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Seit 15 Monaten ist Krieg in der Ukraine. Viele Gewerkschafter*innen engagieren sich, um Geflüchteten zu helfen, Unterstützung vor Ort zu leisten – andere spenden Geld, um dieses Engagement zu ermöglichen. Der Verein „Gewerkschaften helfen“ hat rund 750 000 Euro Spendengelder für die Ukraine-Hilfe erhalten – der einblick berichtet anhand von vier Beispielen, wo und wie geholfen wurde.
DGB
Übergabe der Spenden von Kollegen des DGB Pfalz an ukrainische Gewerkschafter in der Nähe von Lwiw im März 2022 DGB-Region Pfalz
„Wir haben ein paar Tage gebraucht, um das zu verarbeiten“, erzählt Rüdiger Stein von seiner Reise in die Ukraine im März 2022, kurz nach Kriegsbeginn. Sein Kollege Marcel Divivier-Schulz von der DGB-Region Pfalz und er sind im alten DGB-Transporter aufgebrochen, den normalerweise die DGB Jugend für ihre Berufsschultouren nutzt. Der Laderaum randvoll mit medizinischen Gütern, Verbandsmaterial, Taschenlampen, haltbaren Lebensmitteln, ein Teil davon Sachspenden verschiedener Betriebe, einen Teil der Spenden hat der Verein „Gewerkschaften helfen e.V.“ mit insgesamt 10 000 Euro finanziert.
Nach 16 Stunden Fahrt sind Stein und sein Kollege an der polnisch-ukrainischen Grenze. Sie verabreden sich mit ihren ukrainischen Kontakten am Rand von Lwiw. Immer wieder ertönt Flugalarm und sie müssen am Straßenrand Deckung suchen. Die Kollegen vom ukrainischen Gewerkschaftsbund KVPU treffen sie an einer Tankstelle, laden die Fracht um und fahren wieder zurück Richtung Polen. Später schicken die ukrainischen Kollegen Fotos von Menschen und Familien in Charkiw, denen die Gegenstände zugutegekommen sind. Im September 2022 brechen Stein und sein Kollege zu einem zweiten Transport auf – dieses Mal mit Schlafsäcken, Akkus, Stromspeichern und medizinischem Material im Gepäck für Menschen in den zerstörten Gebieten.
Die Schlafsäcke wurden vor Wintereinbruch unter anderem in Rivne, Kiew, Charkiw und Kupiansk verteilt 4-Ukraine
Auch Mark Fischer von der privaten Initiative 4-Ukraine in Berlin hat sich an „Gewerkschaften helfen“ gewendet. Er ist IG Metall-Mitglied und Betriebsrat. Ziel von 4-Ukraine war es – neben Projekten im Bereich „medizinische Versorgung“ – vor dem Wintereinbruch, 1000 Schlafsäcke in die Ukraine zu bringen. Neben einem eigenen Spendenaufruf über die Crowdfunding-Plattform „Civilfleet-Support e.V. – Leave no one behind“ hat Fischer auch einen Antrag beim Verein Gewerkschaften helfen e.V. gestellt. Mit dessen Mitteln konnten Schlafsäcke beschafft und das Ziel der Initiative erreicht werden. In Kooperation mit dem deutsch-ukrainischen Verein „Tvory Dobro“ (deutsch: Tue Gutes) wurde der Transport organisiert und die Schlafsäcke vor Ort verteilt – unter anderem in Rivne, Kiew, Charkiw und Kupiansk. Weitere Transporte mit medizinischen Geräten und Materialien sowie Stromgeneratoren als Ersatz für zerbombte Energie-Infrastruktur sind geplant und die Gelder von „Gewerkschaften helfen“ bewilligt.
„Der erste Impuls war: helfen!“, erzählt Ingo Schlüter, stellvertretender Vorsitzender des DGB Nord. Er erinnert sich noch genau an die Nacht im Oktober 2022, in der die Geflüchteten-Unterkunft des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Groß Strömkendorf abbrannte. Für die 14 geflüchteten Ukrainer*innen war es ein Schock. Sie konnten sich zwar alle rechtzeitig in Sicherheit bringen, doch ihre wenigen Besitztümer und Erinnerungen aus der Heimat waren verbrannt. Schlüter zögerte nicht lange und wandte sich an „Gewerkschaften helfen“. Die Zusage kam schnell. 7000 Euro gingen an den DRK-Verband, der davon die wichtigsten Dinge des täglichen Lebens ersetzen konnte, die den Flammen zum Opfer gefallen waren, wie Schuhe, Kleidung, Kinderspielzeug und Haushaltsbedarf.
Die Kolleg*innen von ver.di Hamburg und ITF mit Hilfsgütern im Hamburger Hafen ver.di Hamburg
Berthold Bose, bis Ende Februar 2023 Landesbezirksleiter von ver.di Hamburg, stand in Kontakt mit Kolleg*innen der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), die auch ein Terminal im Hafen von Odessa betreibt. Die Solidarität der Hafenmitarbeiter*innen war groß – viele nahmen privat geflüchtete Ukrainer*innen auf. Auch Olya Losynka von der Internationalen Transportarbeiter Föderation (ITF) und Doris Heinmann-Brokks aus dem ver.di-Landesbezirksvorstand in Hamburg sprachen mit Bose über das Leid der Menschen in der Ukraine. Die gemeinsame Idee: Spenden sammeln und den Menschen vor Ort damit unter die Arme greifen. Bose hatte schon vom Verein „Gewerkschaften helfen“ gehört und beantragte Gelder für das Vorhaben. Sie wollten benötigte Güter für Menschen, die aus den ukrainischen Kriegsgebieten nach Odessa geflohen waren, kaufen und ihnen schicken. Parallel rief ver.di Hamburg seine Mitglieder zu Spenden an den Verein auf. Ukrainische Kontakte hatten ihnen eine Bedarfsliste aus Odessa geschickt – „sie brauchten vor allem Schulsachen für die Kinder, Kinderkleidung, Windeln – einfache Dinge des Alltags“, erinnert sich Bose. Gewerkschaften helfen bewilligte 8.000 Euro für die Hilfsgüter. Über die Metrans, ein Eisenbahnverkehrsunternehmen für Güterverkehr, das zur HHLA gehört, organisierten ver.di Hamburg und die ITF den Transport der Spenden mit einem Sonderzug durch Polen bis in den Hafen von Odessa. Dort nahm der Präsident der ukrainischen ITF die Güter entgegen. Die ukrainischen Kolleg*innen verteilten die Spenden dann an die Binnenflüchtlinge in Odessa.
„Gewerkschaften helfen e.V.“ heißt die Initiative des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften, die Menschen, die durch unerwartete Ereignisse besonders hart getroffen sind, in der Not unterstützen will. Anlässlich des Elbhochwassers im Jahr 2002 wurde der Verein gegründet. Seitdem haben der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften mehrere Male erfolgreich zu Spenden aufgerufen. Die bislang größte Spendenaktion war die Fluthilfe, die anlässlich der Katastrophe in Südwestdeutschland 2021 gestartet wurde. Mehr als 1,5 Millionen Euro Spenden kamen damals zusammen, mit denen 1.586 Betroffene vor Ort mit Sofort- und Härtefallhilfen unterstützt werden konnten.
Gefördert werden Projekte humanitärer Art, zum Wiederaufbau oder bildungspolitische Maßnahmen, ausgeschlossen ist die individuelle Förderung in Form von Einzelfallhilfen. Projekte werden auf Antrag mit bis zu 15.000 Euro unterstützt. Die Mittelverwendung ist zweckgebunden und muss nach Abschluss der Maßnahme durch Belege nachgewiesen werden. Bis September 2022 arbeitete der Verein „Gewerkschaften helfen“ rein ehrenamtlich. Seit Oktober 2022 bzw. Januar 2023 unterstützen zwei Kolleginnen die gewerkschaftliche Ukraine-Hilfe mit jeweils einer halben Stelle. Sie beraten die Ehrenamtlichen bei der Antragstellung und unterstützen bei der Abrechnung der Hilfsprojekte.
Hilfsprojekte haben weiterhin die Möglichkeit, Anträge auf finanzielle Unterstützung zu stellen. Wer einen Antrag an den Verein stellen möchte, findet die Kontaktdaten und alle Informationen auf der Internetseite www.gewerkschaften-helfen.de
Für die Ukraine-Hilfe gingen inzwischen rund 750.000 Euro an Spenden ein. Die zweite aktuelle Spendenaktion läuft für die Erdbebenopfer in der Türkei und in Syrien. Aktuell wurden rund 850.000 Euro eingenommen. Ein Großteil der Mittel wurde an mildtätige Organisationen weitergeleitet, die die Kapazitäten haben, vor Ort tätig zu sein und Nothilfe zu leisten. Weil die politische Lage in beiden Ländern sehr komplex ist, wurde besonders auf die Vertrauenswürdigkeit der Organisationen geachtet.