Deutscher Gewerkschaftsbund

08.12.2010
klartext 39/2010

Stoppt die Schuldenbremse in den Ländern!

Es ist nicht zu fassen: Da hat die Große Koalition im Bund den Ländern eine Regelung ins Grundgesetz geschrieben, die zur weiteren dramatischen Verarmung der öffentlichen Haushalte in Ländern und Kommunen führen wird – und was tun die Länder? Sie konkurrieren darum, wer diesen politischen Offenbarungseid als Erster in die eigene Länderverfassung schreiben darf. Die Hauptsache scheint zu sein, sich öffentlich als harter Sanierer, harter Sparer zu profilieren. Dass damit aber auch grundlegende Zukunftschancen von Menschen und von ganzen Regionen verspielt werden, wird erfolgreich verdrängt. Wer auf diese große politische Unvernunft hinweist, wird  öffentlich verbal geohrfeigt. Mehr Huldigung an den wieder erstarkten neoliberalen Zeitgeist ist kaum denkbar.

Die Schuldenbremse wird die öffentlichen Haushalte knebeln und die Infrastruktur weiter ruinieren. Wer eine solche Regel in seine Verfassung schreibt, lässt den Staat verarmen und verspielt die Möglichkeit, Zukunft aktiv zu gestalten. Denn mit einer Schuldenbremse verliert die Finanzpolitik selbst in normalen konjunkturellen Zeiten Handlungsspielräume für eine sozial gerechte Politik. Die Politik begibt sich freiwillig und sehenden Auges in einen Teufelskreis aus immer rigiderer Sparpolitik und zunehmender  Wachstumsschwäche.

Was ist die Schuldenbremse?

Die Länder dürfen ab 2020 keine Kredite mehr aufnehmen. Um dies sicherzustellen, müssen sie ab sofort drastisch sparen, Leistungen kürzen. Dafür wurden im Grundgesetz in den Artikeln 109 und 115 detaillierte restriktive Vorgaben formuliert. Diese Regeln bestehen aus einer Strukturkomponente, einer Konjunkturkomponente und einer Ausnahmeklausel: Die Strukturkomponente regelt den Grundsatz. Danach darf der Bund künftig nur noch Kredite in Höhe von maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufnehmen – die Länder null Prozent . Schon diesen Unterschied zwischen Bund und Ländern hat bis heute kein Verantwortlicher plausibel erklärt.

Im Unterschied zum Bund haben die Länder auch nicht die Möglichkeit, autonom ihre Einnahmen – sprich Steuern – zu erhöhen. Während der Bund also immerhin die Wahl hat, Kürzungspolitik zu betreiben oder stattdessen Großverdiener, Vermögen und Kapitalerträge wieder stärker zu besteuern, haben die Länder kein relevantes eigenes Steuererhebungsrecht. So können sie auf die Schuldenbremse nur eine Antwort geben:

Sparen auf Teufel komm raus. Da schnuppern einige neoliberale Auguren erst recht Morgenluft: Dann müssten die Länder eben nicht nur Sparen, sondern auch eigene Steuererhebungsmöglichkeiten bekommen, um
das drohende finanzielle Fiasko abzuwenden. So weit darf es nicht kommen! Ein solcher Wettbewerbsföderalismus würde unsere Gesellschaft polarisieren und zutiefst spalten. Wo bleibt da das im Grundgesetz verankerte Recht auf gleichwertige Lebensverhältnisse? Im Föderalismus geht es um mehr Kooperation unter den Ländern und nicht um mehr Dumping und Wettbewerb.

Deshalb: Sinnvolle Investitionen müssen kreditfinanziert möglich sein. Sonst droht der Verfall der oft schon maroden Infrastruktur in Deutschland. Ein Blick auf baufällige Schulen, Universitäten und Krankenhäuser lässt die Folgen der Schuldenbremse erahnen. Hier offenbart sich die verquere Argumentation „mit Rücksicht auf kommende Generationen“: Diese erben dann nicht nur eine kaputt gesparte Infrastruktur, sondern auch ein verfassungsrechtlich fixiertes Schuldenverbot. Ökonomisch sinnlos, sozial unverantwortlich.

Deshalb: Stoppt die Schuldenbremse in den Ländern! Sie bremst die Zukunft aus.


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