Auch mehr als 28 Jahre nach dem Mauerfall ist die soziale Einheit immer noch nicht erreicht. Nach wie vor gibt es im Osten Deutschlands eine höhere Arbeitslosenquote, geringere Einkommen und eine schlechtere Wirtschaftsleistung als im Westen. Die kommende Bundesregierung muss mehr tun um die strukturellen Unterschiede anzugleichen, fordert der DGB-klartext.
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10.316 Tage, also mehr als 28 Jahre – so lang trennte die Mauer Ost- und Westberlin. Genauso lang – 10.316 Tage – war es am vergangenen Montag her, dass die Mauer fiel. Doch ein Blick in die Statistiken zeigt: Die soziale Einheit ist auch nach dieser langen Zeit noch nicht vollendet. Die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen Ost und West sind nach wie vor deutlich sichtbar. Zwar gibt es nicht überall und nicht ausschließlich Probleme in den ostdeutschen Bundesländern. Umbruchprozesse, strukturschwache Regionen und geballte Arbeitslosigkeit gibt es auch in Westdeutschland. Auch gab es seit 1990 natürlich wirtschaftliche Aufholprozesse im Osten. Trotzdem trennt nach wie vor ein erkennbarer Graben die „alten“ von den „neuen“ Bundeländern.
Die Arbeitslosenquote (bezogen auf abhängig beschäftigte Erwerbspersonen), lag im Januar im Osten mit 8,6 Prozent rund 2,7 Prozentpunkte höher als im Durchschnitt der westlichen Bundesländer. Die Wirtschaftsleistung pro Kopf der Bevölkerung liegt in den neuen Bundesländern nominal bei 27.000 Euro, während es in den alten Bundesländern 39.000 Euro sind (jeweils ohne Berlin). Gleichzeitig ist die Zahl der Einwohner im Osten seit 1991 um zwei Millionen, also rund 14 Prozent zurückgegangen. Wegen der schrumpfenden Bevölkerung ist die Wirtschaftsleistung insgesamt in den neuen Bundesländern seit Mitte der 1990er Jahre auch deutlich langsamer gewachsen als in den alten.
Auch bei den Löhnen herrscht nach wie vor große Ungleichheit. Tatsächlich stagniert die Annäherung der ostdeutschen Effektivlöhne an das Westniveau mittlerweile seit 20 Jahren. Nach wie vor liegt das Lohnniveau im Osten insgesamt bei nur 83 Prozent des Lohnniveaus im Westen. Allerdings gibt es dabei Unterschiede zwischen den Branchen: Während zum Beispiel im Bereich Erziehung und Unterricht die Ost-Bruttoverdienste bei 99,5 Prozent des Westniveaus liegen, gibt es im Handel mit 74,2 Prozent erhebliche Aufholpotentiale.
Der Grund: Unterschiedliche Betriebsgrößen, aber auch Unterschiede bei Tarifbindung und gewerkschaftlichem Organisationsgrad. Dort, wo Gewerkschaften besonders einflussreich sind, ist die Lohngleichheit nahezu hergestellt. Die Tariflöhne, die von den Gewerkschaften ausgehandelt werden, liegen in den neuen Bundesländern bei insgesamt rund 98 Prozent des Westniveaus (siehe Grafik). Eine Stärkung der Tarifbindung ist also das beste Rezept gegen die Ungleichheit.
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Die Politik muss aber noch mehr tun, um das grundgesetzlich verankerte Ziel, gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen, zu erreichen. Es braucht eine Stärkung der Regional- und Strukturpolitik, die allen strukturschwachen Regionen zu Gute kommt. Hier muss eine neue Bundesregierung liefern. Auch eine Angleichung des Mindestlohns in der Pflege Ost an West, wie es in den Koalitionsgesprächen angedacht wurde, wäre ein weiterer Schritt zur Vollendung der sozialen Einheit.