Deutscher Gewerkschaftsbund

24.08.2009
Ralf Hermann, Evonik Degussa GmbH und Evonik Industries AG

Aufsichtsrat des Monats 08/09: Misstrauen gegenüber Finanzinvestoren verstärkt

Ralf Hermann, Aufsichtsrat des Monats 08/2009

Foto: Dieter Debo

Aufsichtsrat des Monats im August ist Ralf Hermann (51). Der Chemielaborant ist Mitglied der IG BCE und seit fast 25 Jahren Betriebsrat - heute im Chemiepark Marl, einem Tochterunternehmen der Evonik Degussa GmbH, hervorgegangen aus den Chemischen Werken Hüls. Seit 2002 vertritt er die Interessen der ArbeitnehmerInnen auch im Aufsichtsrat der Evonik Degussa GmbH und seit 2007 im Aufsichtsrat der Evonik Industries AG. Als langjähriger Konzernbetriebsratsvorsitzender beider Unternehmensgruppen kennt er die Anliegen der Beschäftigten genau. Im Interview schildert Hermann, was ein Aufsichtsrat mit einem Katalysator gemeinsam hat und welche Erfahrungen er mit Finanzinvestoren gemacht hat.

1. Mit einem kurzen Satz beschrieben ist ein Aufsichtsrat…?

...das Kontrollgremium des Unternehmens, das den Vorständen bzw. den Geschäftsführungen bei ihrer Unternehmenspolitik auf die Finger schaut.

2. Der größte Vorteil am deutschen Mitbestimmungsmodell ist…?

...dass die Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, über den Aufsichtsrat Einfluss auf Entscheidungen des Unternehmens zu nehmen und insbesondere die Sichtweise der Arbeitnehmer und deren Belange mit in die Diskussion einzubringen.

3. Was war bisher Ihr größter Erfolg, den Sie gemeinsam im Aufsichtsrat durchsetzen konnten?

Bei der Übernahme unseres Unternehmens haben wir noch in der Aufsichtsratssitzung grundsätzliche Positionen mit dem neuen Hauptanteilseigner zu Papier gebracht und diese im Protokoll der Aufsichtsratssitzung verankert. Diese Grundsätze waren dann unsere Basis für die Integration des Unternehmens in den neuen Konzern.

4. …und was das größte Ärgernis im Laufe Ihrer Aufsichtsratstätigkeit?

Der Verkauf eines Unternehmensteils an einen Finanzinvestor. In den Gesprächen mit dem Finanzinvestor hat er uns Zusagen gemacht, sozusagen „das Blaue vom Himmel“ versprochen, und ein halbes Jahr später war alles vergessen. Dieser Vorgang hat mein Misstrauen gegenüber Finanzinvestoren noch weiter verstärkt.

5. Mit Blick auf Europa und die Globalisierung: Muss sich die Arbeit der Aufsichtsräte noch weiter internationalisieren?

Ja, wir stehen vor der Frage, die Vertretung der Beschäftigten aus dem Ausland mit sicher zu stellen. Deshalb wird die Tendenz in internationalen Unternehmen weiter dahin gehen, sich in europäischen Aktiengesellschaften SE umzuwandeln. Die BASF als eines der größten deutschen Unternehmen hat uns dies bereits vorgemacht.

6. Der Aufsichtsrat unterstützt gute und sozial verantwortungsvolle Unternehmensführung, indem…

Wir uns kritisch mit allen Fragen der Unternehmensführung, der Unternehmensstrategie auseinandersetzen, das heißt, sinnvolle Vorschläge und Ideen mittragen, auch wenn sie unangenehm sind.
Der Vorstand und die Geschäftsführungen müssen aber eine klare Strategie verfolgen und die Situation der Beschäftigten mit im Blick behalten.

7. Von wem erfahren Sie den größten Respekt für Ihre Arbeit im Aufsichtsrat, von wem weniger?

Respekt erhalten wir von vielen Führungskräften des Unternehmens, die die Rolle des Aufsichtsrates für die Unternehmenspolitik genau bewerten können. Respekt erhalten wir aber auch von den Beschäftigten. Unsere Aufgabe ist es allerdings, gegenüber den Kolleginnen und Kollegen die Arbeit des Aufsichtsrates deutlich zu machen; Erfolge zu benennen, doch auch klar darzustellen, wo die Grenzen der Tätigkeiten im Aufsichtsrat gesetzt sind.

8. Wenn ein Unternehmen ein Auto wäre, welcher Teil wäre dann der Aufsichtsrat?

Ich würde den Aufsichtsrat mit einem Katalysator vergleichen. Der Katalysator hat bei einem Auto die Aufgabe, zu reinigen. Wir verstehen unsere Aufgabe darin, dass wir reinigen müssen, das heißt, dass die Ideen des Vorstandes und der Geschäftsführungen immer auch nach den Grundsätzen der sozialen Verantwortung mit bewertet werden müssen. Da ich aus dem Bereich der Chemie komme, hat der Katalysator eine zweite Aufgabe, und zwar Prozesse zu starten und zu beschleunigen.

9. Das Wort, das in Vorbesprechungen der Arbeitnehmervertreter vor Aufsichtsratssitzungen am häufigsten fällt, ist…

...dass Unterlagen noch nicht fertig gestellt sind und nachgereicht werden müssen. Dies ist ein ständiger Kampf in den Vorbesprechungen und den Aufsichtsratssitzungen, dass Unterlagen im Vorfeld detailliert vorliegen, damit wir auf dieser Basis unsere Entscheidungen treffen können.

10. Schätzen Sie das Gewicht der Unterlagen, die Sie jedes Jahr für die Aufsichtsratstätigkeit durchgehen müssen.

Wenn uns die Unterlagen heute noch alle in Papierform zugestellt würden, dürfte es sich sicherlich zu jeder Aufsichtsratssitzung um ein Kilo handeln. Vieles geht uns allerdings per E-Mail zu, sodass die Ordner durch Papier nicht mehr ganz so gefüllt werden, jedoch die elektronischen Ordner an Datenvolumen stetig zunehmen.


Nach oben

Finde deine Gewerkschaft

Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter halten Fahnen hoch: Grafik
DGB
Rechtsschutz, tarifliche Leistungen wie mehr Urlaubstage und Weihnachtsgeld, Unterstützung bei Tarifkonflikten und Weiterbildung – dies sind 4 von 8 guten Gründen Mitglied in einer DGB-Gewerkschaft zu werden.
weiterlesen …

Der DGB-Tarifticker

Ge­werk­schaf­ten: Ak­tu­el­le Ta­rif­ver­hand­lun­gen und Streiks
Gewerkschafter*innen auf Demonstration für besseren Tarif
DGB/Hans-Christian Plambeck
Aktuelle Meldungen zu Tarifverhandlungen, Tariferfolgen und Streiks der acht Mitgliedsgewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).
weiterlesen …

RSS-Feeds

RSS-Feeds: Un­se­re In­hal­te – schnell und ak­tu­ell
RSS-Feed-Symbol im Hintergrund, im Vordergrund eine Frau, die auf ihr Handy schaut
DGB
Der DGB-Bundesvorstand bietet seine aktuellen Meldungen, Pressemitteilungen, Tarifmeldungen der DGB-Gewerkschaften sowie die Inhalte des DGB-Infoservices einblick auch als RSS-Feeds.
weiterlesen …

Direkt zu deiner Gewerkschaft

Zu den DGB-Gewerkschaften

DGB