Deutschland leidet unter einem Investitionsstau. Wie sich das ändern und gleichzeitig gerecht finanzieren lässt, erklärt der DGB-klartext.
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Deutschland befindet sich in einer außergewöhnlichen Situation: Die Gewährung der inneren wie äußeren Sicherheit, die Bewältigung der Folgen gestiegener Flüchtlingszahlen, Bekämpfung des Investitionsstaus und die Ankurbelung der öffentlichen und privaten Investitionen verlangen besondere Anstrengungen. Deutschland leidet seit Jahren unter einem massiven Investitionsstau. Und nicht nur erst seit dem Anstieg der Flüchtlingszahlen. Die Investitionsbedarfe haben sich durch Flüchtlinge lediglich vergrößert. Vor mehr als einem Jahr bezifferte das DIW den gesamten Investitionsstau für Deutschland auf rund 1.000 Mrd. Euro. Um das OECD-Niveau zu erreichen, müsste Deutschland in der nächsten Dekade jährlich rund 90 Mrd. Euro investieren. Dazu kommen noch jährlich bis zu 20 Mrd. Euro für die Unterbringung und Integration der Flüchtlinge.
Investitionsschwäche betrifft vor allem im stärkeren Maß öffentliche, insbesondere Verkehrs- und kommunale Investitionen. Diese bilden auch das Rückgrat der Privatwirtschaft. Innerhalb Deutschlands ist vor allem die kommunale Investitionstätigkeit immer mehr zurückgefahren worden. Der Anteil von Ausgaben der Städte und Gemeinden für Investitionen an den kommunalen Gesamtausgaben halbierte sich in den Jahren 1991 bis 2013 von über 20 Prozent auf rund 10 Prozent. In den Jahren 2003 bis 2013 verringerte sich damit das Nettoanlagevermögen der Kommunen rechnerisch um 46 Mrd. Euro. Die schwache Investitionstätigkeit der Kommunen hat damit zu einem erheblichen Anstieg der Investitionsbedarfe geführt. Der kommunale Investitionsrückstand ist laut KfW-Kommunalpanel auf insgesamt 132 Mrd. Euro angewachsen. Die größten Investitionsbedarfe liegen in den Bereichen Straßen und Verkehrsinfrastruktur, Verwaltung, Schule und sozialer Wohnungsbau. Mehr als die Hälfte des Nachholbedarfs entfallen auf Instandhaltung, Sanierung, Aus-, Rück- und Umbau von Gebäuden. Allein der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum ist durch die gestiegene Zahl der Flüchtlinge auf jährlich 400.000 Neubauten angestiegen. Gleichzeitig sehen Prognosen für 2016 geringere Steuereinnahmen als erwartet voraus.
Mehr Aufgaben erfordern höhere öffentliche Investitionen. Das kostet Geld. Viel Geld. Doch die Finanzausstattung der öffentlichen Hand ist trotz guter Konjunktur unzureichend. In dieser außergewöhnlichen Situation braucht Deutschland eine offene und ehrliche Debatte über eine gerechte Finanzierung von Zukunftsinvestitionen. Dabei sollen höhere Steuern für Reiche und Spitzenverdiener oder notfalls höhere Schulden von vornherein nicht kategorisch abgelehnt werden. Denn so, wie unsere Kommunen und Gemeinden in dieser außergewöhnlichen Situation mit dem Rücken zur Wand stehen, kann es nicht weitergehen. Unser öffentliches Leben droht zusammenzubrechen, wenn nicht schnell gehandelt wird. Deshalb brauchen wir dringend eine gerechte Finanzierung öffentlicher Investitionen.