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Ein "Staatsversagen" gibt es angesichts der aktuellen Flüchtlingssituation keineswegs, sagt DGB-Vize Elke Hannack im Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). "Die Behörden schaffen ihre Aufgaben noch, aber auf Kosten der Beschäftigten", so Hannack. "Wir brauchen eine langfristige Personalpolitik."
DGB/Simone M. Neumann
Nein. Da klafft eine Lücke zwischen Wirklichkeit und Wahrnehmung. Die Defizite können immer noch ausgeglichen werden. Dennoch gilt es, den Staat personell so auszustatten, dass er seine Aufgaben besser wahrnehmen kann.
Seit der Wiedervereinigung wurde im öffentlichen Dienst massiv Personal abgebaut. Wir Gewerkschaften haben immer vor Engpässen gewarnt. Mit der Flüchtlingskrise sind sie nun bemerkbar bei der Polizei, in Schulen, Kitas und in der Verwaltung. Die Behörden schaffen ihre Aufgaben noch, aber auf Kosten der Beschäftigten. Wir haben einen unglaublich hohen Krankenstand. Um die Probleme in den Griff zu kriegen, wird zwar viel nachjustiert. Aber wir brauchen eine langfristige Personalpolitik.
Die CDU hat zwei Wahlversprechen abgegeben: die schwarze null und keine Steuererhöhungen. Sie tat dies zu einem Zeitpunkt, als der Flüchtlingszuzug nicht absehbar war. Die Politik muss sich auf die aktuelle Situation einstellen. Das wird nicht ohne zusätzliches Geld gehen. Auch wenn es jetzt höhere Steuereinnahmen als prognostiziert gibt – das wird nicht reichen. Die Bundesregierung muss das Dogma der schwarzen Null vorerst aufgeben. Auch über höhere Steuern, etwa bei Kapitaleinkünften, wird noch zu reden sein.
Seit 1991 wurden mehr als 2 Millionen Stellen im öffentlichen Dienst abgebaut – von 6,7 Millionen runter auf 4,7. Und in den nächsten 10 Jahren gehen mehr als eine Million Staatsbedienstete in den Ruhestand. Die müssen ersetzt und ein Teil des Personalabbaus muss rückgängig gemacht werden. Mindestens 60.000 Lehrkräfte, Erzieherinnen und Sozialpädagogen brauchen wir schon jetzt. An einer Ausbildungsoffensive im öffentlichen Sektor führt kein Weg vorbei.
Einst hatte der öffentliche Dienst als Arbeitgeber eine Vorbildfunktion. Die hat er verloren. Im öffentlichen Sektor gibt es heute mehr Befristungen als in der Privatwirtschaft. Von den 20- bis 35-Jährigen arbeiten 30 Prozent befristet – das macht den öffentlichen Dienst nicht gerade attraktiv. Entfristungen und gute Löhne sind gefragt, um gutes Personal halten und jungen Menschen Perspektiven bieten zu können.
(Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland, 16.2.2016)