Deutscher Gewerkschaftsbund

17.05.2022
Beschlüsse 22. OBK

Gesundheit für den Menschen, nicht für Profite

von Kevin Leo Schmidt & Marco Frank

Der 22. Ordentliche DGB-Bundeskongress (OBK) hat auch Beschlüsse zur Gesundheitspolitik getroffen: Gesundheit muss sozial gerechter und gesundheitliche Versorgungsstrukturen müssen patientenorientiert modernisiert werden. Im Mittelpunkt der Versorgung müssen die Menschen und ihre Bedarfe stehen. Der profitgetriebene Gesundheitskapitalismus gehört deswegen abgeschafft.

Stethoskop auf Geldscheinen abgelegt

Colourbox.de

Zukunft gestalten wir. Dieses Motto stand über dem 22. Parlament der Arbeit und es gilt ebenso für die dort getroffenen gesundheitspolitischen Beschlüsse. Denn auch mit der Erfahrung einer Pandemie im Gedächtnis hat das höchste Entscheidungsgremium des DGB seine zentralen Leitlinien für die Weiterentwicklung von Gesundheitsversorgung und der Gesundheitspolitik auch im weiteren Sinne festgelegt. Um die soziale und wirtschaftliche Ungleichheit in der Verteilung von Gesundheit bereits im Entstehen zu bekämpfen, müssen die sozialen und materiellen Ausgangsvoraussetzungen für Gesundheit verbessert werden. An dem Ziel, soziale Einflussfaktoren auf Gesundheit letztlich irrelevant zu machen, müssen deshalb auch andere Politikbereiche mitwirken.

Selbstverständlich war aber auch das Gesundheitssystem selbst Gegenstand der Beschlussfassung. So hat der 22. OBK beschlossen, dass das gesundheitliche Versorgungsniveau gesichert, ausgebaut und qualitativ verbessert werden soll. Dazu müssen die Versorgungsstrukturen deutlich stärker an den Bedarfen der Versicherten ausgerichtet werden und überkommene Grenzen zwischen verschiedenen Sektoren und Leistungserbringer*innen abgebaut werden. In diesem Sinne sind integrierte, wohnortnahe und renditeferne Versorgungskonzepte zu stärken. Dabei muss die Vergütungsordnung auf Grundlage einheitlicher Qualitätsstandards reformiert werden.

Stationäre Versorgung sichern, Zukunftsfähigkeit gestalten

Im Bereich der stationären Versorgung muss die Finanzierung medizinisch sinnvoller Versorgungsbedarfe sichergestellt werden. Die Grundlage einer guten stationären Versorgung ist eine ausreichende Investitionskostenfinanzierung. Dazu müssen die Länder ihrer Verantwortung für die Investitionskosten wieder in vollem Umfang gerecht werden. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften fordern in diesem Sinne die Weiterentwicklung des Fallpauschalensystems zur Krankenhausfinanzierung. Die anreizgetriebenen Fehlsteuerungen sind abzustellen und die vollständige Refinanzierung aller bei wirtschaftlicher Betriebsführung entstehenden Kosten und Ausgaben in Krankenhäusern zu gewährleisten. Sogenannte Vorhalte- und Ausbildungskosten sowie Kosten für eine umfassende Notfallversorgung sind bedingungslos zu refinanzieren. Für eine qualitativ hochwertige und krisenfeste Versorgung sind gute Arbeitsbedingungen und eine ausreichende Personalausstattung unverzichtbar. Deshalb fordern der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften, das erforderliche Personal im Rahmen einer bedarfsgerechten gesetzlichen Personalbemessung vorzuhalten und zu finanzieren. Die Einführung der Pflegepersonalregelung (PPR) 2.0 als verbindliche Personalbemessung im Übergang, bis ein anschlussfähiges, wissenschaftliches Instrument entwickelt und gesetzlich verbindlich in den Krankenhäusern umgesetzt wird, kann deshalb aus gewerkschaftlicher Sicht nur unterstützt werden.

In der Pandemie hat sich nicht nur gezeigt, dass die Gestaltung der Arbeit letztlich die Achillesferse einer guten Versorgung ist, sondern es sind auch die Defizite bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen sowie der schlechte Zustand des Öffentlichen Gesundheitsdienstes deutlich geworden. Der DGB fordert daher die Schließung von Digitalisierungsdefiziten im Sinne der Versicherten sowie den deutlichen Ausbau des Öffentlichen Gesundheitsdienstes zu einer tragfähigen dritten Säule der Gesundheitsversorgung. Die Potentiale der Digitalisierung müssen für eine Hebung der Versorgungsqualität so nutzbar gemacht werden, dass der Schutz der Versicherten und ihrer Datensouveränität jederzeit gewährleistet ist. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften sprechen sich hier für eine größtmögliche Renditeferne bei der Verwendung von Versichertendaten für Forschungszwecke aus. Bei der Digitalisierung dürfen zudem weder das Solidarprinzip der GKV geschwächt oder zentrale digitale Versorgungsstrukturen privatisiert werden.

Gesundheitskapitalismus abschaffen, Solidarsystem stärken

Um den Menschen nachhaltig im Mittelpunkt der Versorgung zu verankern, muss letzten Endes die Systemfrage gestellt werden. Eine gute, bedarfsgerechte und wirtschaftliche Gesundheitsversorgung kann und darf nicht dem Markt überlassen werden. In einem Gesundheitswesen, das zum Spekulationsobjekt von Private-Equity-Gesellschaften wird, sinkt die Versorgungsqualität zusammen mit der Qualität der Arbeitsbedingungen. Stattdessen müssen die zunehmende Ökonomisierung, Privatisierung und Profitorientierung im Gesundheitswesen konsequent zurückgedrängt werden. Der profitorientierte Gesundheitskapitalismus muss letztendlich abgeschafft werden. Denn Versicherte leiden gleich doppelt unter ihm: Als Patient*innen wird ihre Versorgung zunehmend an Renditestrategien statt an tatsächlichen Versorgungsbedarfen ausgerichtet. Und als Beitragszahlende müssen sie dann die Rechnung dafür zahlen, dass ihre Mitgliedsbeiträge für private Renditen statt für eine bessere Versorgung ausgegeben werden.

 Der zunehmenden Profitorientierung setzt der DGB die Stärkung des selbstverwalteten GKV-Systems und seinen Ausbau als Solidarsystem entgegen. Dabei muss das durch politische Entscheidungen beschädigte GKV-System umgehend finanziell stabilisiert werden. Kürzungen im Leistungsumfang der GKV müssen dabei ein Tabu bleiben, die Gesundheitsversorgung lässt sich nicht durch ihren Abbau gegenfinanzieren. Stattdessen muss kurzfristig die Beteiligung des Bundes erhöht und das Prinzip der einkommensabhängigen Beitragsfinanzierung ausgeweitet werden. Darüber hinaus ist und bleibt die Bürgerversicherung die richtige Antwort auf die strukturellen Finanzierungsprobleme der GKV – die Einführung der Bürgerversicherung bleibt deshalb die erneut bestärkte Forderung des DGB.


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