Die Beschäftigten im Handwerk verdienen im Schnitt 20 Prozent weniger als Beschäftigte in der Industrie. Durch die Corona-Krise hat sich die Einkommenssituation weiter verschlechtert. DGB-Vorstand Stefan Körzell fordert deshalb einheitliche Regelungen für tarifgebundene Löhne und sichere Arbeitsplätze.
Colourbox.de
Stefan Körzell: Auch im Handwerk legt die Corona-Krise die Versäumnisse der letzten Jahre schonungslos offen. Beschäftigte im Handwerk verdienen im Schnitt 20 Prozent weniger als Beschäftigte in der Industrie. Als nun Friseursalons wegen der Infektionsgefahr geschlossen bleiben mussten und Gebäudereinigungsbetriebe, die ihre Auftraggeber nicht im Gesundheitswesen haben, Kurzarbeit anmelden mussten, zeigte sich sehr schnell, was das für die Beschäftigten bedeutet: Wenn man schon vom vollen Lohn nur gerade so über die Runden kommt, hat man mit 60 bzw. 67 Prozent Kurzarbeitergeld mit Sicherheit nicht mehr genug Geld zum Leben. Dazu kommt, dass viele nicht einmal Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben, weil sie nur in Minijobs beschäftigt waren. Ihnen bleibt nun nichts anders übrig, als Hartz IV zu beantragen.
Die Krise zeigt, wie wichtig soziale Sicherung ist. Aus der Krise lernen heißt daher für uns: Gute Arbeit ausbauen, statt abbauen. Hier sind die Betriebsinhaber gefragt, hier ist aber auch die Politik gefragt, den rechtlichen Rahmen zu gestalten.
Zum Beispiel kann der Gesetzgeber bei der Vergabe aktiv werden: Öffentliche Aufträge sollen nur an Unternehmen vergeben werden, die Tarifverträge anwenden. Das ist jetzt in der Krise umso wichtiger, der Staat hat hier eine Vorbildposition. Dem Wettbewerb um den billigsten Preis muss der Boden entzogen werden. Wir setzen deshalb auf Tariftreueregelungen, nicht nur in den Ländern, sondern auch auf Bundesebene.
Es braucht einen Ordnungsrahmen für das Handwerk, damit für alle die gleichen Spielregeln gelten. Eine wichtige Baustelle sind hier die Innungen. Innungen haben wichtige Aufgaben. Für viele Handwerkskammern übernehmen sie die überbetriebliche Ausbildung und die Gesellen-Prüfungen. Die Innungen und ihre Verbände können mit den Gewerkschaften Tarifverträge verhandeln. Deshalb ist es wichtig, in der Handwerksordnung die Leistungsfähigkeit der Innungen zu definieren und auch Sanktionen zu schaffen, wenn Innungen nicht leistungsfähig sind.
Im Handwerk konkurrieren konzernähnliche Unternehmen mit Klein- und Kleinstbetrieben. Hier ist es besonders wichtig, für gleiche Wettbewerbsbedingungen zu sorgen. Es braucht einen Ordnungsrahmen für Soloselbstständige. Auch müssen Minijobs sehr viel stärker eingeschränkt werden. Es muss Schluss sein mit Geschäftsmodellen, bei denen die Stühle in einem Friseursalon an Honorarkräfte vermietet werden, oder Betriebe auf Minijobber und andere Formen prekärer Beschäftigung setzen.
DGB/Simone M. Neumann
DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell
Die bisherige Bewältigung der Krise zeigt, wie wichtig ein handlungsfähiger Staat ist. Das schnelle und entschiedene Handeln der Bundesregierung ist der Grund dafür, dass Deutschland, was die Auswirkungen der Krise angeht, bisher nicht schlecht da steht.
Anderseits hat die Ideologie des „schlanken Staats“ die Krise mit verursacht. Beispielsweise Die hohen Infektionszahlen in Schlachtereien: In den vergangen Jahrzehnten wurden systematisch Stellen in den Gewerbe- und Gesundheitsämtern abgebaut. Das hat zur Folge, dass es kaum noch Kontrollen gibt. Fraglich ist auch das Geschäftsmodell insgesamt bei dem über Werkverträge Menschen aus Osteuropa nach Deutschland gebracht werden und schlecht bezahlt und schlecht geschützt in den Schlachtereien eingesetzt werden. Ähnliche Modelle von Subunternehmerketten gibt es auch im Baubereich. Hier braucht es entschiedenes staatliches Handeln. Eine Ausweitung der Nachunternehmerhaftung und die Umsetzung der EU-Entsenderichtlinie in deutsches Recht sind vielversprechende Ansatzpunkte.
Zum Download: Einen neuen Ordnungsrahmen über die Krise hinaus denken.
Zum Download: Einen neuen Ordnungsrahmen über die Krise hinaus denken
Einen neuen Ordnungsrahmen über die Krise hinaus denken – Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Handwerk brauchen Sicherheit statt Deregulierung und Demokratieabbau.