Deutscher Gewerkschaftsbund

31.05.2010
Edeltraud Glänzer

Aufsichtsrat des Monats 05/2010: Mitbestimmung ist ein wichtiger Pfeiler

Edeltraud Glänzer Aufsichtsrätin des Monats Mai 2010

Edeltraud Glänzer, Aufsichtsrätin bei B. Braun Melsungen AG, Solvay Deutschland GmbH und Merck KGaA. IG BCE/Peter Hiltmann

Aufsichtsrätin des Monats im Mai ist Edeltraud Glänzer. Sie vertritt die Interessen der ArbeitnehmerInnen in den Aufsichtsräten der B. Braun Melsungen AG, der Solvay Deutschland GmbH und der Merck KGaA. Für die gelernte Industriekauffrau und diplomierte Sozialpädagogin steht vor allem eine an den Interessen der Beschäftigten ausgerichtete Unternehmensführung im Zentrum: „Unternehmensmitbestimmung ist neben der Betriebsratsarbeit ein wichtiger Pfeiler unserer Sozialpartnerpolitik.“ Glänzer ist seit 2005 Mitglied im geschäftsführenden Hauptvorstand der IG BCE. Im Fragebogen zum Aufsichtsrat des Monats erklärt sie, was die Herausforderungen der Unternehmensmitbestimmung sind. 

1. Wenn es keine mitbestimmten Aufsichtsräte gäbe, müsste man sie erfinden, weil…

so die Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in geschäftspolitische Entscheidungsprozesse eingebracht, damit verbundene Chancen besser genutzt und Risiken begrenzt werden können. Zudem ist ernsthaft nicht zu bestreiten, dass gerade in Krisenzeiten ein belastbares und konstruktives Verhältnis zwischen Unternehmensleitung und Beschäftigten wesentlich dazu beiträgt, Konflikte zu entschärfen, sozialverträgliche Lösungen zu finden und gemeinsam am nachhaltigen Unternehmenserfolg zu arbeiten. Nachhaltig heißt selbstverständlich auch, dass die Rechte, Interessen und Belange der Beschäftigten beachtet werden und gewahrt bleiben.

2. Wenn Sie einen Aspekt des deutschen Mitbestimmungsmodells weltweit einführen dürften: Welcher wäre das – und warum?

Die paritätische Besetzung des Gremiums. Wir haben zwar außerhalb des Montanbereichs keine volle Parität, doch die gleiche Anzahl der Sitze ist weit mehr als ein bloßes Symbol. Debatten auf Augenhöhe sind möglich, unser Einfluss auf Unternehmensentscheidungen ist beträchtlich.

3. Wenn die Arbeitnehmerseite nicht aus betrieblichen und externen VertreterInnen zusammengesetzt wäre – was würde dem Aufsichtsrat fehlen?

Die betrieblichen Vertreterinnen und Vertreter sind mit den Besonderheiten des Unternehmens vertraut und bringen diese speziellen Kenntnisse ein. Eine wichtige Aufgabe der „Externen“ ist es, dafür zu sorgen, dass branchenspezifische, gesamtwirtschaftliche und relevante politische Aspekte im Entscheidungsprozess beachtet werden. Die Mischung aus betrieblichen und externen Aufsichtsräten hat sich bewährt, das gilt insbesondere für die Klärung strategischer Fragen.

4. Was war bisher Ihr größter Erfolg, den Sie gemeinsam im Aufsichtsrat durchsetzen konnten?

Ein Standortsicherungsvertrag. Trotz einer schwierigen wirtschaftlichen Lage ist es uns gelungen, ein gutes Abkommen auf den Weg zu bringen: Erhebliche Investitionen, stabile Beschäftigung, Erfolgsbeteiligung der Beschäftigten und Tarifbindung lauten hier die Eckpunkte.

5. …und was das größte Ärgernis im Laufe Ihrer Aufsichtsratstätigkeit?

Zahlen lagen nicht rechtzeitig zur Sitzung vor, dadurch war eine vernünftige Vorbereitung kaum mehr möglich. Getoppt wurde dies noch durch den Umstand, dass die in der Sitzung formulierte Kritik an einer solchen Praxis zunächst folgenlos blieb. Unterdessen funktioniert das weitgehend so, wie es sein sollte. Eine gewisse Hartnäckigkeit gehört schon dazu.

6. Mit Blick auf Europa und die Globalisierung: Muss sich die Arbeit der Aufsichtsräte noch weiter internationalisieren?

Das hängt zunächst einmal natürlich davon ab, wie weit und tief ein Unternehmen international engagiert ist. Für die Gewerkschaften und die Betriebsräte ist ein Zusammenwirken über die Grenzen hinweg grundsätzlich nichts Neues. Die Arbeit in den Netzwerken, europäischen und internationalen Organisationen wird weiter an Intensität zunehmen, das ist klar der Trend. Die Aufsichtsräte wären schlecht beraten, würden sie sich allein an deutschen Interessen orientieren. Zugleich müssen wir darauf achten, dass die Belegschaften an den einzelnen Standorten nicht gegeneinander ausgespielt werden.

7. Der Aufsichtsrat unterstützt gute und sozial verantwortungsvolle Unternehmensführung, indem…

die Kapitalseite endgültig Abschied nimmt von der Fixierung auf kurzfristigen Ertrag und Dividende. Den Arbeitnehmervertreterinnen und -vertretern geht es seit jeher darum, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Das ist die Grundlage für nachhaltigen Erfolg. Dazu zwei Beispiele.

Wir haben das Demografie-Thema platziert, am Ende ist eine gute, umfassende und vorausschauende Vereinbarung herausgekommen. Alterns- und alternsgerechte Arbeitsbedingungen, Gesundheit, Qualifizierung und Weiterbildung, Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie Arbeitszeitflexibilität – die Regelungen können sich wirklich sehen lassen.

Im „Wittenberg-Prozess“ haben die Chemie-Sozialpartner gemeinsame Leitlinien für verantwortliches Handeln in der sozialen Marktwirtschaft entwickelt. Ziel ist es, in der chemischen Industrie ein werteorientiertes faires Verhalten zu fördern. Es geht jetzt also darum, diesen Ethik-Kodex in den Betrieben wirksam zu machen. Und genau dies ist uns gelungen, im Unternehmen sind konkrete Umsetzungsschritte verabredet.

8. Wer reagiert am positivsten auf Ihre Arbeit im Aufsichtsrat, wer weniger positiv?

Das ist pauschal nicht zu beantworten. Es kommt insgesamt darauf an, authentisch, engagiert und offen zu agieren. Und natürlich spielen Transparenz und Verlässlichkeit eine große Rolle. Wichtig ist mir, einen „engen Draht“ zu den Beschäftigten zu halten, denn es geht letztlich um ihre Interessen, um ihre Arbeitsplätze, um ihre Zukunft.

9. Das Wort, das in Vorbesprechungen der Arbeitnehmervertreter vor Aufsichtsratssitzungen am häufigsten fällt, ist…

Standortsicherung und Arbeitsplatzerhalt.

10. Action, Komödie, Tragödie, Krimi, Liebesfilm – welches Genre beschreibt Ihren Aufsichtsrat am besten? Und welchen Titel hätte ein Film über das Gremium?

Ich denke da eher an Sportreportagen im Sinne von „Entscheidend ist auf´m Platz“ um gemeinsame Interessen gemeinsam umzusetzen.


Nach oben

Finde deine Gewerkschaft

Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter halten Fahnen hoch: Grafik
DGB
Rechtsschutz, tarifliche Leistungen wie mehr Urlaubstage und Weihnachtsgeld, Unterstützung bei Tarifkonflikten und Weiterbildung – dies sind 4 von 8 guten Gründen Mitglied in einer DGB-Gewerkschaft zu werden.
weiterlesen …

Der DGB-Tarifticker

Ge­werk­schaf­ten: Ak­tu­el­le Ta­rif­ver­hand­lun­gen und Streiks
Gewerkschafter*innen auf Demonstration für besseren Tarif
DGB/Hans-Christian Plambeck
Aktuelle Meldungen zu Tarifverhandlungen, Tariferfolgen und Streiks der acht Mitgliedsgewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).
weiterlesen …

RSS-Feeds

RSS-Feeds: Un­se­re In­hal­te – schnell und ak­tu­ell
RSS-Feed-Symbol im Hintergrund, im Vordergrund eine Frau, die auf ihr Handy schaut
DGB
Der DGB-Bundesvorstand bietet seine aktuellen Meldungen, Pressemitteilungen, Tarifmeldungen der DGB-Gewerkschaften sowie die Inhalte des DGB-Infoservices einblick auch als RSS-Feeds.
weiterlesen …

Direkt zu deiner Gewerkschaft

Zu den DGB-Gewerkschaften

DGB