Dieses Jahr fand wieder der DGB-Tag der Berufsbildung statt. Zentrales Thema: Mit moderner Berufsbildung gegen den Fachkräftemangel. Circa 130 Teilnehmer*innen kamen zusammen, um bei den Vorträgen, Gesprächsrunden und Workshops rund um das Thema dabei zu sein. Mehr zur Veranstaltung gibt es hier zum nachlesen.
DGB/Gordon Welters
Dies ist die zentrale Botschaft des DGB-Tag der Berufsbildung am 9. und 10. November 2023 in Berlin. Rund 130 Teilnehmer*innen waren sich einig: Eine hochwertige Berufsbildung ist das Fundament für zukünftige Fachkräfte!
Elke Hannack, stellvertretende DGB-Vorsitzende, betonte in ihrer Rede die Anpassungsfähigkeit unseres Systems der dualen Berufsbildung an neue Technologien und sie bekräftige: "Berufliche Bildung sorgt für die Integration ins Erwerbsleben und für die Fachkräfte von morgen."
"Ohne Fachkräfte wäre die Wertschöpfung in den Unternehmen so nicht möglich. Deshalb ist es wichtig, dass wir die berufliche Bildung endlich wieder als Herz für unser Sozial- und Wirtschaftsmodell begreifen", so Hannack weiter.
Die Arbeitgeber behaupten gern, es gibt keine jungen Menschen mehr. Unsere Gesellschaft hat es sich in der Vergangenheit viel zu oft geleistet, Menschen von der Teilhabe an Gesellschaft und am Erwerbsleben auszuschließen – Menschen ohne Berufsabschluss. Wir haben mittlerweile einen Höchststand von über 2,5 Millionen jungen Menschen ohne Berufsabschluss. Hier zeigen sich die Versäumnisse der Vergangenheit sehr klar.
Neben Menschen ohne Berufsabschluss und junge Menschen ohne Ausbildung müssen wir auch die Beschäftigten in Branchen, die von Transformation betroffen sind, in den Blick nehmen.
"Wir halten den Schlüssel zur Bekämpfung des Fachkräftemangels selbst in der Hand. Es ist die Berufsbildung, die Ausbildung und die berufliche Weiterbildung", so Hannack in ihrer Rede.
In einer Gesprächsrunde diskutierten Elke Hannack, Dr. Sandra Garbade (Geschäftsführerin des Hamburger Instituts für berufliche Bildung) und Prof. Dr. Rita Meyer (Institut für Berufspädagogik und Erwachsenenbildung an der Leibniz Universität Hannover) über die Stärkung der beruflichen Bildung zur Fachkräftesicherung. Die Perspektiven aus gewerkschaftlicher Sicht, Wissenschaft und Praxis sorgten für differenzierte Sichtweisen. Elke Hannack betonte, dass die Berufsorientierung ein Problem bleibt. "Im Ausbildungsreport 2022 gaben fast 50 Prozent der Befragten an, dass Berufsorientierung an den Schulen nicht geholfen hat. Die Berufsberatung der Agentur für Arbeit kommt leider auch nicht viel besser weg", so Hannack.
Hamburg wird immer wieder als positives Beispiel für einen gelingenden Übergang zwischen Schule und Ausbildung genannt – wie ist das gelungen? "Genau hinsehen", wer die betroffenen Personen sind und welche Bedarfe sie haben; "mutig sein", um strukturelle Veränderungen und ggf. auch Gesetzesänderungen umzusetzen sowie "starke Partner", die Praktika anbieten, sind hierfür die Erfolgsfaktoren.
Wie wird künstliche Intelligenz (KI) berufliche Bildung und Qualifikationsprofile beeinflussen? Die berühmte Glaskugel haben weder Wissenschaft, Gewerkschaften noch die Praxis. Für Prof. Dr. Rita Meyer ist z. B. ChatGPT kein digitales Nachschlagewerk wie beispielsweise Wikipedia, diese Anwendung kann aber Arbeit abnehmen. Die letzte Entscheidung allerdings muss immer beim Menschen liegen und Betriebs- und Personalräte müssen KI-relevante Arbeitsprozesse regeln.
In den anschließend parallel stattfindenden Themenräumen diskutierten die Teilnehmer*innen über "Gewerkschaftliche Beiträge zur Fachkräftesicherung". Themen waren mehr Qualität und bessere Praxis in der Berufsorientierung, die (Neu-)Gestaltung von Berufen, Zusatzqualifikationen und Laufbahnkonzepten, Strategien und Konzepte für die berufliche Entwicklung von Beschäftigten und gewerkschaftliche Initiativen und Projekte in der Weiterbildung.
Im Politiktalk diskutierten Dr. Lina Seitzl (MdB, SPD) und Nicole Gohlke (MdB, Die LINKE) über die bisherigen und kommenden Impulse der Bundesregierung für die berufliche Bildung. Angestoßen wurden bereits die Ausbildungsgarantie, das Start-Chancen-Programm und eine BAföG-Reform, so Dr. Lina Seitzl. Nicole Gohlke kritisierte den Haushalt 2024 mit dem der Sanierungsstau in der Bildungspolitik nicht beseitigt werden kann. Der Lehrkräftemangel entlang der gesamten Bildungskette und die Frage wie mehr Ausbildungsbetriebe gewonnen werden können, wurden aus ihrer Sicht bisher noch nicht oder unzureichend behandelt. Sowohl Dr. Seitzl als auch Gohlke sprachen sich für eine solidarische Umlagefinanzierung aus. Auch beim Pakt für berufliche Schulen waren sich beide einig, dass derzeit nicht erkennbar ist, dass das zuständige Ministerium, entsprechend dem Koalitionsvertrag, einen Entwurf vorlegt.
Der 2. Tag der Veranstaltung startete traditionell mit der Vorstellung des DGB-Ausbildungsreports. Schwerpunkt des diesjährigen Ausbildungsreports war "Moderne Ausbildung".
Weniger als die Hälfte der Auszubildenden sieht sich durch den eigenen Ausbildungsbetrieb "sehr gut" oder "gut" auf die Anforderungen der Digitalisierung im künftigen Beruf vorbereitet. Nur ein Drittel der Auszubildenden sieht sich durch die Berufsschule "sehr gut" oder "gut" auf den Umgang mit digitalen Medien und Technologien vorbereitet.
Nachholbedarf zeigt sich laut Ausbildungsreport auch bei der Lernortkooperation zwischen Berufsschule und Ausbildungsbetrieb beim Thema Digitalisierung. Während knapp 30 Prozent der Auszubildenden sie mit "(sehr) gut" bewertet, gibt mehr als ein Drittel an, dass sie höchstens "ausreichend" ist. Dabei ist die enge Verzahnung von Theorie in der Berufsschule und Praxis im Ausbildungsbetrieb eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche, moderne Ausbildung.
Beim "Speed-Barcamp" gaben die Teilnehmer*innen der Veranstaltung die Themen vor. In 2 Sessions fanden insgesamt 22 Barcamps statt. Die Themen reichten von Berufsorientierung, Ausbildung lukrativ gestalten, Neuordnung der Steuerfachangestellten, klimarelevante Aus-, Weiter- und Fortbildung, Ausbilder*innen fördern über Gewinnung von Berufsschulfachkräften, Weiterbildung über die AEVO hinaus, Tarifvertrag Bäcker bis hin zu Bau von Azubiwohnheimen, Handwerkskammerwahlen, Fachpraktikerreglungen und der Gewinnung von Prüfer*innen.
Für die Teilnehmer*innen war der Austausch inspirierend, sie haben (neue) Kontakte für ihre Themen gefunden und nach der Tagung motiviert die Heimreise angetreten.
Die Dokumentation der Tagung wird demnächst auf Veranstaltungsarchiv | Wir gestalten Berufsbildung (dgb.de) veröffentlicht.
Die Veranstaltung hat uns erneut gezeigt, wie viele wichtige und herausfordernde Themen ‒ bei allem bereits Erreichten – in der beruflichen Bildung vor uns liegen.