schutzvorkehrungen zu unterweisen. Das bedeutet, dass den Beschäftigten erklärt werden muss, wie sie Ansteckungsrisiken minimieren. Sie können z.B. zum regelmäßigen Hände waschen angehalten werden.
Siehe auch die 10 Maßnahmen zum Arbeitsschutz im Betrieb, die dies anschaulich verdeutlichen.
Gibt es im Betrieb einen Betriebsrat oder Personalrat, sind solche Hygieneanweisungen seitens des Arbeitgebers, die in aller Regel Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Betrieb berühren, nach § 87 Nr.1 und Nr. 7 BetrVG und § 75 Abs. 3 Nr. 11 und 15 BPersVG mitbestimmungspflichtig. Der jeweiligen Interessenvertretung ist daher zu empfehlen, sehr schnell gemeinsam mit dem Arbeitsschutzausschuss nach § 11 Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) die Gefährdungslage im Betrieb zu beraten. Die gemeinsame Sitzung sollte dazu genutzt werden, um die Reihenfolge und Arbeitsteilung zu Gefährdungsbeurteilung, Unterweisung, Betriebsanweisung, genereller Information und möglichen Maßnahmen (persönliche Schutzausrüstungen) zügig in Gang zu setzen. Auch die Biostoffverordnung gibt Handlungsspielräume für die Interessenvertretungen.
Können Betriebsrats-, Gesamtbetriebsrats-, Konzernbetriebsrats und Europäische Betriebsratssitzungen per Umlaufverfahren oder Videokonferenz durchgeführt werden?
Nach herrschender Meinung in der Rechtslehre und Rechtsprechung sind Beschlussfassungen im Umlaufverfahren in Sitzungen des Betriebsrats (BR) nicht zulässig, denn § 33 Abs. 1 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) verlangt für Beschlussfassungen des Betriebsrats die Anwesenheit der BR-Mitglieder. Anwesenheit im Sinne dieser Bestimmung bedeutet grundsätzlich die (gleichzeitige) Anwesenheit an einem Ort. Eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren zeichnet sich aber gerade dadurch aus, dass eine Meinungsbildung und -kundgabe zeitlich versetzt durch die einzelnen BR-Mitglieder erfolgt. Eine vom Gesetz für gültige Beschlussfassungen vorausgesetzte Kommunikation und - ggf. kontroverse - Diskussion der BR-Mitglieder untereinander kann in dieser Form gerade nicht stattfinden. Dies gilt ebenso für Sitzungen u.a. von GBR, KBR, JAV und EBR.
Die rechtliche Unzulässigkeit von Betriebsratssitzungen und Unwirksamkeit von Beschlussfassungen, die nicht im Rahmen einer Präsenzsitzung erfolgen, gilt grundsätzlich, d.h. vorbehaltlich einer Gesetzesänderung, auch für Sitzungen per Video- und Telefonkonferenz bzw. fernmündliche Beschlussfassungen. Allerdings haben Bundestag und Bundesrat im Mai 2020mit § 129 BetrVG „Sonderregelungen aus Anlass der Covid-19-Pandemie“ rückwirkend zum 01.03.2020 beschlossen, der die Teilnahme an Sitzungen des BR und anderen betriebsverfassungsrechtlichen Gremien sowie die Beschlussfassung mittels Video- und Telefonkonferenz unter bestimmten – in dieser Regelung näher formulierten – Voraussetzungen zulässt. Diese Regelungen waren bis zum 31.12.2020 befristet und wurdenbis zum 31.06.2021 verlängert. Diese „Sonderregelungen“ dienen ausschließlich der Gewährleistung der Arbeits-, Sitzungs- und Beschlussfähigkeit des Betriebsrats unter den Bedingungen der Pandemie (etwa Abstands- und Reiseverbote) und treten – wie gesetzlich vorgesehen - am 01.07.2021 außer Kraft. Gleiches gilt in parallelen Vorschriften für den Europäischen Betriebsrat im EBRG, den Betriebsrat in einer Europäischen Gesellschaft im SE-BG, den Betriebsrat in einer Europäischen Genossenschaft im SEC-BG und den Sprecherausschuss im SprAuG.