Deutscher Gewerkschaftsbund

27.10.2010

Aufsichtsrat des Monats 10/10: „Prekäre mit auf die Agenda“

Nico Lopopolo

Nico Lopopolo Foto: privat

Aufsichtsrat des Monats im Oktober ist Nico Lopopolo. Der 49-Jährige vertritt seit fast 20 Jahren die Interessen der Beschäftigten bei der Renk AG, einem Produzenten von Spezialgetrieben und Gleitlagern – seit 1994 als Betriebsratsvorsitzender und seit 1998 im Aufsichtsrat der MAN SE. „In erster Linie möchte ich die Lebens- und Arbeitsbedingungen aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Unternehmen verbessern.“ Dabei gehe es auch um die Situation der prekär Beschäftigten – also der LeiharbeitnehmerInnen oder der befristet Beschäftigten. „Das gehört für uns ganz selbstverständlich mit auf die Agenda eines Aufsichtsrates“, betont IG Metall-Mitglied Lopopolo. Im Fragebogen erklärt er, was es damit auf sich hat und wie die Arbeitgeberbank darauf reagiert.

1. Wenn es keine mitbestimmten Aufsichtsräte gäbe, müsste man sie erfinden, weil…

Nur der zusätzliche Sachverstand von Arbeitnehmervertretern in Aufsichtsräten dazu führt die Interessen der abhängig Beschäftigten und der Kapitalseite einigermaßen im Gleichgewicht zu halten. Oder anders formuliert, ohne Arbeitnehmervertreter aus den eigenen Reihen wären Beschäftigte noch mehr den reinen Renditeinteressen der Kapitalseite ausgesetzt.

2. Wenn Sie einen Aspekt des deutschen Mitbestimmungsmodells weltweit einführen dürften: Welcher wäre das – und warum?

Ohne Zweifel wäre das die paritätische Unternehmensmitbestimmung, weil nur sie ein echtes Instrument darstellt, Entscheidungen auch im Gleichgewicht zu halten.

3. Wenn die Arbeitnehmerseite nicht aus betrieblichen und externen VertreterInnen zusammengesetzt wäre – was würde dem Aufsichtsrat fehlen?

Ich halte es für wichtig auch „Externe“ in den Aufsichtsräten zu haben, weil nur durch sie sichergestellt werden kann, dass auch andere nicht unbedingt unternehmensspezifische Sichtweisen eingebracht werden. Im Übrigen kann es ihnen auch leichter fallen, die Finger in „offene Wunden“ zu legen.

 4. Was war bisher Ihr größter Erfolg, den Sie gemeinsam im Aufsichtsrat durchsetzen konnten?

 Da könnte man sicher einiges aufzählen, aber ich glaube beispielhaft sollte ich an dieser Stelle die Aufzahlung auf das Kurzarbeitergeld nennen und noch wichtiger, die Vereinbarung zur Umwandlung der MAN AG in eine europäische Aktiengesellschaft. Hierbei konnten viele Punkte verankert werden, die uns Arbeitnehmervertretern sehr wichtig waren.

 5.…und was das größte Ärgernis im Laufe Ihrer Aufsichtsratstätigkeit?

Das hängt leider auch mit der Umwandlung der Aktiengesellschaft in die europäische Aktiengesellschaft zusammen. Es ist uns nicht gelungen, eine Verkleinerung des Aufsichtsrats zu verhindern. Gerade in einem so breit aufgestellten Konzern ist es dadurch noch schwieriger geworden, alle Interessen unter einen Hut zu bekommen..

 6. Mit Blick auf Europa und die Globalisierung: Muss sich die Arbeit der Aufsichtsräte noch weiter internationalisieren?

 Ein ganz eindeutiges ja! Ich würde sogar noch ein Stück weiter gehen und sagen, dass wir den Blick über die europäischen Grenzen hinaus schärfen müssen. Allerdings sollte man bei aller Globalisierung auch nicht vergessen, dass auch hier in Deutschland trotz guter Mitbestimmungsstrukturen auch nicht alles in Ordnung ist, was die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen anbelangt.

7. Der Aufsichtsrat unterstützt gute und sozial verantwortungsvolle Unternehmensführung, indem…

 ...immer wieder darauf hingewiesen wird, dass gerade unsere Kolleginnen und Kollegen diejenigen sind, die erst dafür sorgen das Unternehmensgewinne entstehen. Und: Für uns müssen auch die Interessen der prekär Beschäftigten also zum Beispiel der Leiharbeiternehmer oder der Befristeten eine Rolle spielen. Dafür setzen wir uns ein.

8. Wer reagiert am positivsten auf Ihre Arbeit im Aufsichtsrat, wer weniger positiv?

Diese Frage ist sicher eine der Schwierigsten, die man sich aber im Laufe der Jahre auch selbst immer wieder stellt. Ich würde aber sagen, dass grundsätzlich die Menschen, die sich intensiver mit Unternehmenspolitik und deren Auswirkungen beschäftigen, in der Regel auch Aufsichtsratstätigkeit positiver beurteilen. Schwieriger wird es da schon bei denen, die die Zusammenhänge von Aufsichtsratstätigkeit mit dem eigenen Arbeitsplatz im Unternehmen nicht einordnen können.

9. Das Wort, das in Vorbesprechungen der Arbeitnehmervertreter vor Aufsichtsratssitzungen am häufigsten fällt, ist…

„Vertraulich“

10. Action, Komödie, Tragödie, Krimi, Liebesfilm – welches Genre beschreibt Ihren Aufsichtsrat am besten? Und welchen Titel hätte ein Film über das Gremium?

Ich glaube, dass alle genannten Genres in Frage kommen. Letztlich hängt es meist von der aktuellen Situation ab und die ändert sich oft sehr schnell. Von daher würde ich das nicht auf nur ein Merkmal begrenzen wollen. Ein Film könnte den Titel „Wie Igel Liebe machen“ tragen. Damit könnte man am Besten zum Ausdruck bringen, dass im Umgang mit der Kapitalseite größte Vorsicht geboten ist um nicht „verletzt“ zu werden.


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