Die Lebenserwartung in Deutschland steigt und steigt - aber nicht für alle gleich. Wer in seinem Berufsleben hohen Belastungen ausgesetzt war, stirbt früher als andere. Und wer früher stirbt, bekommt kürzer Rente. "Jene, die ein höheres Rentenalter fordern, nehmen damit neue Ungerechtigkeiten in Kauf", kritisiert DGB-Vorstand Annelie Buntenbach. Sie fordert unter anderem mehr Anstrengungen beim Arbeitsschutz.
DGB/Sergei Panasenko/123rf.com
Die Lebenserwartung in Deutschland steigt, schon seit langem. Die Hälfte der Männer, die 1960 geboren sind, wird, sofern sie die 65 überschritten hat, voraussichtlich 86 Jahre alt werden, bei den Frauen sind es sogar 90 Jahre. Bei der Generation zuvor waren es noch fünf Jahre weniger.
Arbeitgeber und einige Wissenschaftler fordern deshalb, das Rentenalter weiter anzuheben, nach dem Motto: Wer länger lebt, kann auch länger arbeiten. Doch das geht an der Realität vorbei. Denn die Lebenserwartung steigt nicht für alle gleichermaßen an: Menschen mit niedrigem Einkommen und starken Belastungen gewinnen kaum an Lebenszeit, während diejenigen, die ohnehin auf der Sonnenseite des Lebens stehen, deutlich älter werden und damit den Durchschnitt insgesamt nach oben ziehen.
Eine neue Studie, die der DGB in Auftrag gegeben hat, hat nun untersucht, wie sich die Belastungen während des Berufslebens auf die Lebenserwartung auswirkt. Dafür wurde untersucht, wie lange jemand, der das 65. Lebensjahr erreicht hat, vorraussichtlich noch zu leben hat. Zentrales Ergebnis: Wer in seinem Arbeitsleben hohen Belastungen ausgesetzt war, stirbt früher als andere. Schlechte Arbeitsbedingungen beeinflussen also nicht nur das unmittelbare Wohlbefinden, sondern wirken über das Erwerbsleben hinaus - und führen dazu, das die Betroffenen kürzer und damit weniger Rente bekommen.
Das passt zu den Unterschieden zwischen den Berufsklassen, die bereits in einer früheren Studie deutlich wurden. Danach haben Beschäftigte im Bergbau nach Erreichen des 65. Lebensjahres statistisch gesehen noch etwa 11 Jahre zu leben, Techniker dagegen rund 17 (Männer) oder sogar knapp 20 (Frauen). Jetzt zeigt sich: Über alle Branchen und Berufsgruppen hinweg liegt diese so genannte ferne Lebenserwartung bei Menschen mit einer sehr niedrigen Arbeitsbelastung knapp zwei Jahre über dem Durchschnitt, bei Menschen mit einer sehr hohen Belastung ein Jahr darunter. Auch hier gibt es große Unterschiede zwischen Männern und Frauen.
Grafiken: Fernere Lebenserwartung in einzelnen Berufsklassen und nach Arbeitsbelastung
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Für den DGB ergeben sich aus den Ergebnissen der Studie klare Forderungen. Unter anderem wird deutlich, dass eine Anhebung des Rentenalters keine Option ist: "Beschäftigte mit hoher Arbeitsbelastung sterben früher, das belegt die Studie erstmals", kommentiert DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. "Jene, die ein höheres Rentenalter fordern, nehmen damit neue Ungerechtigkeiten in Kauf, denn wer früher stirbt, bekommt auch eine kürzere Zeit Rente. Damit wäre gerade für diejenigen, die in ihrem Arbeitsleben eine hohe Belastung zu verkraften hatten, ein höheres Rentenalter nichts anderes als ein Rentenkürzungsprogramm.
Wir wollen die Rente über 2030 hinaus auf dem heutigen Niveau stabilisieren. Die gesetzliche Rentenversicherung ist nach wie vor für die allermeisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die zentrale Säule ihrer Altersversorgung. Mithilfe von Bundesmitteln sollte das gesetzliche Rentenniveau auf mindestens 48 Prozent stabilisiert und im weiteren Schritt dauerhaft auf 50 Prozent angehoben werden."
"Es kommt aber auch darauf an, die Übergänge aus dem Erwerbsleben in die Rente flexibel zu gestalten", so Annelie Buntenbach weiter. "Wer es gesundheitsbedingt nicht bis zum Rentenalter schafft, muss vorher ausscheiden können – ohne Rentenabschläge. Heute scheiden jedes Jahr gut 200.000 Versicherte vor dem 65. Lebensjahr aus dem Erwerbsleben aus, wegen Krankheit oder gar Tod.
Klar ist auch, dass es deutlich größere Anstrengungen beim Arbeitsschutz und bei der Prävention braucht. Hier ergeben sich etwa durch die Digitalisierung Chancen, körperlich schwere Arbeit zu erleichtern. Gleichzeitig gilt es zu verhindern, dass die Digitalisierung zu einer weiteren Entgrenzung und Verdichtung von Arbeit führt. Politik und Arbeitgeber sind hier gefragt, diese Chancen im Sinne der Beschäftigten zu nutzen und negative Belastungen zu vermeiden.“
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