Deutscher Gewerkschaftsbund

19.07.2010
Mindestlohn-Interview

Andreas Dinges: Branchenmindestlohn kann Lohndumping in der Leiharbeit verhindern.

Andreas Dinges, Geschäftsführer der Adeccogruppe in Deutschland, macht sich für einen Branchenmindestlohn in der Leiharbeit stark. Alle Akteure am Arbeitsmarkt müssten dafür sorgen, dass sich Niedriglöhne nicht ungesteuert ausbreiten könnten, sagt er im Mindestlohninterview.

Wie beurteilen Sie den FDP Vorstoß „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“?

Andreas Dinges: Ich bin sehr verwundert über die inhaltliche Kehrtwende der FDP, mit der sie jetzt im Gleichklang mit der IG Metall agiert. Die Vorschläge sind ein klarer Eingriff in die Tarifautonomie. Davon abgesehen: Fachkräfte zahlen wir schon heute vielfach über Tarif. Die Unterschiede in der Entlohnung betreffen vor allem gering Qualifizierte. Doch gerade diese Klientel holen wir häufig aus der Arbeitslosigkeit und investieren in Qualifizierung. Sie wären als Erste von der Verteuerung der Zeitarbeit betroffen, da viele Konzerne und Mittelständler dann ihre Produktion in Billiglohnländer verlagern. Das würde Deutschland Jobs und Steuergelder kosten.

Die beiden großen Arbeitgeberverbände BZA und iGZ haben einen Mindestlohn-Tarifvertrag abgeschlossen. Was waren die Gründe dafür?

Andreas Dinges: Der deutsche Arbeitsmarkt wird sich verändern müssen, um in Zukunft im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Zeitarbeit wird eine Arbeitsform der Zukunft darstellen. In dieser Rolle muss die Branche faire und attraktive Beschäftigungsbedingungen schaffen – heute und in Zukunft. Mit dem Tarifvertrag haben wir eine gute Basis. Nun ist es an der Politik, die Zeitarbeit endlich ins Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufzunehmen und diesen Mindestlohn-Tarifvertrag für allgemeinverbindlich zu erklären.

Wo sehen Sie in der Politik Hindernisse, dass dieser Mindestlohn in Kraft tritt?

Andreas Dinges: Hindernisse in der Politik kann und will ich nicht bewerten. Bisher konnte sich die Branche nicht auf eine Lohnuntergrenze verständigen. Ich bin optimistisch, dass uns das noch gelingt. Somit sind die Pläne der Arbeitsministerin, die Zeitarbeitsbranche in das Entsendegesetz aufzunehmen, richtig und wichtig.

Die Tarifparteien haben sich für einen Mindestlohn entschieden, weil zum 1. Mai 2011 die Arbeitnehmerfreizügigkeit eintritt. Welche Folgen würden eintreten, wenn bis zu diesem Zeitpunkt kein allgemeinverbindlicher Mindestlohn in der Zeitarbeit gelten würde?

Andreas Dinges: Wenn Arbeitnehmer aus den osteuropäischen EU-Ländern ab Mai 2011 freien Zugang auf den deutschen Arbeitsmarkt haben werden, bekommen wir ohne Mindestlohn ein riesiges Tohuwabohu am Arbeitsmarkt. Wir müssen verhindern, dass in Deutschland ein Chaos in der Lohngestaltung entsteht und eine Spirale nach unten gestartet wird.

Man hört vereinzelt, dass Löhne um die vier Euro gezahlt würden, sofern der Mindestlohn in der Zeitarbeit nicht umgesetzt ist. Halten Sie dies für realistisch?

Andreas Dinges: Das Lohnniveau könnte dann unter fünf Euro in der Stunde liegen. Wir haben jetzt schon eine heiße Debatte über das Thema Geringverdiener und Sozialleistungen. Es liegt in der Verantwortung aller Akteure am Arbeitsmarkt, zu vereiteln, dass sich Niedriglöhne ungesteuert ausbreiten, deren wir nicht mehr Herr werden können.

Fühlen Sie sich durch einen Mindestlohn in der Zeitarbeit in Ihrer tariflichen Gestaltung eingeschränkt?

Andreas Dinges: Wir machen uns schon seit Jahren für einen Branchenmindestlohn stark. Das Thema Arbeitnehmerfreizügigkeit ist hier nur ein Aspekt. Was ich für ebenso wesentlich halte: Nicht alle der mehr als 8.000 Unternehmen in unserer Branche arbeiten so, wie wir uns das wünschen. Durch einen Branchenmindestlohn können wir Lohndumping-Versuchen endgültig einen Riegel vorschieben und auch „Nischen“ für Missbrauch schließen.


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